Der Frust bei David Herro (62) muss gigantisch sein. Der Amerikaner ist Vizevorsitzender und Chief Investment Officer (CIO) von Harris Associates. Das US-Investmenthaus war bis vor ein paar Tagen einer der grössten Investoren bei der kriselnden Grossbank Credit Suisse (CS). Damit ist nun Schluss, Harris ist komplett ausgestiegen, wie die «Financial Times» meldet.
Gegenüber der Zeitung lässt Herro seiner Frustration freien Lauf. So sei die Zukunft der Bank «fraglich», er spricht von einem «Problemkind», das ihm viel Arbeit beschert habe. Allerdings: Harris hat mit der CS auch schon gutes Geld verdient. Das Investmenthaus war bereits 2002 bei der CS eingestiegen, bei einem Aktienpreis von 30 Franken. Nach Verkäufen im Jahr 2008 zu einem mehr als doppelten Preis kaufte sich Harris 2009 erneut für 23 Franken pro Aktie bei der CS ein. Nach einem kurzzeitigen Kursanstieg befinden sich die CS-Aktien seither auf einem stetigen Sinkflug. Also hat Harris die Aktien nun verscherbelt.
Mehr Ruhe in der Bank
Trotz der schallenden Ohrfeige aus Übersee dürfte man bei der CS wohl insgeheim froh sein, einen aktivistischen, aufmüpfigen Investor los zu sein, der immer mal wieder öffentlich gegen die CS-Chefetage schoss. «Diese Zeiten dürften vorbei sein», sagt Andreas Venditti (50), Analyst bei der Bank Vontobel. «Die Investoren aus Saudi-Arabien und Katar sind nicht bekannt dafür, dass sie mit den Medien über ihre Investitionen sprechen.» Sehr wahrscheinlich aber, dass sie hinter den Kulissen enge Kontakte zum Management pflegen.
Herro war diesbezüglich weniger diskret – und nicht immer erfolgreich. So stellte er sich in der Beschattungsaffäre hinter den damaligen CEO Tidjane Thiam (62) und forderte den Rücktritt von Urs Rohner (63). Der Präsident konnte sich halten, Thiam musste im Februar 2020 gehen. Noch vor ein paar Tagen bezeichnete Herro die Bank als «Übernahmekandidatin» zum Schnäppchenpreis.
Rechnung geht selten auf
Damit könnte sich der aktivistische Investor bei der CS ein letztes Mal getäuscht haben. Denn an den Märkten glaubt diese Geschichte niemand, sonst müsste sich der Kurs nach oben bewegen. Auch eine Zerschlagung der Bank würde einem Käufer nicht viel bringen, sagt Venditti. «Ich bin kein Freund des Arguments, dass die einzelnen Teile mehr wert sein könnten als das Ganze.»
Das Problem: Was die guten Teile wie etwa die Schweizer Bank wert sind, liesse sich relativ gut einschätzen – aber welche Kosten der Rückbau der schlechten Teile, also etwa der Investmentbank, verursachen wird, werde meist unterschätzt, so Venditti.
Das heisst: Für einen Käufer der CS könnte die Rechnung unterm Strich ebenso wenig aufgehen wie für den frustrierten Investor Herro von Harris Associates.