Die USA und China wetzen die wirtschaftspolitischen Säbel. Die USA verhängen neue Strafzölle gegen chinesische Produkte. Besonders hart trifft es Elektroautos made in China. Bei diesen wird der Strafzoll auf 100 Prozent erhöht, das heisst, der Preis würde sich verdoppeln.
Damit nicht genug: Auch für Solarzellen, Halbleiter, Hafenkräne, Batterien oder Medizinartikel wie Kanülen und Schutzmasken erhöhen die USA die Schutzzölle zum Teil drastisch. Die USA schotten ihren Markt für chinesische Produkte immer mehr ab. Es droht eine weitere Eskalation des Handelskrieges zwischen den grössten Wirtschaftsmächten der Welt.
Was bedeutet das für den Welthandel, aber auch für Konsumenten und Firmen in der Schweiz? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Was steckt hinter den US-Massnahmen?
Wahlkampf, sagen die einen – die schiere Not, sagt die US-Regierung: «China hat all diese Produkte stark subventioniert und die chinesischen Unternehmen dazu gebracht, weit mehr zu produzieren, als der Rest der Welt aufnehmen kann», begründete US-Präsident Joe Biden (81) die Strafzölle. Dann würden die überschüssigen Produkte zu unfairen Niedrigpreisen auf den Markt geworfen und andere Hersteller in der ganzen Welt aus dem Geschäft gedrängt. «Das ist kein Wettbewerb, das ist Schummeln», so Biden.
Nico Luchsinger (41) vom Thinktank Asia Society relativiert den unmittelbaren Handlungsbedarf der USA: «Keiner der grossen chinesischen Autobauer ist in den USA wirklich präsent. Die Importe haben zwar im letzten Jahr stark zugenommen, bewegen sich aber insgesamt auf tiefem Niveau.» Es dürfte also vor allem darum gehen, den Einstieg der Chinesen im grossen Stil in den amerikanischen E-Auto-Markt zu verhindern.
Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr importierten die USA aus China Waren im Wert von rund 385 Milliarden Franken. Die nun verhängten Strafzölle betreffen ein Handelsvolumen von lediglich gut 16 Milliarden Franken.
Wie wird China reagieren?
China liess sogleich verlauten, man wolle «entschlossene Massnahmen ergreifen, um seine eigenen Rechte und Interessen zu verteidigen». Luchsinger gibt auch hier zu bedenken: «Die Chinesen können nicht mit gleicher Münze heimzahlen. China exportiert deutlich mehr Produkte in die USA als umgekehrt.» Martin Naville (65) von der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer rechnet mit Gegenmassnahmen, allerdings nicht unmittelbar: «Die jüngste Entwicklung kam überraschend. Es dürfte noch einigen Wochen dauern, bis die Chinesen nachziehen.»
Wie gefährlich ist diese Entwicklung?
Die zentrale Frage ist: Wird die EU ähnliche Massnahmen gegen chinesische Autobauer verhängen? Der Druck ist gross, der Marktanteil chinesischer E-Autos in Europa ist einiges grösser als in den USA. «Die amerikanischen Vorwürfe, dass China bestimmte Branchen stark unterstützt, sind sicher gerechtfertigt, aber sind es die Massnahmen auch?», fragt sich Luchsinger. «Problematisch wird es für China, wenn die EU nachzieht.»
«Die USA vermischen Wirtschafts-, Sicherheits- und Aussenpolitik», sagt Luchsinger. Ein gefährlicher Cocktail für die Weltwirtschaft, die für ihr Gedeihen auf freien Handel angewiesen ist. Jan Atteslander (60), Bereichsleiter Aussenwirtschaft bei Economiesuisse, sieht das Problem ebenfalls in einer gravierenden Fehlentwicklung der Aussenwirtschaftspolitik vieler Staaten: «Der Trend geht klar in Richtung noch mehr protektionistischer Massnahmen. Die Folge: Die Weltwirtschaft wächst langsamer.»
Was heisst das für die Schweizer Wirtschaft?
Unmittelbar droht keine Gefahr, auch nicht für Firmen, die Produktionsstätten in den USA haben. «Diese Unternehmen produzieren primär für den US-Markt», sagt Naville. «Da braucht es viel Fantasie, um etwas zu finden, was für diese Unternehmen bedrohlich wäre.»
Auch Luchsinger befürchtet im Moment wegen des Handelsstreits der beiden Grossmächte keine direkten Folgen für die Schweizer Wirtschaft. Allerdings fordert der Asienkenner ein Umdenken: «Der Handel bekommt immer mehr eine geopolitische Dimension. Wir in der Schweiz haben das Gefühl, man könne den Handel von der Aussenpolitik trennen.» Das müsse sich ändern. «Die Schweiz muss um ihre Freiräume kämpfen.»
Atteslander rechnet vor allem im Falle einer weiteren Eskalation mit zusätzlichen negativen Folgen: «Zieht die EU nach, dürfte China auch gegen Europa Gegenmassnahmen ergreifen. Das wird die deutsche Autoindustrie spüren – und damit auch deren Schweizer Zulieferer.»
Der Branchenverband Swissmem fürchtet vor allem die indirekten Folgen: «Die Zoll-Mauern bremsen weltweit das Wirtschaftswachstum. Die Tech-Industrie mit ihrem Exportanteil von 80 Prozent wird das schmerzhaft spüren.»
Was spüren die Konsumenten?
Im Moment noch nicht viel, doch das könnte sich ändern: «Am Schluss bezahlen immer die Konsumenten, weil die Preise steigen», erklärt Atteslander. «Jede Form von Protektionismus ist ein direkter Angriff auf die Konsumenten.» Und auf die Umwelt: «Die Massnahmen betreffen bestimmte strategische Produkte, die für die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft unabdingbar sind.» Denn US-Präsident Biden versucht, China aus kritischen Zukunftsbranchen hinauszudrängen, indem er seinerseits Milliardensubventionen für die Chip- oder Batterieproduktion verteilt.
Die Folge: Die Preise für Batterien dürften steigen. Das verteuert E-Autos nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Und bringt diese damit preislich ins Hintertreffen gegenüber den nach wie vor populären Benzinern.