«Ausland passt Preise an, wir bleiben auf hohem Preisniveau sitzen»
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Konjunkturforscher:«Wir bleiben auf unserem hohen Preisniveau sitzen»

Gut gemacht, Schweiz! Warum wir im Vergleich zum Ausland so gut dastehen
Weniger Inflation, tiefere Zinsen, weniger Arbeitslose

Die Schweizer Wirtschaft ist robust. So widerstandsfähig, dass sie auch im nächsten Jahr wachsen wird. Was uns so stark macht und wieso es doch noch kritisch werden könnte.
Publiziert: 06.10.2022 um 00:28 Uhr
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Aktualisiert: 06.10.2022 um 06:31 Uhr
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Die Schweizer Wirtschaft ist robust, sie wird auch im nächsten Jahr wachsen.
Foto: Keystone
Christian Kolbe

In diesem Winter wird es nicht nur in den Häusern und Wohnungen kälter, auch die Wirtschaft kühlt sich ab. Und das deutlich, was wir vor allem im nächsten Jahr spüren werden. 2023 soll die Schweizer Wirtschaft gerade mal noch um 0,7 Prozent wachsen, sagen die Prognostiker der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich voraus.

Und doch: Ein Schrumpfen der Wirtschaft dürfte uns erspart bleiben. KOF-Leiter Jan-Egbert Sturm (53): «Unsere Vorbereitungen sorgen dafür, dass wir ein schwaches Winterhalbjahr sehen, aber nicht unbedingt in eine Rezession stürzen werden.»

Noch läuft es rund

Im Gegensatz zur Corona-Pandemie, die alle unvorbereitet traf, wissen wir seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs, was auf uns zukommen könnte. Deshalb suchen Unternehmen schon seit Monaten nach Lösungen, um Strom zu sparen oder energieeffizienter produzieren zu können. Auch wenn noch vieles unausgegoren ist, all das könnte helfen, dass es zu Beginn des nächsten Jahres nicht zum befürchteten Strom- und Gasmangel kommt.

Kommt dazu, dass die Schweizer Wirtschaft immer noch dabei ist, den Einbruch nach Corona aufzuholen. «Der Zustand der Schweizer Wirtschaft ist noch erstaunlich gut. Die Auftragsbücher sind gefüllt. Aber die Aussichten haben sich sehr stark eingetrübt in den letzten Wochen», sagt Rudolf Minsch (55), Chefökonom des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse.

Sein Blick in die Zukunft ist etwas pessimistischer als bei der KOF: Die Schweizer Wirtschaft dürfte im nächsten Jahr gar nur um 0,5 Prozent wachsen. Minsch spricht von einem «Multifrontenkrieg», den die Unternehmen gerade auszufechten haben. Nicht nur die horrenden Energiekosten machen vielen Patrons Bauchweh, auch die nach wie vor anhaltenden Lieferengpässe oder der Fachkräftemangel führen dazu, dass die Auftragsbücher nicht so schnell abgearbeitet werden können wie gewünscht.

Starker Franken stählt Wirtschaft

Doch Probleme zu lösen, gehört zu den Kernkompetenzen der Schweizer Wirtschaft. Nicht erst seit der Euro-Schulden-Krise musste sich die Schweizer Wirtschaft ständig neu erfinden, neue Geschäftsmodelle entwickeln oder die lukrative Nische finden. Die Schweiz wurde zu einer modernen Dienstleistungsgesellschaft umgebaut, mit einem kleinen, aber feinen Industriesektor, der erst noch viel weniger Energie verbraucht als die Industrie in den Nachbarstaaten. Die Abwanderung der Industrie mögen Nostalgiker beklagen, doch zahlt sich das jetzt aus, wenn die Energiepreise durch die Decke schiessen.

Auch die Nationalbank hat keinen schlechten Job gemacht. Zwar konnte sie sich dem Erstarken des Frankens nicht dauerhaft entgegenstemmen, doch haben die Währungshüter mit dem Mindestkurs oder den Deviseninterventionen der Wirtschaft immer wieder Zeit verschafft. Zeit, um sich anzupassen. Zudem schützt der harte Franken vor importierter Inflation, die Energiepreise schlagen bei uns nicht ganz so dramatisch durch wie anderswo.

Ohne Strom und Gas geht es nicht

Eine starke Währung, weniger Inflation, tiefere Zinsen, das stärkt einen wichtigen Pfeiler der Konjunktur: die Konsumenten. Wir können uns mehr leisten als unsere Nachbarn. Geben das aufgesparte Geld nach Corona mit vollen Händen aus. Das wiederum kommt zum Beispiel der Gastro- und Tourismusbranche zugute.

Die Schweiz ist ein attraktiver Standort, zieht gut ausgebildete Menschen aus der ganzen Welt an. Die mit ihrem Einkommen die Wirtschaft weiter stärken. Selbst der Teufelskreis aus steigenden Preisen und steigenden Löhnen dreht bei uns viel weniger schnell als etwa in den USA. Das hat auch mit helvetischer Zurückhaltung zu tun: «Am Ende des Tages wird es bei den Lohnverhandlungen einen guten Kompromiss geben, sodass wir eine richtige Lohn-Preis-Spirale verhindern können», hofft Jan-Egbert Sturm.

Dass die gesuchten Fachkräfte ihre Macht bei den Lohnverhandlungen nicht voll ausspielen, nützt dem Arbeitsmarkt. Selbst bei einer heftigen Abkühlung der Schweizer Wirtschaft dürfte die Arbeitslosigkeit nur leicht ansteigen.

Allerdings: Trotz all der Stärken der Schweizer Wirtschaft – ohne Strom und Gas wird es nicht gehen. Werden diese beiden Energieträger in einem kalten und harten Winter tatsächlich Mangelware, sitzen wir während Tagen im Dunkeln. Stehen die Maschinen länger still, dann schrumpft auch die Schweizer Wirtschaft, ist eine Rezession im kommenden Jahr nicht zu verhindern.

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