Der Schweiz steht ein warmer Jahreswechsel bevor. Pistenspass gibt es nur in höheren Lagen. Wobei: Schneesport ist für viele gar kein Thema mehr. Das bestätigten auch Analysen des Sportobservatoriums Schweiz. Die Rede ist von seit Jahren rückläufigen Zahlen bei Skifahrern, Snowboardern und Langläufern. Diesem Trend entgegenwirken will Tanja Frieden (46). Die Snowboardcross-Olympiasiegerin von 2006 ist Präsidentin der Schneesportinitiative Schweiz. Der Verein wurde 2014 gegründet, an Bord sind unter anderen das Bundesamt für Sport, Schweizer Jugendherbergen und Swiss Ski.
Frieden erklärt im Gespräch mit Blick, dass die Schneesportinitiative in dieser Wintersaison bereits 375 Schneesportlager und -tage organisiert hat. Bis Ende der Wintersaison würden noch etliche dazukommen. Gegenüber dem Jahr der Lancierung der Schneesportinitiative hat sich die Zahl der Schneesportlager rund versechsfacht. Für Frieden ein Riesenerfolg. Ihre Erklärung dafür?
Mit fünf Clicks zum Skilager
Die Schneesportinitiative hat zum Ziel, für Schulkinder günstige und fixfertig organisierte Schneesportlager oder -tage zu organisieren. «Mit fünf Clicks haben Lehrerinnen und Lehrer über unser Vehikel GoSnow.ch ein kostengünstiges Lager organisiert», sagt Frieden, «es lassen sich problemlos jetzt noch Lager für Februar 2023 organisieren».
Frieden: «Jedes Kind soll im Verlauf seiner Schulkarriere mindestens einmal ein Schneesportlager absolviert haben.» Die vier Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle schaffen dafür mithilfe aller beteiligten Partner preisgünstige Schneesporterlebnisse. Dank der «noch ausbaufähigen» Unterstützung der Destinationen, des ÖVs und weiterer Leistungsträger beläuft sich eine Schneesportwoche für ein Kind samt Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Mietmaterial und Skipass auf rund 350 Franken, der Anteil für die Eltern beträgt dabei rund 100 bis 150 Franken.
Falls das Geld nicht reicht, kann die Schneesportinitiative auf einen Fonds für Härtefälle zurückgreifen, der unter anderem von der Stiftung «Freude herrscht» von alt Bundesrat Adolf Ogi (80) alimentiert wird.
«Es finden sich immer Lösungen»
«Das Bedürfnis für Erlebnisse im Schnee ist da», erklärt Tanja Frieden. Sie will finanzielle, klimatische oder demografische Herausforderungen für den Wintersport nicht schönreden, hält aber dagegen: «Die Schweiz ist oft mehr mit Problemen beschäftigt als mit Lösungen. Wenn es in 100 Jahren keinen Schnee mehr gibt, so wollen wir doch 100 Jahre lang das Beste daraus machen!»
Dass 60 Prozent der Schweizer Schulkinder aktuell keine Schneesport-Ausrüstung besitzen, lässt sich lösen. An Sportbörsen gibt es günstige Ausrüstung. Ebenso können Familien mit Angeboten wie den Migros Ski Days für wenig Geld in den Genuss von Skitagen kommen.
Viel zukünftiges Potenzial
Die Teilhaber der öffentlich-privaten Schneesportinitiative verfolgen natürlich kommerzielle Interessen. Doch diese sind langfristiger Natur. «Der heute investierte Franken kommt nicht schon morgen zurück», weiss Frieden. Die direkte Bruttowertschöpfung aus den Lagern der Schneesportinitiative ist überschaubar, mit rund 3,6 Millionen Franken im aktuellen Winter. Es geht aber um die Zukunft, um den Gewinn von lebenslangen Skifahrern und Snowboardern. Davon profitieren dann touristische Destinationen und Schneesport-Unternehmen nachgelagert.
Tanja Frieden gewinnt der Schneesportinitiative noch einen weiteren wirtschaftlichen Vorteil ab. Während der Pandemie haben die Fälle von psychischen Störungen bei Jugendlichen deutlich zugenommen. Wenn Kinder im Rahmen von Skilagern den soziokulturellen Austausch pflegen, die Freiheit des Gleitens auf Schnee erleben und Freude an den Bergen entwickeln, habe das einen therapeutischen Effekt. «So lässt sich einiges an Geldern im Gesundheitssektor einsparen», ist sie überzeugt.
Frieden würde ihre Initiative am liebsten auch auf andere Sportarten ausweiten. «Nebst GoSnow schwebt mir auch ein GoMountain vor», erklärt sie. «Ich sehe da noch enorm viel Potenzial in diversen Bereichen.»