Es ist das Ende eines Wirtschaftskrimis: Die betrügerische Finanzfirma Wirecard fliegt aus dem wichtigsten deutschen Aktienindex Dax. Vom einstigen Star der Finanzwelt bleibt nur noch ein Trümmerhaufen. Ein Milliardenschaden. Ein Drama. Ein Illusionstheater.
Wie dreist die Verantwortlichen beim Konzern agierten, zeigt das «Manager Magazin». Demnach heuerte der flüchtige Wirecard-Manager Jan Marsalek (40) Schauspieler an, gaukelte mit Kulissen ein Filialnetz in Südostasien vor, fälschte Ausweise und Visitenkarten. Er veranstaltete ein grosses Theater, um die Buchprüfer von KPMG und EY zu täuschen.
Das Magazin stützt sich auf einen bislang unveröffentlichten Anhang des Sonderberichts der forensischen Ermittler von KPMG. Die Scharade, das macht der Bericht klar, diente einzig dazu, die Buchprüfer zufriedenzustellen. Und Marsalek war lange Zeit erfolgreich damit.
Potemkische Dörfer in Südostasien
Zehn Jahre lang forderten die Revisoren keine handfesten Beweise. Sie gaben sich mit Screenshots und Kopien zufrieden. Das Testat traf Jahr für Jahr ein.
Anfang dieses Jahres verdichteten sich aber die Anzeichen, dass etwas faul ist. Kolonnen von Wirtschaftsprüfern marschierten in die Konzernzentrale. Angestellte von EY und KPMG flogen nach Südostasien und forschten nach Beweisen für die Existenz von 1,9 Milliarden Euro, die Wirecard angeblich auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken deponiert hatte.
Die forensischen Ermittler von KPMG berichten, dass den angereisten Experten die Existenz der Konten sowie die Höhe der eingelegten Summen bei einem Besuch mündlich bestätigt wurde. Das gleiche Theater erlebten offenbar die Leute von EY. Aber es war eben nur das: nur ein Theater.
Vier Überweisungen
Die Bankmitarbeiter vor Ort sollen bestochen worden sein. Bei den Zweigstellen soll es sich zumindest teilweise um von Marsalek errichtete Kulissen handeln. Und in den Videokonferenzen, welche die Buchprüfer einforderten, sassen Schauspieler – vermutlich engagiert vom flüchtigen Manager.
Der Scharade auf die Spur kamen die Revisoren erst, als sie die auf Ausweisen und Visitenkarten gedruckten Namen einem Realitätscheck unterzogen. Die Suche etwa in den sozialen Netzwerken Asiens führte ins Nichts. Keine Recherche ergab irgendwelche Treffer.
Mitte Juni schliesslich stürzte das System ein. Die Prüfer forderten konkrete Beweise und forderten vier Probeüberweisungen à 110 Millionen Euro, um die Existenz der 1,9 Milliarden Euro hinreichend belegen zu können. Das Geld traf nie ein. EY verweigerte das Testat. Wirecard war kurz danach pleite. Es ist die grösste Betrugskiste und Räuberpistole der deutschen Nachkriegszeit. (ise)