Wegen gekürzten Boni
Der Credit Suisse springen massenhaft Mitarbeiter ab

Die Credit Suisse hat nach dem Archegos-Debakel den Rotstift angesetzt. Die Boni fallen tiefer aus. Jetzt zeigt sich: Die Top-Banker nehmen die Bonikürzungen nicht hin. Sie verlassen die Bank gleich massenhaft.
Publiziert: 29.07.2021 um 08:33 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2021 um 08:22 Uhr
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Am Donnerstagmorgen hat die Credit Suisse den internen Bericht zum Archegos-Skandal präsentiert
Foto: Keystone

Die Credit Suisse hat am Donnerstag ihre Quartalszahlen vorgelegt: Die Bank schafft es zurück in die schwarzen Zahlen. Im zweiten Quartal resultierte ein Gewinn von 250 Millionen Franken.

Was aber für mehr Wirbel sorgt als die Zahlen: Die Credit Suisse legte zeitgleich ihre Untersuchung zum Archegos-Debakel vor. Die wesentlichen Erkenntnisse der Untersuchung haben unter anderem ergeben, dass im Prime-Services-Geschäft der Investmentbank Versäumnisse bei der effektiven Steuerung der Risiken vorgelegen hätten, schreibt die Bank in einer Mitteilung zum Bericht. Zudem sei festgestellt worden, dass die Kontrolle hinsichtlich Limitenüberschreitungen infolge einer ungenügenden Erfüllung von Aufsichtspflichten unzureichend gewesen sei.

Aus der Untersuchung sei jedoch auch hervorgegangen, dass niemandem aus den Geschäfts- und Risk-Bereichen betrügerisches oder rechtswidriges Vorgehen oder böswilliges Verhalten vorgeworfen werden müsse. Zudem seien im Zusammenhang mit der Architektur der Risikokontrollen und -prozesse auch keine Mängel festgestellt worden. Bei den bestehenden Risikosystemen seien auch keine Unzulänglichkeiten hinsichtlich der Ermittlung kritischer Risiken und damit verbundener Bedenken erkannt worden.

Neun Banker müssen gehen

«Die Bank hat bereits eine Reihe Massnahmen getroffen, um das Risikorahmenwerk zu stärken», wird Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório (57) in der Mitteilung zitiert. «Wir sind entschlossen, die richtigen Lehren zu ziehen und die Kontrollfunktionen auszubauen, so dass wir künftig besser aufgestellt sind.»

Im Rahmen der Überprüfung wurden laut CS mehr als 80 Interviews mit gegenwärtigen und ehemaligen Mitarbeitenden der Bank geführt, und es wurden über zehn Millionen Dokumente und weitere Daten beschafft. 23 Mitarbeitende wurden individuell zur Rechenschaft gezogen. Dazu gehörten neun Entlassungen sowie hohe finanzielle Einbussen von insgesamt rund 70 Millionen US-Dollar. Die Bank werde die impliziten und expliziten Auswirkungen der Archegos-Angelegenheit auf die Boni nach Abschluss des Geschäftsjahres im Vergütungsbericht vollumfänglich darlegen.

Klar ist bereits jetzt: Die Boni der CS-Banker fallen tiefer aus. Und das passt einigen der Kader-Leute offenbar überhaupt nicht. «Es ist tatsächlich so, dass wir in gewissen Bereichen, vor allem bei so genannten Managing Directors, mehr Fluktuation gesehen haben als in vergangenen Jahren», sagt CS-Chef Thomas Gottstein im Interview mit «SRF».

Retention Boni sollen Banker zum Bleiben bewegen

Nach dem 5-Milliarden-Franken-Verlust erwarte man von den Angestellten eine Solidarität mit den Aktionären. Diese führe dazu, dass die CS dieses Jahr nicht so hohe Boni zahle wie andere Banken. «Da müssen wir halt gewisse Abgänge in Kauf nehmen», so Gottstein.

In gewissen Fällen seien aber auch «Retention Boni» ausgerichtet worden, also Zahlungen, welche die Leute zum Bleiben motivieren, sagt Gottstein weiter. Man sei momentan in einem Markt, in dem die Konkurrenz sehr aggressiv sei, weshalb solche Massnahmen in Kauf genommen werden müssten.

Dass aber falsche Anreize zu den Milliardenverlusten rund um Archegos geführt hätten, streitet Gottstein ab. Man könne das zwar nicht ausschliessen und überprüfe es. «Unser Anreizsystem ist aber dasselbe wie dasjenige bei unserer Konkurrenz», sagt der CS-Chef. Es sei daher kein CS-spezifisches Problem. Ursache des Archegos-Unfalls sei stattdessen «menschliches Versagen in einem relativ überschaubaren Team» gewesen.

Von allen Banken am stärksten betroffen

Der Zusammenbruch des US-Hedgefonds Archegos im März hatte die Credit Suisse im ersten Quartal 2021 mit insgesamt 4,4 Milliarden Franken belastet und das Quartalsergebnis klar ins Minus gedrückt. Im zweiten Quartal kommt nun noch eine weitere Belastung von knapp 600 Millionen dazu.

Der vom US-Investor Bill Hwang geführte Archegos-Fonds hatte mit einem hohem Einsatz von geliehenen Mitteln auf den Kursanstieg unter anderem von Aktien aus der Medien- sowie aus der E-Commerce-Branche gewettet. Die Credit Suisse war vom Hedgefonds-Kollaps finanziell weitaus am stärksten getroffen. Verluste erlitten aber auch weitere Finanzinstitute, darunter die japanische Nomura, die US-Bank Morgan Stanley, die Deutsche Bank und die UBS.

In der Folge des Archegos-Kollaps sowie des Debakels um die Greensill-Fonds mussten bei der CS unter anderem Investmentbank-Chef Brian Chin und Risikochefin Lara Warner gehen. Zudem verringerte die Bank die Dividendenausschüttung an die Aktionäre und musste neues Kapital aufnehmen.

Aktienkurs unter Druck

Die am Morgen vorgelegten Quartalszahlen haben auf verschiedenen Ebenen die Erwartungen der Marktbeobachter nicht erfüllt. So lag etwa der publizierte Reingewinn der CS hinter den Prognosen zurück, wogegen die Kosten höher ausfielen als gedacht. Moniert wird in Marktkreisen zudem auch der Kapitalabfluss. Die Belastung durch das Archegos-Debakel lag dagegen im Rahmen der Erwartungen.

Um 9.40 Uhr lag der Aktienkurs der Credit Suisse bei 8.99 Franken und damit 3,3 Prozent tiefer als am Vorabend. Zuvor war er kurzzeitig sogar bis auf 8,79 Franken gefallen. Der Wert der Akten liegt damit nur noch leicht über dem Jahrestief, das mit 8,72 Franken vor zehn Tagen erreicht worden war. Mit der Kursentwicklung zementiert das Credit-Suisse-Papier seine Position als mit Abstand schwächste Aktie unter den Blue Chips seit Jahresbeginn. Der Gesamtmarkt gemessen am Leitindex SMI bewegte sich am Donnerstagmorgen rund 0,2 Prozent tiefer. (SDA/sfa)

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