In der Krise wächst die Fleischeslust
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Metzgereien wieder gefragt:In der Krise wächst die Fleischeslust

Grossansturm bei kleinen Metzgereien
In der Krise wächst die Lust auf Fleisch aus der Region

Vor der Krise war der Trend klar: Die klassische Metzgerei stirbt aus. Der Kunde will lieber billiges Fleisch vom grossen Discounter. Nun die Kehrtwende. Mit Corona steigt die Nachfrage bei lokalen Kleingewerblern.
Publiziert: 25.10.2020 um 23:01 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2020 um 23:05 Uhr
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Mit Corona steigt die Nachfrage in kleinen Metzgereien. Darüber freut sich auch Thomas Peterhans (38), Inhaber der Reussthal Metzgerei in Niederwil. Seinen Umsatz konnte er seit Ausbruch der Pandemie sogar um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr steigern.
Foto: Rebecca Spring
Franziska Scheven

Jede Woche schliesst durchschnittlich eine Metzgerei in der Schweiz. Für immer. Der Grund: Die Leute kaufen lieber billigeres Fleisch beim grossen Detailhändler oder Discountware im Ausland.

Doch mit der Pandemie wendet sich das Blatt: «Für uns ist Corona keine Krise», sagt Thomas Peterhans (38), Inhaber der Reussthal Metzgerei in Niederwil AG. Seinen Umsatz konnte er seit Ausbruch der Pandemie im Vergleich zum Vorjahr sogar um 30 Prozent steigern. «Die Kunden sagen uns, dass sie nun mehr darauf achten wollen, ihr Fleisch regional einzukaufen. Und sie wollen wissen, woher das Fleisch kommt.»

Meganachfrage im Laden

Peterhans' Familie betreibt das Fleischfachgeschäft in dritter Generation. Es umfasst den Ladenverkauf, die eigene Schlachterei und Fleischproduktion. Vor der Krise machte das Ladengeschäft lediglich gut die Hälfte des gesamten Umsatzes aus. Mit dem Wegfall des Partyservice bestreitet es nun fast die ganzen Einnahmen.

Über das Zusatzgeschäft freut sich der Inhaber sehr. «Insgesamt habe ich nun mehr und neue Kundschaft im Laden», sagt Peterhans. Die kleine Ladenfläche sei ebenfalls ein Pluspunkt in der Krise. Die Leute kaufen lieber hier ein als im grossen Detailhandel mit mehr Menschen und somit einem höheren Risiko der Ansteckung.

Metzgereien wieder gefragt

Peterhans ist nicht der einzige Metzger in der Schweiz, der eine solch erfreuliche Entwicklung erlebt. «Betriebe mit einem aktiven Ladengeschäft sind in dieser Krise bisher mit einem blauen Auge davon gekommen», bestätigt Alexandra Bechter, Sprecherin des Schweizer Fleisch-Fachverbands (SFF). Der Verband zählt 940 Mitglieder. Nach Einschätzung von Bechter gibt es insgesamt etwa 1100 Betriebe in der Schweiz.

«Corona hat ihnen neuen Aufwind beschert: Geschäfte, die mit Regionalität und Spezialitäten punkten, haben neue Kundschaft angezogen», sagt Bechter. Es gibt natürlich Ausnahmen. Auf Catering spezialisierte Metzgereien sind die Verlierer der Krise, so Bechter.

Umsatz teilweise um 30 Prozent erhöht

In der Branche sei generell eine Steigerung des Umsatzes um ein Prozent schon ein grosser Schritt, erklärt Christoph Jenzer (53), der eine Metzgerei in Arlesheim BL betreibt. Sein Laden ist nur wenige Minuten von der deutschen und französischen Grenze entfernt. Kein einfacher Standort. Viele Kunden gehen lieber im Ausland einkaufen, wo das Fleisch billiger ist.

«Während des Lockdowns durften wir in unseren drei Fachgeschäften um die Hälfte mehr Umsatz erzielen», sagt Jenzer, der seinen Laden in vierter Generation führt. «So konnten wir den Zusammenbruch der Belieferung an Restaurants und im Partyservice teilweise wettmachen.» Die Krise ging aber nicht ganz spurlos an ihm vorbei. Insgesamt liegt der Umsatz acht Prozent unter dem Vorjahresergebnis.

Trotzdem zeigt sich Jenzer zufrieden. «Wir konnten die Corona-Krise bisher mit einem blauen Auge überstehen», sagt er. «Alle Abteilungen haben einander ausgeholfen, und wir mussten nie Kurzarbeit anmelden.»

Gastro bleibt wichtig

Andere Betriebe sind da pessimistischer. «Der höhere Umsatz im Geschäft hat den Partyservice nicht ganz auffangen können», sagt Ernst Urich (43), Gründer und Geschäftsführer der Metzgerei Urich Fleisch und Feines in Möhlin AG mit zwölf Mitarbeitern.

Jeden Tag erhält er Absagen für Feste und Grossanlässe. Von 15 geplanten Veranstaltungen in den kommenden Monaten sind nur noch fünf geblieben. «Das wichtigste Fest ist das nun abgesagte Fasnachtfest im Februar. Da hätte ich 60'000 Franken Umsatz gemacht», sagt Urich, der seinen Betrieb vor sieben Jahren gründete. «Das tut schon weh.»

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