Über die Rentenproblematik
Die AHV-Revision bringt Vorteile für sozial Schwächere

Keine 50 Prozent haben Anspruch auf eine volle AHV-Rente. Alle anderen haben alles Interesse, im Rentneralter weiter einer Arbeit nachzugehen, wenn sie damit ihre AHV aufbessern können.
Publiziert: 30.10.2021 um 14:41 Uhr
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Aktualisiert: 30.10.2021 um 20:07 Uhr
Künftig könnte es sich für Arbeitsnehmende stärker lohnen, im Pensionsalter weiterzuarbeiten.
Foto: Getty Images
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Claude ChatelainKolumnist und Wirtschafts-Publizist

Swiss Life hat am Montag eine bemerkenswerte Studie zum Arbeitsmarkt 55 plus präsentiert. Pointiert und zugespitzt könnte man die Antworten der 750 befragten Unternehmen folgendermassen zusammenfassen: «Ja, wir haben einen Fachkräftemangel. Nein, wir machen nichts dagegen.»

Arbeitgeber könnten etwas dagegen tun, indem sie Anreize schaffen, um Arbeitnehmende länger im Betrieb zu behalten. Doch laut Swiss Life «ergreifen sie nur selten Massnahmen, um Mitarbeitende dazu zu bewegen, bis zum oder über das ordentliche Rentenalter hinaus erwerbstätig zu bleiben».

Das bestätigt meine Beobachtung. Statt selber Anreize zu schaffen, geben Unternehmen den Ball lieber weiter an die Politik, damit sie für Über-65-Jährige bessere Rahmenbedingungen schafft. Das ist auch in der laufenden AHV-Revision zu beobachten.

So wollte der Ständerat den monatlichen AHV-Freibetrag für Rentnerinnen und Rentner von heute 1400 auf 2000 Franken erhöhen. Als Argument dafür wurde – einmal mehr – der Fachkräftemangel bemüht. Das würde aber die AHV jährlich geschätzte 88 Millionen kosten. Keine wirklich gute Idee, wenn doch die AHV-Revision unter dem Titel «Stabilisierung der AHV» läuft.

Eine sehr gute Idee ist aber, die im Rentenalter befindlichen Arbeitnehmenden wählen zu lassen, ob sie vom AHV-Freibetrag von monatlich 1400 Franken Gebrauch machen wollen oder nicht. Diese Wahlfreiheit wird Realität, sofern die laufende AHV-Mini-Revision mit der Anpassung des Frauenrentenalters und der Zusatzfinanzierung via Mehrwertsteuer durchkommt. Es war der Nationalrat, der diese Wahlfreiheit für Rentnerinnen und Rentner in der Sommersession beschlossen hatte. Der Ständerat ist dann in einer ersten Differenzbereinigung darauf eingegangen.

Eine gute Idee ist es deshalb, weil die AHV-Abzüge bei Rentnerinnen und Rentnern künftig rentenbildend sein sollen. Man muss wissen, dass keine 50 Prozent aller Rentnerinnen und Rentner Anspruch auf eine volle AHV-Rente haben. Wenn sie im Rentenalter weiter einem Erwerb nachgehen und damit AHV-Beiträge bezahlen, können sie ihre AHV-Rente bis zum Betrag der maximalen Vollrente von derzeit 2390 Franken pro Monat aufbessern. So wird es sich lohnen, auf den Freibetrag von 1400 pro Monat beziehungsweise 16'800 Franken pro Jahr zu verzichten, damit die AHV-Beiträge dann auch hoch genug sind, um die Rente nachhaltig aufzubessern. Wer so oder so die maximale Vollrente erhält, wählt logischerweise den Freibetrag.

Für die sozial Schwächeren, eben jene ohne volle AHV-Rente, wäre das ein enormer Vorteil. Der Konjunktiv deshalb, weil zuerst die AHV-Revision mit dem angepassten Frauenrentenalter, der damit einhergehenden Mehrwertsteuererhöhung und eben der neuen Regelung mit dem AHV-Freibetrag von uns allen abgesegnet werden muss.

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