Stürmische Zeiten für Schweizer Medienhäuser: Die Corona-Pandemie bescherte ihnen einen massiven Rückgang der Werbeeinnahmen. Dabei standen sie schon vor Corona wegen der Konkurrenz von globalen Plattformen wie Google oder Facebook unter Druck.
Vor diesem Hintergrund diskutierten die Spitzen der Schweizer Medienhäuser am Swiss Media Forum 2020 im Lake Side in Zürich neue gemeinsame Offensiven.
Online eingeschaltet in die sogenannte Elefantenrunde waren Felix Graf (53), CEO NZZ-Mediengruppe, Gilles Marchand (58), SRG-Generaldirektor, Pietro Supino (55), Verleger TX Group, Marc Walder (55), CEO Ringier (Herausgeberin von BLICK) sowie Peter Wanner (75), Verleger CH Media.
Marc Walder warnt, dass 2022 neue Regeln von Facebook und Google bei den sogenannten Cookies dazu führen werden, dass den Schweizer Medienhäusern in den nächsten Jahren ein hoher zweistelliger bis dreistelliger Millionenbetrag an Werbung entgeht. «Kooperation zwischen den Medienhäusern bringt mehr als Konfrontation», betont er. Auch wenn die privaten Verleger mit der Online-Strategie der SRG nicht einverstanden seien, sollten die Verleger nicht den Fehler machen, diesen Streit wieder auf das politische Parkett zu tragen und damit das aktuelle Medienförderpaket zu gefährden.
«Wenn sich das Medienförderpaket im Parlament verzögert, dann verlieren wir alle», erklärte der Ringier-CEO. Er schlug einen «Runden Tisch» vor, an welchem sich die Privaten mit der SRG über die Rollenteilung im digitalen Raum und über neue Kooperationsprojekte zugunsten des ganzen Medienplatzes Schweiz einigen sollten.
Auch NZZ-Chef Felix Graf hält partnerschaftliche Modelle zwischen den Medienhäusern für dringlich. Er hebt hervor, für die Verlage würden mit der schwindenden Werbung die Einnahmen über die Nutzer immer wichtiger.
Play Swiss für Dritte offen
CH-Media-Verleger Peter Wanner räumt ein, dass Sparen zwar Pflicht sei für Medienhäuser. Gleichzeitig sei es aber essenziell, die Marken und neue Lösungen zu entwickeln. Auch er befürwortet den Versuch einer Kooperationsfindung zwischen den Verlagen und der SRG. Allerdings kritisiert er die Online-Strategie der SRG, womit die privaten Verleger geschwächt würden. Er fordert, dass die SRG ihre neue Streaming-Plattform Play Swiss für Dritte öffnet – quasi das Netflix der SRG. Auf der Plattform kann das Publikum mit einem Login Eigen- und Co-Produktionen von SRF, RSI, RTR und RTS abrufen.
SRG-Generaldirektor Gilles Marchand (58) betonte, die neue Plattform sei sehr wohl offen für Dritte, und zeigte sich zugänglich für weitere Kooperationen. Momentan treibt ihn aber der Belästigungsskandal des ehemaligen RTS Star-Moderator Darius Rochebin um, der letzte Woche bekannt wurde. «Es ist eine tiefe Krise, und ich fühle mich verantwortlich dafür», sagte Marchand in der Elefantenrunde.
Er habe nichts von den Belästigungen gewusst. Er leitete die RTS zwischen 2010 und 2017. «Das Verhalten des Moderators war inakzeptabel», betont er. Die SRG müsse nun nicht nur den Fall ausleuchten, sondern auch klären, ob es ein Verantwortlichkeitsproblem gebe.
Schulterschluss statt Grabenkämpfe
Unter dem Strich rückten am Swiss Media Forum die Grabenkämpfe zwischen den Verlegern angesichts der Herausforderungen in den Hintergrund, Schulterschlüsse in den Vordergrund. Auf Initiative des Ringier-Chefs sind die Spitzenverleger bereits vor zwei Jahren mit der Login-Allianz näher zusammengerückt. Ziel dieser Allianz von CH Media, NZZ, Ringier, SRG sowie der TX Group: Die Nutzer müssen sich beim gemeinsamen Login der Medienhäuser einmal registrieren und haben dann Zugriff auf rund 30 Schweizer Medienmarken.
Als nächster Schritt startet kommendes Jahr ein allianzübergreifender Single Sign-on (SSO), wo die Nutzer mit einer Registrierung auf alle Portale der konkurrierenden Unternehmen Zugriff haben.
Die Digital-Allianz-Partner verfolgen das Ziel, viel stärker als bisher in eine direkte, persönliche Beziehung mit ihren Nutzerinnen und Nutzern zu treten. So wie das bereits seit einigen Jahren bei nahezu allen grossen Internetanbietern der Fall ist. Ein Login dient dieser persönlichen Beziehung. Durch diese persönliche Beziehung werden die Angebote der Medienhäuser mit der Zeit noch relevanter – weil sie erfahren, was die Nutzerinnen und Nutzer wirklich bewegt.
Dementsprechend können Inhalte offeriert werden, die besonders interessieren. Damit wird ein konkreter Mehrwert für jeden Nutzer und letztlich auch für die Medien geschaffen. Die Wertschätzung für die Inhalte steigt und damit deren Nachfrage und – für die nicht-gebührenfinanzierten Anbieter wichtig – die Monetarisierbarkeit verbessert sich.