Die Medien sind wichtig für die Meinungsbildung der Bevölkerung. Sie sind wichtig für die Demokratie, betonte CVP-Bundesrätin Viola Amherd (58) in ihrer Eröffnungsrede zum diesjährigen Swiss Media Forum, dem Schweizer Medienkongress in Zürich – wegen der Corona-Krise war der Auftritt nur per Videoübertragung zu verfolgen.
«Wir brauchen mutige, ehrliche und unparteiische Medien, auch wenn sie nicht bequem sind», findet Amherd. Gleichzeitig machte sie keinen Hehl daraus, dass sie an den Medien nicht immer nur Freude hat. So kritisierte sie, dass Medien Geschäfte noch vor ihrer Behandlung im Bundesrat «leaken»: «Im Ernst, ich frage mich jeweils, ob Artikel über ‹geleakte› Geschäfte der Bevölkerung einen Mehrwert bringen.»
«Wir müssen uns da auch an der eigenen Nase nehmen»
Zwar sei es manchmal «ganz bequem, bereits vor der Bundesratssitzung zu lesen, was wir entscheiden werden», meinte Amherd ironisch. Tatsächlich aber frage sie sich, ob es einzig darum gehe, als erstes Medium eine vertrauliche Information veröffentlichen zu können und so Klicks zu generieren.
Auf Nachfrage von Moderatorin Maria Victoria Haas (40) räumte die Bundesrätin aber ein, «dass wir uns da auch an der eigenen Nase nehmen müssen». Immerhin gelangen die vertraulichen Informationen ja aus der Bundesverwaltung an die Medien. «Als Journalist würde ich diese natürlich auch nutzen», räumte Amherd ein.
Gerade in der Corona-Krise hätten Schweizer Medien aber eine gute Rolle gespielt, findet Amherd. Sie hätten die Botschaften und Empfehlungen des Bundesrats weiter verbreitet – «sonst nützen sie ja nichts».
Vielleicht seien viele Journalisten zu Beginn der Pandemie etwas unkritisch gewesen. «Aber das standen wir auch alle etwas unter Schock», so Amherd. Zudem sei es damals wichtig gewesen für den Zusammenhalt, dass nicht jeder Entscheid hinterfragt wurde. Je länger, je mehr hätten Journalisten aber auch kritische Fragen gestellt. Amherd: «Auch das ist wichtig, damit wir uns stetig verbessern können.»
Unabhängigkeit soll gewahrt bleiben
Bundesrätin Amherd ist bewusst, dass Verleger vor grossen wirtschaftlichen Herausforderungen stehen. Alleine seit Beginn der Corona-Krise seien die Inserateeinnahmen in Printmedien um 110 Millionen Franken zurückgegangen. Der Bundesrat hat daher ein Förderpaket aufgegleist.
Man befinde sich hier in einem Spannungsfeld, antwortete Amherd auf die Frage aus dem Publikum, ob die Staatshilfe nicht die Unabhängigkeit der Medien gefährde. Es brauche Unterstützung, die Unabhängigkeit solle aber dennoch gewahrt werden. «Allerdings kann es auch ohne staatliche Hilfe Abhängigkeiten geben – gerade im wirtschaftlichen Bereich», ergänzte die CVP-Magistratin.
Trotz des wirtschaftlichen Drucks, hat Amherd aber wichtige Anliegen an die Medien: Schnelligkeit und Quantität dürften nicht auf Kosten der Qualität geschehen. «Die Medienbranche muss es schaffen, schnelle Online-Berichterstattung und gut recherchierten Hintergrundjournalismus unter einen Hut zu bringen», findet sie.
Bei Frauenförderung gibt es noch viel Luft nach oben
Und es kommt noch ein weiteres Anliegen hinzu, für das sich Amherd schon seit vielen Jahren einsetzt: die Frauenförderung. In der Medienbranche gebe es hier noch viel Luft nach oben – genauso wie in Politik und Wirtschaft. Das betreffe nicht nur den Mangel von Frauen in Chefredaktionen. Das betreffe auch die Berichterstattung, welche Frauen oft deutlich weniger Platz einräume.
Gerade auch als Verteidigungsministerin sei es ihr wichtig, Frauen zu fördern. «Seit meinem Amtsantritt habe ich da auch schon grosse Fortschritte gemacht und den Frauenanteil in der Armee von 0,7 auf 0,8 Prozent erhöht», meinte Amherd mit einem Augenzwinkern.
Verantwortung übernehmen
Gewisse Vorbehalte äusserte Amherd gegenüber Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI). Diese unterstützten Journalisten zwar bei der Arbeit. «KI-Systeme können aber keine Verantwortung übernehmen», betonte die Bundesrätin.
Es seien immer Menschen, die einordnen und abwägen würden und für einen Artikel geradestehen müssten. Verantwortung zu übernehmen und sich immer wieder zu hinterfragen, gelte für Politiker genauso wie für Medienschaffende.
Ziel müsse es sein, die Menschen transparent und kompetent zu informieren. Dazu seien Medienschaffende und politische Behörden aufeinander angewiesen. Sie freue sich aber auf eine bereichernde weitere Zusammenarbeit. Daher könne sie das Zitat von Agatha Christie nicht unterschreiben, die gesagt habe: «Ich habe Journalisten nie gemocht. Ich habe sie alle in meinen Büchern sterben lassen.» (SDA/dba)