Der Theologe Ansgar Gmür (69) geht mit den Kirchengemeinden hart ins Gericht. Sein Vorwurf: Die Gemeinden machen viel zu wenig aus ihrem grossen Immobilien-Portfolio und verschwenden damit jede Menge Geld. Zu wenig wirtschaftlich geführt, zu unprofessionell, so sein Fazit. Gmür war fast zwei Jahrzehnte lang Direktor des Hauseigentümerverbands Schweiz (HEV) und hat den Immobilienbesitz der Kirchen in der Schweiz in einer Arbeit umfassend durchleuchtet. Er fordert, dass die Kirchen leere Gebäude umnutzen und vermieten oder verkaufen.
Die Kritik kommt nicht überall gut an. Markus Dütschler, Kommunikationsverantwortlicher der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, räumt zwar ein, dass bei unternutzten Immobilien zweifellos ein Handlungsbedarf bestehe. «Allerdings ist die Kirche keine Immobilienfirma, die nach reinem Renditedenken funktioniert. Kirchengebäude oder Kirchgemeindehäuser gehören zur Identität eines Stadtquartiers oder eines Dorfes. Deshalb muss man in diesen Fragen behutsam und mit Fingerspitzengefühl vorgehen», kontert er.
Kirchen nehmen Immobilien unter die Lupe
Umnutzungen wären bereits heute gang und gäbe, betont Johannes Stückelberger (64), der an der Universität Bern Religions- und Kirchenästhetik unterrichtet und eine Datenbank für Kirchenumnutzungen in der Schweiz aufgebaut hat. «In den meisten Fällen läuft es auf eine gemeinsame Nutzung mit anderen Institutionen und Organisationen hinaus, welche die Kirche temporär mieten oder sich in Räumen fest einmieten.» Auf diese Weise könne der öffentliche Charakter der ortsbildprägenden Bauten beibehalten werden. Ganz im Gegensatz zu Kirchen im Ausland, die in ein Fitnesscenter, eine Kletterhalle oder eine Bar umgebaut worden sind.
Trotzdem nehmen mehrere grosse Kirchengemeinden ihre Immobilienverwaltung gerade jetzt verstärkt unter die Lupe. Die Kirche kämpft seit Jahren mit einem Anhängerschwund, der sich in leeren Kirchenbänken zeigt – und auch in sinkenden Einnahmen bei der Kirchensteuer. Die evangelisch-reformierte Gesamtkirchengemeinde Bern arbeitet deshalb aktuell eine Verzichtsplanung aus: Kirchen, Kirchgemeindehäuser und Pfarrhäuser, die nicht mehr gebraucht werden, «sollen der kirchlichen Nutzung entzogen werden», sagt die Kommunikationsverantwortliche Carmen Hess.
Die Mehrheit der Gebäude soll in die Tochtergesellschaft RefBernImmo AG überführt und dort mit einer sachgerechten Folgenutzung, beispielsweise als Schulräumlichkeiten, einem neuen Zweck zugeführt werden. Hess betont: «Die Strukturen sind bereits heute professionell, werden aber im Blick auf die erwähnte Liegenschaftsstrategie aktuell weiter gestärkt.»
Luzern ist offen für Ideen
Auch die katholische Kirche der Stadt Luzern stellt gerade in Aussenquartieren fest, dass die Zahl der Messebesucher abgenommen hat. «Die Kirchen sind vielerorts zu gross geworden», sagt der Kommunikationsverantwortliche Urban Schwegler. Sind die Mitgliederzahlen weiter rückläufig, sei es denkbar, dass in der Stadt künftig einige der Kirchen nicht mehr gebraucht werden.
Deshalb hat die katholische Kirche der Stadt Luzern jüngst ein Projekt lanciert. «Wir wollen klar definieren, unter welchen Bedingungen eine Kirche veräussert werden kann», sagt Schwegler. Wie eine verkaufte Kirche künftig genutzt werden könnte, lasse sich jetzt noch nicht sagen. «Das hängt nicht zuletzt von den Ideen ab, die an uns herangetragen werden.»
Das klingt für eine Kirche doch schon recht aufgeschlossen. Man weiss um den Schatz, den man hütet, das Versilbern dauert einfach etwas länger als sonst im hart umkämpften Immobilienmarkt üblich.