Vor dem Wochenende rutschte der Euro zum Franken bis auf ein Rekordtief von 0.9456 Franken ab, aktuell sind es mit rund 95 Rappen nur unwesentlich mehr.
Bei seiner Einführung vor mehr als 20 Jahren oder auch vor Beginn der Finanzkrise 2007/08 hatte der Euro bekanntlich noch über 1.60 Franken gekostet, seither hat er aber fast kontinuierlich an Wert verloren. Bei der Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Januar 2015 war er kurzfristig gar auf 85 Rappen gefallen – doch es ist umstritten, ob zu diesem Kurs auch wirklich gehandelt wurde.
Entsprechend galt der im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg im September 2022 erreichte Kurs von knapp 95 Rappen als bisheriger Tiefstwert. Dieser wurde mit den Kursen am Freitag nun aber unterschritten.
Riskante Anlagen wegen Nahost-Konflikt
«Die Stärke des Frankens ist eine Folge der geopolitischen Entwicklung im Nahen Osten», sagte Antje Praefcke, Devisenanalystin bei der Commerzbank am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. Im Laufe der vergangenen Woche sei die Risikoaversion gestiegen. «Dies führt dazu, dass das Geld in die sicheren Häfen wie US-Dollar, Gold und auch den Franken fliesst», so die Spezialistin.
Wie es weitergeht, dürfte entsprechend stark von Geschehen dort abhängen. Typischerweise seien die sogenannten Risk-Off-Episoden – also Perioden, in denen riskante Anlagen abgestossen werden – von recht kurzer Dauer. «Aber solange eine Bodenoffensive der israelischen Armee noch aussteht und solange unklar ist, wie die arabischen Staaten dann reagieren werden, ist es wohl noch zu früh für eine Normalisierung.»
Ausweitung der Krise würde Franken weiter stärken
Auch Thomas Flury, Devisenexperte der UBS, sieht die Ursache der Franken-Stärke im Nahen Osten, denn datenmässig oder seitens der SNB gebe es keine Gründe für die Bewegung. Die Entwicklung dürfte daher stark vom weiteren Verlauf des Konflikts abhängig sein, ist auch er überzeugt. Das schlimmste Szenario für Flury wäre eine geografische Ausweitung der Krise. «Wenn weitere Länder in den Konflikt hineingezogen werden, würde dies die Unsicherheit weiter verschärfen und den Franken stärken», meint er.
Nicht ganz so pessimistisch ist derweil Thomas Stucki, Anlagechef der St. Galler Kantonalbank. Er sieht zumindest vorerst keine Gründe für eine länger anhaltende Phase der aktuellen Franken-Stärke. «Politische Ereignisse wecken kurzfristige Ängste», sagte er. Auf die Finanzmärkte hätten sie jedoch nur einen nachhaltigen Effekt, wenn sie die Aussichten für die Weltwirtschaft stark verändern würden. Doch dafür sei die Region des Nahen und Mittleren Ostens wirtschaftlich zu unbedeutend.
Einzig über den Export von Erdöl und Flüssigerdgas habe die Region einen wirtschaftspolitischen Hebel. Dazu müsste sich der Konflikt aber auf den Iran, Saudi-Arabien oder Katar ausweiten. «Dafür gibt es bisher aber keine Anzeichen», so Stucki. (SDA/sak)