Gebühren, Verbote und ein schwarzes Netz
Japan ergreift drastische Massnahmen gegen Massentourismus

Ein Archipel kämpft mit den Folgen des Massentourismus. Lärm, Müll und fehlender Respekt sind japanischen Behörden ein Dorn im Auge. Teurere Tickets und Fotoverbote sollen es regeln. Ausserdem sollen die Gäste in unbekannte Regionen des Landes gelotst werden.
Publiziert: 20.06.2024 um 20:05 Uhr
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Japan ergreift Massnahmen gegen den Massentourismus. So soll beispielsweise in Fujikawaguchiko ein schwarzes Netz die Sicht auf den Fuji hinter dem Lawson-Geschäft verdecken.
Foto: keystone-sda.ch
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Gabriel KnupferRedaktor Wirtschaft

Während der Pandemie wurden die ausländischen Touristen in Japan schmerzlich vermisst. Doch seit die Gäste wieder in Scharen ins Land strömen, treten die Schattenseiten des Massentourismus in den Vordergrund.

Lärmende Touristenmassen und Reisende, die sich nicht an die grundlegendsten Anstandsregeln halten, sind Dauerthema im japanischen Fernsehen. Während die Regierung in Tokio noch mehr Gäste ins Land lotsen will, um die darbende Wirtschaft in Schwung zu bringen, setzen sich lokale Behörden zur Wehr.

Höhere Preise für ausländische Besucher

Jüngstes Beispiel: In dieser Woche schlug der Bürgermeister der Stadt Himeji mit der gleichnamigen Burg vor, unterschiedliche Eintrittspreise für Einheimische und Auswärtige zu verlangen, die das Unseco-Welterbe besuchen wollen.

Statt wie heute allgemein 1000 Yen (rund 6 Franken) sollen ausländische Touristen künftig umgerechnet 27 Franken bezahlen, Einheimische dagegen weniger als 5 Franken.

Wie die Idee umgesetzt werden soll, ist offen. Denn mit der Überprüfung der Staatsbürgerschaft wäre es wohl nicht getan, auch ein möglicher Wohnsitz in Japan müsste berücksichtigt werden, um nicht dem Vorwurf des Rassismus ausgesetzt zu sein.

Dennoch fand der Vorschlag in den japanischen sozialen Medien grossen Zuspruch. Auch Länder wie Ägypten würden unterschiedliche Preise für Einheimische und Ausländer verlangen, hiess es unter anderem.

12 Franken für die Besteigung des Fuji

Überhaupt liegen preisliche Massnahmen gegen den Massentourismus im Trend. Der Preis für den Japan Rail Pass, eine Art Generalabonnement für ausländische Touristen, das nur ausserhalb Japans gekauft werden kann, wurde bereits letzten Oktober um 70 Prozent erhöht. Sieben Tage kosten nun 50'000 Yen (280 Franken) statt 29'650 Yen.

Am Berg Fuji haben die Behörden den Zugang zur Hauptroute auf 4000 Personen pro Tag begrenzt und für den Trail sind neu 12 Franken Eintritt fällig. Ausserdem muss der Besteigungsversuch im Voraus im Internet gebucht werden.

Die Gebühr für die Fuji-Besteigung folgt dem Beispiel von Venedig, wo Tagestouristen ebenfalls Eintritt bezahlen müssen. Falls die Umsetzung dort gelingt, könnte das weltweite Signalwirkung haben. Selbst die Gemeinde Lauterbrunnen im Kanton Bern dachte kürzlich laut über die Einführung eines kostenpflichtigen Talpasses für auswärtige Gäste nach.

Maschennetz und Fotografierverbot

In Japan ergreifen manche Gemeinden inzwischen auch drastischere Massnahmen. In Fujikawaguchiko stellten die Behörden ein schwarzes Maschennetz vor einen beliebten Instagram-Spot. Der Grund: Auf der Jagd nach einem Foto mit dem Lawson-Convenience-Shop vor dem Fuji (siehe oben) hinterliessen die Gäste Berge von Müll und kletterten sogar auf das Dach einer nahen Zahnklinik.

In Kyotos Geisha-Viertel Gion ist es nun verboten, ohne Erlaubnis Fotos auf privaten Strassen zu machen. Andernfalls droht eine Busse von 10'000 Yen (60 Franken). Schilder appellieren zudem an die Touristen, bestimmte Strassen gar nicht erst zu betreten. So will die Stadt die Geishas schützen, die es leid sind, ständig ungefragt abgelichtet zu werden.

Wegen Abfallbergen und Lärmbelästigung ist im Trendviertel Shibuya in Tokio der Alkoholkonsum im Freien um den Bahnhof ab dem 1. Oktober verboten. Allerdings gibt es keine Strafe für Verstösse und es sind längst nicht nur ausländische Reisende, die hier für Ärger sorgen, sondern auch viele japanische Partygänger.

Tourismus-Brennpunkte entlasten

Doch nicht nur Gebühren und Verbote sollen den Massentourismus in geordnete Bahnen bringen. Japan fördert auch «Muster-Reiseziele», die Gäste in weniger bekannte Regionen und zu weniger bekannten Attraktionen führen sollen.

Damit könnten die Overtourism-Brennpunkte Tokio, Osaka und Kyoto entlastet und die Touristenströme gleichmässiger über das Land verteilt werden. Zu den unterstützten Zielen gehören etwa die südliche Insel Okinawa, die japanischen Alpen in Nagano und der Ise-Schrein in der Präfektur Mie.

Denn es ist klar: Der globale Tourismusboom wird so schnell nicht abreissen. Und Japan ist wegen seiner Kulturschätze, der guten Infrastruktur und der aktuell sehr schwachen Landeswährung trotz aller Massnahmen ein attraktives Ziel.

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