Diese Herausforderungen gibt es beim Auswandern
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St. Galler Claudio Sieber (41):«Mit Leuten ein Treffen zu vereinbaren, ist schwierig»

Fürs Hängematte-Leben sparte Claudio Sieber (41) jahrelang
St. Galler Auswanderer arbeitet noch einen Tag pro Woche

Von St. Gallen auf die Philippinen: Claudio Sieber hat sich diesen Traum verwirklicht. Voraus gingen aber Jahre sorgfältiger Planung – und des Verzichts.
Publiziert: 24.07.2023 um 00:04 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2023 um 11:49 Uhr
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Der St. Galler Claudio Sieber lebt heute auf den Philippinen.
Foto: Claudio Sieber
Levin Stamm
Levin StammWirtschafts-Redaktor

Palmen schimmern durchs Fenster von Claudio Sieber (41). Er selbst ist braun gebrannt, seine Haare von der hohen Luftfeuchtigkeit und dem täglichen Bad im Meer zerzaust, als Blick ihn per Video-Call erreicht.

Alltag für den gebürtigen St. Galler. Seit 2020 hat er auf der philippinischen Insel Siargao ein neues zu Hause gefunden. Zuvor führte er während Jahren das Leben eines modernen Nomaden, das ihn quer über den Globus führte. «Ich wollte nicht mein ganzes Leben nach Schweizer Idealen ausrichten», sagt er. Um sich den Traum vom Auswandern zu verwirklichen, bereitete er sich – ganz schweizerisch – sieben Jahre lang intensiv darauf vor.

Minimalistischer Lebensstil

Den Entschluss, die Schweiz hinter sich zu lassen, trifft Sieber bereits 2007. Damals wohnt er noch in der Stadt St. Gallen, arbeitet als Key-Account-Manager. «Ich war ein Karrieretyp. Arbeitete viel, hatte wenig Freizeit», sagt er. Auch nach Feierabend nimmt er die Arbeit in Gedanken mit nach Hause. «Wenn man bei einem Grosskonzern arbeitet, ist es nie genug. Als Individuum fühlte ich mich in diesem Konzept gefangen.»

Das Projekt Auswandern geht Sieber rigoros an. Das Ziel: Ein möglichst grosses finanzielles Polster. «Ich wollte möglichst lange sorgenfrei leben», sagt er. Dafür nimmt er Abstriche in Kauf. St. Gallen kehrt er den Rücken zu und zieht nach Appenzell Ausserrhoden, um Steuern und Miete zu sparen.

Lieber zu Hause kochen als in den Ausgang. Leitungswasser statt Markengetränke. Neue Kleider, wenn überhaupt, von H&M. «Es waren kleine Dinge, an denen ich gespart habe», sagt Sieber. Doch über die Zeit läppert sich einiges zusammen. Als Sieber 2014 aufbricht, hat er 150'000 Franken zusammengespart. Davon legt er 50'000 Franken an.

Mehr als 20 Länder in sechs Jahren

Die ersten sechs Jahre ist er konstant auf Achse. Sieber bereist in dieser Zeit mehr als 20 Länder – die meisten für mehrere Monate – in Asien, Süd- und Nordamerika. Am liebsten ist er mit ungewöhnlichen Transportmitteln unterwegs. Myanmar bereist er auf einem Fluss per Motorboot, Osttimor auf einem kleinwüchsigen Pferd.

Seine Erlebnisse dokumentiert er mit der Kamera und schreibt seine Gedanken dazu in einem Blog nieder. Bald folgen die ersten Reportagen. Heute ist der Fotojournalismus seine Haupteinnahmequelle. Selbst ein Buch hat der Auswanderer vor kurzem veröffentlicht.

Sicher habe seine Marketing-Ausbildung geholfen, seine Reportagen zu verkaufen, sagt Sieber. Und weil er grösstenteils im gut bezahlten Europa publiziert, reichen seine Einnahmen für ein bescheidenes Leben. «Jetzt arbeite ich noch 20 Prozent», sagt Sieber. Da brauche man gute Hobbys, damit einem nicht langweilig werde.

«Will vielleicht irgendwann wieder mittun»

Die hat er zur Genüge. Sieber surft, fährt Velo oder verbringt die Zeit mit Gleichgesinnten, die ebenfalls auf der Insel wohnen. Mit dem Geld aus der Pensionskasse hat er sich ein Haus gebaut. «Als Mensch bin ich heute viel zufriedener», sagt er rückblickend.

Beim Blick in die Zukunft drückt dann aber doch der schweizerische Sicherheitsgedanke durch. Denn in die freiwillige AHV und die dritte Säule zahlt er regelmässig ein. «Vielleicht will ich ja irgendwann wieder mittun im Team Schweiz.»

Claudio Sieber: «Gestrandet im Paradies», Conbook. Im Buchhandel erhältlich.

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