Heizen mit Gas war im letzten Herbst und Winter so teuer wie nie zuvor. Vor allem die Angst vor einer Mangellage war gross, was die Preise durch die Decke trieb. Die Angst war unbegründet, ein milder Winter und die vereinigten Anstrengungen, russisches Erdgas zu ersetzen, haben die Märkte beruhigt, die Preise sanken.
Doch nun steigt die Nervosität wieder. Denn Gas ist nach wie vor ein wichtiger Energieträger, zum Beispiel in der Industrie oder in der kommunalen Wärmeerzeugung. Aber auch rund ein Viertel der Haushalte in der Schweiz heizt mit Gas. Steigt der Gaspreis, wird es teuer, droht ein Mangel, könnte es kühler werden in den warmen Stuben der Schweizerinnen und Schweizer.
Faktor Wetter
Wie gross ist das Risiko eines Gasmangels in diesem Winter? Es sei noch zu früh, um Entwarnung zu geben, heisst es beim Verband der Schweizerischen Gasindustrie: «Auch wenn sich die Situation aktuell beruhigt hat, wird uns das Thema Versorgungssicherheit nicht nur im nächsten Winter, sondern auch in den Jahren danach weiter beschäftigen», erklärt Sprecher Thomas Hegglin.
Wichtigster Faktor ist das Wetter. Wird der Winter so hart, wie der Sommer heiss ist, dann könnte es eng werden. So zwar die Gasspeicher in Deutschland und in anderen Ländern so prall gefüllt wie noch selten um diese Jahreszeit. Steigt allerdings der Verbrauch wegen tiefer Temperaturen an, oder braucht es Gas für die Stromproduktion – etwa weil französische AKW vorübergehend vom Netz müssten – leeren sich die Speicher rasch.
Kommt dazu, dass immer noch 15 Prozent der gesamten Gasmenge aus russischen Quellen nach Europa fliessen – einerseits über Pipelines, aber auch Flüssiggas über die neu errichteten LNG-Terminals. Ein Restrisiko bleibt, dass Kreml-Chef Wladimir Putin den Gashahn ganz zudrehen wird.
Wie kommt der Notvorrat in die Schweiz?
Ein weiteres Problem: Der Schweizer Gasnotvorrat lagert in Speichern in Deutschland, Frankreich oder Italien. «Kritisch ist nach wie vor, dass das von der Schweizer Gaswirtschaft beschaffte Gas in einer Krisensituation tatsächlich auch in die Schweiz transportiert werden kann», gibt Hegglin zu bedenken.
Immerhin: Mit Frankreich ist ein Abkommen ausgehandelt, das die Versorgung der Westschweiz sicherstellt. Es sei aber weiterhin wichtig, dass der Bund die Gespräche zwischen Deutschland und Italien intensiviert, damit möglichst schnell ein zwischenstaatliches Abkommen zustande kommt.
An den Märkten steigt derzeit die Nervosität, die Preise bewegen sich hektischer, der Winter naht: «Die schwankenden Preise auf dem Spot- wie auch auf dem Terminmarkt widerspiegeln die Unsicherheiten rund um die Versorgungssicherheit», sagt Hegglin.
Kleine Ursache, grosse Wirkung
Auch Jérôme Mäser (30), Energiespezialist bei der liechtensteinischen VP Bank, mahnt zur Wachsamkeit: «Es ist besonders dann mit Preisturbulenzen zu rechnen, wenn die Nachfrage in den Wintermonaten massiv anzieht, es zu globalen Lieferengpässen kommen oder die EU die Importe aus Russland komplett verbieten würde.»
Dabei muss nicht einmal in Europa etwas passieren, dass die Preise verrückt spielen: «Es reicht bereits ein angedrohter Streik in drei Flüssiggasanlagen in Australien, und das, obwohl Europa kein Gas aus Australien bezieht. Solche Angebotsausfälle stellen die grösste Gefahr für die Gaspreise in Europa dar», so Mäser. Denn sinkt das globale Angebot, gehen die Preise schnell durch die Decke. Das spüren dann auch die Gaskunden in der Schweiz.