Am 18. Dezember 2014 bescherte die Nationalbank der Schweiz ein vergiftetes Weihnachtsgeschenk: Die Währungshüter senkten die Zinsen auf unter null, kündigten die Einführung von Negativzinsen auf Ende Januar 2015 an. Vorerst von minus 0,25 Prozent.
Es war der letzte Versuch, den Mindestkurs des Euro zum Franken zu halten. Vergeblich! Am 15. Januar 2015 musste die Nationalbank dem Druck der Devisenmärkte nachgeben und den Franken wieder dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen. Der Euro-Mindestkurs war Geschichte.
Das kleinere Übel
Um das Schlimmste zu verhindern, verpasste die SNB dem Schweizer Franken die extremsten Negativzinsen der Welt. Seit Januar 2015 steht diese Rekordmarke bei minus 0,75 Prozent. Mit diesen Negativzinsen sollte der Franken für Anleger seine Attraktivität als sicherer Hafen verlieren.
«Viele akzeptierten zu Beginn die Negativzinsen als das kleinere Übel im Vergleich zu noch mehr Fremdwährungskäufen», erklärt Tobias Straumann (53), Wirtschaftshistoriker an der Universität Zürich.
Was als Notmassnahme gedacht war, bestimmt heute massgeblich den wirtschaftlichen Alltag der Schweiz, hat Einfluss auf das Verhalten von Sparern, Konsumenten, Anlegern und Unternehmen. «Es war allen von Anfang klar, dass Negativzinsen schädlich sind», sagt Straumann. «Allerdings hat keiner damit gerechnet, dass wir so lange mit dieser Situation leben müssen.»
Schmerzgrenze bei 100'000 Franken
Auf Geld, das die Banken bei der Nationalbank parkieren, erhebt diese seit Januar 2015 einen Strafzins. Das kommt die Banken teuer zu stehen: Die Negativzinsen spülen der SNB jährlich rund zwei Milliarden Franken zusätzlich in die Kasse. Zusammen mit den stetig steigenden Devisenreserven weckt das immer wieder Begehrlichkeiten, dass die Nationalbank ihre Gewinnausschüttung erhöhen soll.
Auf der anderen Seite geben die Banken die Negativzinsen immer hemmungsloser an ihre Kunden weiter. Holen sich die Strafzinsen von Pensionskassen oder vermögenden Privatkunden wieder zurück. Selbst Vermögen von 100'000 Franken werden in Ausnahmefällen mit Negativzinsen belegt.
Eine Grenze, die nicht durchbrochen werden dürfte. Zumindest nicht ohne gravierende Konsequenzen: «Die Banken können es sich nicht leisten, noch mehr Sparer mit Negativzinsen zu belasten», sagt Wirtschaftshistoriker Straumann. «Bei 100'000 Franken ist eine Schmerzgrenze erreicht.»
Verlierer und Gewinner der Negativzinsen
Je länger die Situation mit den Negativzinsen andauert, desto klarer treten die Verzerrungen im Zinsgefüge zutage. Bei den Pensionskassen zum Beispiel, die grosse Mühe haben, sichere Anlagen zu finden, um ihre Versprechen in der Altersvorsorge zu erfüllen. Ihr Ausweg: Sie drängen in den Immobilienmarkt, treiben die Preise nach oben – auch für Einfamilienhäuser. Private brauchen viel Geld und viel Glück, wenn sie sich den Traum vom Eigenheim noch erfüllen wollen. Und Geld fürs Sparen gibt es in der Schweiz schon seit Jahren nicht mehr.
Auf der anderen Seite: Die Wirtschaft wächst nach wie vor, der nicht zu starke Franken hilft dem Tourismus und der Exportindustrie. Sichert in diesen Branchen Arbeitsplätze. Applaus kommt gar von einer Grossbank: Die Credit Suisse kommt in einer gestern veröffentlichten Studie zum Schluss, dass die Negativzinsen in der aktuellen Wirtschaftssituation «sinnvoll» seien. Die CS weist zudem darauf hin, dass Bund und Kantone Milliarden an Zinskosten sparen, teilweise fürs Schuldenmachen Geld bekommen.
Ein Ende ist nicht in Sicht. «Vielen hat es nun gedämmert, dass wir noch sehr lange mit Negativzinsen leben müssen», prognostiziert Straumann. «Die EZB hat die Normalisierung auf die lange Bank geschoben, die US-Notenbank die Zinsen wieder gesenkt.»
Solange sich daran nichts ändert, ist jede Zinserhöhung in der Schweiz mit der Gefahr verbunden, dass der Franken stark an Wert gewinnt.
18. Dezember 2014: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kündigt die Einführung von Negativzinsen von minus 0,25 Prozent auf den 22. Januar 2015 an.
15. Januar 2015: Die SNB hebt den Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro auf und verschärft die Negativzinsen. Diese liegen seither bei minus 0,75 Prozent. Das ist der höchste Wert auf der ganzen Welt.
März 2015: Immer mehr Banken gehen dazu über, Gelder auf Privatkonten nicht mehr zu verzinsen. Die Gebühren für die Kontoführung gehen nun direkt ins Geld.
Oktober 2015: Die Alternative Bank Schweiz überwälzt als erstes Finanzinstitut in der Schweiz die Negativzinsen auf Privatkunden.
November 2016: Mit der Postfinance verrechnet erstmals ein grosses Finanzinstitut Negativzinsen für Privatkunden. Allerdings nur für Vermögen von über einer Million Franken.
Dezember 2018: Die Zahl der Kritiker der SNB-Geldpolitik wächst. Immer mehr Ökonomen fordern eine Anhebung oder gar Aufhebung der Negativzinsen. Der Hintergrund: In Europa zeichnet sich eine mögliche Zinswende ab.
12. September 2019: Die Europäische Zentralbank verschärft die Strafzinsen für Einlagen der Geschäftsbanken. Damit ist klar: Die Zinswende kommt nicht, die Negativzinsen werden noch lange bleiben.
19.September 2019: Die SNB erhöht den Freibetrag für Banken. Bis zu diesem Betrag sind keine Negativzinsen fällig.
Herbst 2019: Immer mehr Banken gehen dazu über, von Privatkunden mit grossen Vermögen Negativzinsen zu verlangen. Die Schwelle sinkt bei einzelnen Instituten auf 250'000 Franken.
Dezember 2019: Strafzinsen kommen im Mittelstand an. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) zieht bei ersten Kunden bereits ab einem Barvermögen von 100'000 Franken Negativzinsen ein. Dies gilt allerdings nur für rund 2500 Kunden und ist keine allgemeine Grenze.
12. Dezember 2019: Geldpolitische Lagebeurteilung durch die SNB: Die Nationalbank hält an ihrer Geldpolitik fest, die Negativzinsen bleiben bei minus 0,75 Prozent in Stein gemeisselt.
18. Dezember 2014: Die Schweizerische Nationalbank (SNB) kündigt die Einführung von Negativzinsen von minus 0,25 Prozent auf den 22. Januar 2015 an.
15. Januar 2015: Die SNB hebt den Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro auf und verschärft die Negativzinsen. Diese liegen seither bei minus 0,75 Prozent. Das ist der höchste Wert auf der ganzen Welt.
März 2015: Immer mehr Banken gehen dazu über, Gelder auf Privatkonten nicht mehr zu verzinsen. Die Gebühren für die Kontoführung gehen nun direkt ins Geld.
Oktober 2015: Die Alternative Bank Schweiz überwälzt als erstes Finanzinstitut in der Schweiz die Negativzinsen auf Privatkunden.
November 2016: Mit der Postfinance verrechnet erstmals ein grosses Finanzinstitut Negativzinsen für Privatkunden. Allerdings nur für Vermögen von über einer Million Franken.
Dezember 2018: Die Zahl der Kritiker der SNB-Geldpolitik wächst. Immer mehr Ökonomen fordern eine Anhebung oder gar Aufhebung der Negativzinsen. Der Hintergrund: In Europa zeichnet sich eine mögliche Zinswende ab.
12. September 2019: Die Europäische Zentralbank verschärft die Strafzinsen für Einlagen der Geschäftsbanken. Damit ist klar: Die Zinswende kommt nicht, die Negativzinsen werden noch lange bleiben.
19.September 2019: Die SNB erhöht den Freibetrag für Banken. Bis zu diesem Betrag sind keine Negativzinsen fällig.
Herbst 2019: Immer mehr Banken gehen dazu über, von Privatkunden mit grossen Vermögen Negativzinsen zu verlangen. Die Schwelle sinkt bei einzelnen Instituten auf 250'000 Franken.
Dezember 2019: Strafzinsen kommen im Mittelstand an. Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) zieht bei ersten Kunden bereits ab einem Barvermögen von 100'000 Franken Negativzinsen ein. Dies gilt allerdings nur für rund 2500 Kunden und ist keine allgemeine Grenze.
12. Dezember 2019: Geldpolitische Lagebeurteilung durch die SNB: Die Nationalbank hält an ihrer Geldpolitik fest, die Negativzinsen bleiben bei minus 0,75 Prozent in Stein gemeisselt.