Frisch gespritzt und neu gepolstert
Warum Schönheits-OPs in der Pandemie zunahmen

Die Zahl ästhetischer Eingriffe stieg in der Pandemie sprunghaft an. Wo liegen die Gründe dafür? Und was ist rund um Schönheitsoperationen wichtig zu wissen? Das beantwortet der «Beobachter».
Publiziert: 02.04.2022 um 12:28 Uhr
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Die Zahl ästhetischer Eingriffe nahm in der Pandemie massiv zu.
Foto: Getty Images
Norina Meyer («Beobachter»)

Frisch gespritzt und neu gepolstert: So sind in diesen Wochen viele in unserem Land ins gesellschaftliche Leben zurückgekehrt. Um 20 bis 30 Prozent haben die ästhetischen Behandlungen und Eingriffe im letzten Pandemiewinter zugenommen, schätzt Thomas Fischer, Präsident der Gesellschaft Swiss Plastic Surgery.

Überfüllte Schlauchbootlippen, versteinerte Mienen und katzenhaft entstellte Fratzen wird man aber kaum vermehrt zu sehen bekommen. Groteske Resultate gibt es eher in Hollywood – bei der Prominenz, die nicht altert.

Die Realität hierzulande ist weniger spektakulär: Das Gros der Patientinnen und Patienten sind laut Fischer «Herr und Frau Mustermann von nebenan», die einen Makel beheben lassen wollen, «an dem sie sich vielleicht schon seit Jahren stören».

Operationen im Hinterhof?

Wie viele sich behandeln lassen, ist schwer zu sagen. «Eine abschliessende Statistik gibt es aktuell nicht», so Thomas Fischer. Ohnehin könne es in der Schweiz nur eine Übersicht über die Operationen geben, die von Swiss-Plastic-Surgery-Mitgliedern durchgeführt wurden. Daneben gebe es viele Eingriffe, die nicht erfasst werden, sagt Fischer. «Heute werden selbst invasive ästhetische Eingriffe von unqualifizierten Medizinern bis hin zu Kosmetikerinnen und gar in Piercing- und Tattoo-Studios durchgeführt – und das ohne Konsequenzen.»

Warum liessen sich überdurchschnittlich viele gerade während der Corona-Krise verschönern? Vermutlich hatten sie mehr Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen – und mit ihren vermeintlichen Mängeln.

Maske auf der Strasse, Homeoffice ohne Kamera

Ein Grund dürfte auch in der teils gut gefüllten Haushaltskasse liegen. Das Ferienbudget wurde kaum ausgeschöpft, viele Freizeitaktivitäten und Restaurantbesuche waren nur eingeschränkt möglich. Man kämpfte sich weniger in Fitnessstudios ab, konnte sich aber leichter von einer Schönheitsoperation erholen.

Homeoffice machte es auch möglich, sich zu schonen und trotzdem zu arbeiten. Rötungen und Schwellungen blieben den Arbeitskollegen in den virtuellen Meetings eher verborgen – und auf der Strasse konnte man eine Maske tragen.

Frauen legten sich auch häufiger für Brustoperationen unters Messer. Laut Thomas Fischer vermehrt in der Schweiz – aufgrund der Reisebeschränkungen. «Normalerweise sind Brustoperationen im Ausland sehr populär, weil sie günstiger sind. Mit unseren hohen Lohn- und Infrastrukturkosten können wir hier nicht mithalten.»

Lippen Flop, Mascara top

Je schlechter es den Leuten geht, desto besser verkauft sich Lippenstift – so sagte es der Estée-Lauder-Erbe Leonard Lauder. Die Maskenpflicht wegen Corona brachte diese These ins Wanken. Der Absatz von Lippenstift brach weltweit ein, dafür boomte Wimperntusche. Dieser Trend zeichnete sich auch in der Schweiz ab, bestätigt der Kosmetikund Waschmittelverband. Die Augen rückten beim Maskentragen in den Fokus – und damit nicht nur das Verlangen nach neuer Mascara, sondern vielleicht auch der Wunsch, diese Partie durch eine Lidstraffung zu korrigieren.

Viele wollen sich heute verjüngen und verschönern lassen. Das hängt mit dem Trend zum optimierten Körper zusammen, der durch die Selbstinszenierung in den sozialen Medien zusätzlich befeuert wird. Rechtlich ist klar: Wer urteilsfähig ist, darf sich unters Messer legen – sofern der Eingriff aus freien Stücken und nach umfassender Aufklärung erfolgt.

Doch es gibt Grenzen: Nicht erlaubt sind selbstgefährdende und gesundheitsschädigende Eingriffe, selbst wenn man ihnen zustimmt. Eine operative Verschönerung der Nase könnte problematisch werden, wenn die Patientin dadurch den Geruchssinn verliert. Oder ganz klar: Die Genitalverstümmelung von Mädchen ist eine rechtswidrige Körperund Menschenrechtsverletzung.

Wie Fachleute finden?

Wer nicht aufgequollen wie Mickey Rourke oder Linda Evangelista enden will, muss die richtige Fachperson wählen. Sie muss eine Zulassung für den gewünschten Eingriff und die nötige Aus- und Weiterbildung haben. Nachsehen kann man das im Medizinalberuferegister (www.medregom.admin.ch). Zudem ist es essenziell, dass die Fachperson sich für Fragen genügend Zeit nimmt. Es spricht für sie, wenn sie von sich aus auf die Kosten hinweist und eine zweite Beratung vor dem Eingriff vorschlägt. Im Zweifelsfall ist es immer richtig, eine Zweitmeinung einzuholen.

Achtung: Das Gleiche gilt auch für Eingriffe im Ausland, die meist viel günstiger sind. Ärztinnen und Ärzte sollten dort die gleichen Qualitätskriterien erfüllen, die in der Schweiz verlangt werden. Ein preiswertes Angebot kann nachträglich teurer werden – durch Reisekosten oder notwendig gewordene Rettungsversuche.

Erst Gespräch mit Ärztin suchen

Wenn das Ergebnis der Schönheits-OP nicht gefällt, empfiehlt sich zunächst ein Gespräch mit der behandelnden Ärztin. Sie kann etwa eine Korrektur vorschlagen. Gewisse Eingriffe gehen allerdings schlichtweg daneben. Ein Arzt haftet, wenn ihm ein Behandlungsfehler passiert, also wenn er objektiv gegen die allgemein anerkannten Regeln der medizinischen Fachkunst verstösst. Ärzte sind zur Sorgfalt verpflichtet. Einen eigentlichen Behandlungserfolg schulden sie indes nicht.

Wenn keine einvernehmliche Lösung zu finden ist, sollte man sich an eine spezialisierte Beratungs- oder Ombudsstelle wenden. Die aussergerichtliche Gutachterstelle der Swiss Medical Association (FMH) kann Gutachten zu Behandlungen erstellen und so mögliche Arztfehler feststellen. Beratung findet man etwa bei der Schweizerischen Stiftung SPO Patientenorganisation, bei der Rechtsberatungsstelle für Unfallopfer und Patienten sowie bei der Schweizerischen Patientenstelle.

Aktuelle Ausgabe des «Beobachter».
Beobachter
Artikel aus dem «Beobachter»

Dieser Artikel wurde aus dem Magazin «Beobachter» übernommen. Weitere spannende Artikel findest du unter www.beobachter.ch

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