Das musste ja passieren: Der hochsensible Bericht, den die Finma Mitte Juni fertiggestellt hat und bisher nur wenigen Personen innerhalb der Raiffeisen-Bank gezeigt wurde, hat den Weg an die Öffentlichkeit gefunden. Zuerst hatten nur Geschäftsleitung und Verwaltungsrat Zugang dazu, später auch Delegierte, Präsidenten und Leiter der 255 Genossenschaften im Land.
Einer von ihnen hat Informationen an die «SonntagsZeitung» weitergegeben. Und schiesst damit CEO Patrik Gisel (56), der eh schon unter Druck steht, an. Der schwerwiegendste Vorwurf: Laut Bericht hatte die Raiffeisen-Spitze bis 2015 auf verschiedene Arten über eine halbe Milliarde Franken in den Finanzdienstleister Leonteq gepumpt – ein Klumpenrisiko! Dies hätte die Geschäftsleitung dem Verwaltungsrat (VR) melden müssen, tat es aber nicht. Teil dieser Geschäftsleitung damals: nicht nur Pierin Vincenz (62) als CEO, sondern auch Gisel als Nummer zwei. Raiffeisen nimmt zum Vorwurf keine Stellung – schliesslich geht es um einen Geheimbericht.
«Jemand will Gisel schaden»
«Wenn das so stimmt, wackelt Gisels Stuhl», sagt ein regionaler Bankleiter, der anonym bleiben will. «Ich gehe davon aus, dass jemand aus der Zentrale in St. Gallen Gisel loswerden will und darum gezielt Informationen rausgibt, die ihm schaden.»
Neu sind die Infos nur für die Öffentlichkeit, nicht aber intern. Heisst: Sein Chef, VR-Präsident Pascal Gantenbein (48), dürfte cool bleiben und am CEO festhalten.
«Ziehen strafrechtliche Schritte in Betracht»
Trotzdem freut sich Gisel wohl nicht über das Leck. Genau aus Angst davor hatte die Bankspitze bestimmt, dass jeder, der den Finma-Bericht sehen wollte, eine «Vertraulichkeitserklärung» unterzeichnen musste. Eine Raiffeisen-Sprecherin begründete am vergangenen Dienstag gegenüber BLICK: «In der Erklärung werden die Delegierten auf die Vertraulichkeit und die entsprechenden Gesetzesartikel aufmerksam gemacht, da in der Verfügung der Finma sowohl Informationen, die dem Bankgeheimnis als auch dem Geschäftsgeheimnis unterliegen, enthalten sind.»
Mit anderen Worten: Wer etwas preisgibt, kann auch strafrechtlich drankommen! Und tatsächlich: Eine Sprecherin sagt am Sonntagabend zu BLICK: «Wir gehen dem Leck nach und ziehen strafrechtliche Schritte in Betracht.»