Finma stellt Raiffeisen-VR ein miserables Zeugnis aus
Der Versager-Rat

Die Aufsichtsbehörde Finma fällt ein vernichtendes Urteil über den Verwaltungsrat von Raiffeisen. Das Gremium habe seine Aufsichtspflicht verletzt, von schwerwiegenden Mängeln ist die Rede.
Publiziert: 15.06.2018 um 09:25 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 18:05 Uhr
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Der Präsident des Versager-Rates am Tag seines Abgangs: Johannes Rüegg-Stürm (r.) mit CEO Patrik Gisel und Nachfolger Pascal Gantenbein.
Foto: Siggi Bucher
Christian Kolbe

Jetzt ist es amtlich: Mit einem ordentlich funktionierenden Verwaltungsrat hat das Aufsichtsgremium von Raiffeisen Schweiz nur noch das Kürzel gemein: VR – für «Versager-Rat».

Das Urteil der Finanzmarktaufsicht (Finma) über die Zustände in der Unternehmensführung bei Raiffeisen Schweiz während der Ära Pierin Vincenz (62) fällt vernichtend aus: «Raiffeisen mit schwerwiegenden Mängeln bei Corporate Governance», titelt die Finma ihre Mitteilung. Konkret: Der Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz hat bei seiner Aufgabe, den ehemaligen Konzernchef Vincenz zu überwachen, komplett versagt. Vincenz konnte seinen Drang nach Macht und Geld fast ungehindert ausleben. 

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1. November 2017: Die Finma ermittelt gegen Pierin Vincenz.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY / GAETAN BALLY

Die Vorwürfe der Finma an die Adresse des VR von Raiffeisen sind happig – und aussergewöhnlich scharf formuliert: von Interessenkonflikten ist die Rede, von vernachlässigter Aufsicht über Vincenz, von Klumpenrisiken, vom Überschreiten des CEO-Budgets oder von schweren Verletzungen der Bestimmungen, die eigentlich die Aufsicht des VR über den Chef regeln würden. Die Regeln wären da gewesen, nur hat sie keiner beachtet.

Hohe Risiken wegen Beteiligungen 

Vor allem im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 konnte Vincenz schalten und walten, wie er wollte. «Damit ­ermöglichte es der Verwaltungsrat Pierin Vincenz potenziell, eigene finanzielle Vorteile auf Kosten der Bank zu erzielen», hält die Finma fest. Ob Vincenz dieses Potenzial ausgenutzt hat, wird nun das Gericht klären müssen. Die Finma hat ihr Verfahren gegen Vincenz im letzten Dezember eingestellt. Der Ex-Raiffeisen-Boss ist nach 106 Tagen in Untersuchungshaft wieder auf freiem Fuss, Anklage hat die Staatsanwaltschaft noch nicht erhoben. 

Das System funktionierte so: Unter der Führung des ehemaligen Chefs hat Raiffeisen Schweiz eine Vielzahl an Beteiligungen aufgebaut. Diese führten laut Finma oft zu Rollenkumulationen und Interessenkonflikten. «So war Raiffeisen Schweiz bei verschiedenen Beteiligungen gleichzeitig Aktionärin, Geschäftspartnerin und Kreditgeberin von Gesellschaften oder ihren Organen und im Verwaltungsrat vertreten.» Damit habe sich Raiffeisen Schweiz hohen Risiken ausgesetzt, rügt die Finanzmarktaufsicht. Besonderes Augenmerk legte die Finma bei ihrer Untersuchung auf den Investnet-Komplex. Das sind drei Firmen, die auf die Beteiligung an kleineren oder mittleren Unternehmen spezialisiert sind. Bei einer war Vincenz Minderheitsaktionär.

Besserung verlangt 

Der Bericht der Finma stempelt den Raiffeisen-VR zum Versager-Rat. Ob die Aufsichtsbehörde auch gegen den aktuellen Chef Patrik Gisel (55) oder gegen andere Personen ein Verfahren einleiten wird, lassen die Aufseher offen. Und machen es vom Ergebnis der internen Raiffeisen-Untersuchung abhängig.

Die Finma rügt nicht nur, sie fordert auch Besserung. Um dies zu überprüfen, bekommt die Nummer drei auf dem Finanzplatz einen Aufpasser verpasst. Zudem solle die Genossenschaftsbank die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft abklären und den VR mit mehr Fachkompetenz ausstatten. 

In einer ersten Stellungnahme gelobt Raiffeisen Besserung und verweist auf die bereits eingeleiteten Massnahmen, um die Gruppenstruktur zu vereinfachen.

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