Auf einen Blick
Es war einer der angenehmeren Termine für Christian Lindner (45): Der deutsche Finanzminister trat vergangene Woche als Gastredner bei der Feier anlässlich des 50. Geburtstages der Ringier Journalistenschule in Zürich auf.
In Deutschland dagegen häufen sich die Probleme: Im Haushalt für das nächste Jahr klafft immer noch ein Milliardenloch, die Ampel-Regierung aus SPD, FDP und Grünen steckt im Dauerstreit, und beim Verkauf eines Commerzbank-Aktienpaketes, das komplett an die Unicredit ging, machte Lindners Finanzministerium keine gute Figur. Genug Stoff also für ein Interview, das die «Handelszeitung» mit dem Minister am Rande der Veranstaltung führen konnte.
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Sie haben eben die Budgetdebatte im Bundestag hinter sich. War es ein «Kunstwerk», wie Bundeskanzler Olaf Scholz sagt?
Christian Lindner: Es ist ein Haushalt, der den Erfordernissen der Zeit und den Aufgaben in Deutschland entspricht. Mehr für die Bildung, für die Sicherheit, mit mehr Investitionen in Strasse und Schiene, in digitale Netze und Technologie – und für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, das alles im Rahmen der Schuldenbremse.
Tönt nach Murks.
Steuersenkungen bei Mehrinvestitionen ohne zu hohe Schulden – tönt gut in liberalen Ohren. Aber es war eine Höchstanstrengung, Prioritäten in der Politik zu verschieben, ohne dafür mehr Mittel in Anspruch zu nehmen. Es ist wie der Versuch, das Auto in der Garage zu wenden.
Sie sehen sich als Advokat der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Nur: Der Bund der Steuerzahler ist ungnädig: «Das unsolide Zahlenwerk der Regierung muss neu aufgesetzt werden.»
Der Bund der Steuerzahler ist eine Organisation, die auch am Markt der Meinung durch spitze Thesen Aufmerksamkeit beanspruchen muss. Richtig ist aber, dass der Haushaltsaufstellungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Wir müssen bis Ende November noch einige Aufgaben erfüllen. Insbesondere müssen wir eine geplante Minderausgabe um etwa 2,4 Milliarden Euro reduzieren. Das ist keine unüberwindbare Hürde. Könnte ich allein entscheiden, bräuchte ich einen Nachmittag.
Die Umfragen oder die Abstimmung zeigen in eine andere Richtung: Sie geben den Sparfuchs, doch die Grossparteien wollen Mehrausgaben – für Soziales, für Partikularinteressen.
Ich behaupte, dass eine Mehrheit der Deutschen mir zustimmt, wenn ich mehr Mut für Prioritäten fordere. Mit der Verteilung von Geld kann man keine Zustimmung kaufen, wie manche das versuchen. Die politische Stimmung in Deutschland ist stark geprägt von einzelnen Themen, die wie Triggerpunkte die Nervosität steigern.
Christian Lindner (geb.1979) ist seit 2021 Bundesminister der Finanzen und seit mehr als einem Jahrzehnt Parteichef der FDP. Vehement kämpft er in der Regierung für die Einhaltung der Schuldenbremse. Der 45-Jährige studierte Politikwissenschaften, Öffentliches Recht und Philosophie und gründete zwei Start-ups, bevor er sich auf seine politische Karriere konzentrierte. Lindner ist mit der Journalistin Franca Lehfeldt verheiratet und hat ein Faible für schnelle Autos und Boote.
Christian Lindner (geb.1979) ist seit 2021 Bundesminister der Finanzen und seit mehr als einem Jahrzehnt Parteichef der FDP. Vehement kämpft er in der Regierung für die Einhaltung der Schuldenbremse. Der 45-Jährige studierte Politikwissenschaften, Öffentliches Recht und Philosophie und gründete zwei Start-ups, bevor er sich auf seine politische Karriere konzentrierte. Lindner ist mit der Journalistin Franca Lehfeldt verheiratet und hat ein Faible für schnelle Autos und Boote.
Migration?
Die Frage der Migration muss gelöst werden, weil Menschen das Gefühl haben, dass mit einer ungeordneten Einwanderung ein Verlust an Sicherheit und an wirtschaftlicher Perspektive verbunden sind. Übrigens ein Gefühl, das nicht von der Hand zu weisen ist.
Eben.
Hinsichtlich der Stabilitätsorientierung der deutschen Finanzpolitik aber fühle ich mich von der Mehrheit unserer Bevölkerung und auch der wirtschaftswissenschaftlichen Begleitung der Politik unterstützt. Für uferlos steigende Schulden hat die Mehrheit der Deutschen kein Verständnis. Was die Menschen wollen, ist ein handlungsfähiger Staat. Aber die Begrenzung der Verschuldung und die Verbesserung der Handlungsfähigkeit des Staates stehen nicht gegeneinander, sondern sie haben nur eine gemeinsame Voraussetzung, den Mut zur Prioritätensetzung.
Der Schuldenberg steigt immer höher. Letztes Jahr um 60 Milliarden Euro, dieses Jahr um 45 Milliarden. Das muss Ihnen zu denken geben.
Die Betrachtung der absoluten Zahlen hilft bei der Einschätzung von Staatsfinanzen nur wenig. Entscheidend ist die Relation zwischen der Wirtschaftsleistung und beispielsweise der Schuldenquote einer Volkswirtschaft. Und hier haben wir Fortschritte erzielt. Als ich mein Amt antrat, hatte Deutschland bezogen auf unsere jährliche Wirtschaftsleistung eine Schuldenquote von 69 Prozent. Jetzt sind wir bei unter 64 Prozent, und ich werde in meiner zweiten Amtszeit auf das Vor-Corona-Niveau von unter 60 Prozent kommen.
Die Schulden des Staates beeinflussen auch den Standort Deutschland negativ. Im Ranking fällt Ihr Land immer mehr zurück, mittlerweile figuriert das Land auf Rang 24.
Diesen Zusammenhang bestreite ich. Ja, im vergangenen Jahrzehnt hat Deutschland unter seinen Möglichkeiten investiert und die Wettbewerbsfähigkeit durch den Verzicht auf Steuereinnahmen in Form einer Unternehmenssteuerreform verfehlt. Aber diese Regierung investiert auf einem Rekordniveau. Die Standortqualität hat nichts mit der stabilitätsorientierten Finanzpolitik zu tun, sondern damit, dass andere Faktoren wie die bürokratische Belastung, die Preise, Energiepreise, die Mangelsituation bei Fach- und Führungskräften und die höhere Steuerbelastung auf unserer Wettbewerbsfähigkeit lasten. Deshalb arbeiten wir an den Standortbedingungen.
Sie waren vor der Politik Startup-Unternehmer in der Digitalwelt. Der Finanzkoloss Blackrock und Microsoft legen einen Fond über 30 Milliarden Dollar für Artificial Intelligence auf. Kommt Ihnen da nicht das Augenwasser?
Doch. Das genau ist meine Motivation, für die europäische Kapitalmarktunion einzutreten und die Fesseln für die Kapitalsammelstellen in Deutschland zu lockern.
Wie würde das funktionieren?
In Europa brauchen wir einen einheitlichen Kapitalmarkt mit gemeinsamen Regeln, einer koordinierten Aufsicht und einer Vergleichbarkeit des Insolvenzrechts. Das führt zu mehr Tiefe und Liquidität unserer europäischen Kapitalmärkte. In Deutschland stärken wir die Kapitalmarktkultur durch eine neue kapitalgestützte Säule in der privaten Altersvorsorge. Weiter sind wir dabei, die Anlagebestimmungen und die nationale Regulatorik für Versicherungen und Versorgungswerke so zu liberalisieren, dass die Assetklasse Venture Capital dort stärker in Anspruch genommen wird. Im Gegenzug gibt es ein Commitment von immerhin 12 Milliarden Euro zusätzlichem Venture Capital bis 2030 durch die deutschen Kapitalsammelstellen. Und das darf nur der erste Schritt sein.
In Deutschland liegen die Steuersätze für Firmen bei fast 30 Prozent, höher als in Schweden und Frankreich. Kein Handlungsbedarf?
Doch, dringend. Seit 2009 gibt es dafür leider keine Parlamentsmehrheit. Deutschland ist inzwischen ein Höchststeuerstandort. Das war in der Vergangenheit mit vielen Fachkräften, wenig Bürokratie, günstigen Energiepreisen, intakter Infrastruktur und niedrigem Zins tragbar. Diese Standortfaktoren existieren aber nicht mehr. Das, was in dieser Wahlperiode, in dieser politischen Konstellation möglich ist, das unternehme ich bei Abschreibungen, also der Förderung von Investitionen, bei einer Forschungszulage für Innovation und mit anderen Massnahmen. Aber unverändert ist unsere effektive Steuerbelastung nicht nur für die Betriebe, sondern auch für die Bürgerinnen und Bürger zu hoch. Da müssen wir ran.
Mehr zur deutschen Wirtschaft
Konkret?
Der sogenannte Solidaritätszuschlag sollte entfallen. Er ist eine Sondersteuer auf Qualifikation, Investitionsbereitschaft und unternehmerisches Risiko. Genau das brauchen wir aber für mehr Wachstum.
Die politische Stossrichtung geht in die andere Richtung – mehr Mindestlohn, mehr Bürgergeld, mehr Subventionen, mehr Absicherung.
Nein, was Sie beschreiben, das sind nur die Forderungen linker Parteien. Das ist nicht die Linie unseres Landes. Dafür sorgt die FDP. Auch grosse Elefanten treibt man mit kleinen Stöckchen.
Die AfD agiert nicht mit dem Stöckchen, sondern mit dem Prügel. Ist das gut für den Standort?
Die AfD ist eine grosse Gefahr für die innere Liberalität und die Wirtschaft. Sie ist eine Partei, die einst sagte, die Migrationskrise sei ein «Geschenk». Wer eine Krise, die spalterisches Potenzial für eine Gesellschaft hat, als Geschenk bezeichnet, der will diese Krise nicht lösen, sondern zum eigenen Vorteil bewirtschaften.
Und für die Wirtschaft?
Eine Partei, die Deutschland politisch isolieren will durch den Austritt aus der EU oder separate Verhandlungen mit Putin über einen Frieden in der Ukraine, ist auch ein wirtschaftliches Risiko. Denn Deutschland lebt von seiner internationalen Einbindung, seiner Weltoffenheit als Exportnation und als ein Land, das qualifizierte Einwanderung braucht. Wohlgemerkt: Ich rede nicht von der irregulären Migration in den Sozialstaat.
Hilft da eine Ampel-Regierung, die sich permanent zofft?
Keine der staatstragenden, verantwortungsbewussten Parteien, also CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP, können von einer Kontroverse in der Migrationspolitik profitieren. Wir alle sollten diese Aufgabe lösen und auch Denkverbote überwinden, die es lange gab – in der Union während der Ära Merkel oder bei den Grünen mit einer Neigung zur grenzenlosen Aufnahmebereitschaft.
Aber der Dauerstreit irritiert.
Ich bedauere ihn, kann aber die Unterschiede der drei Parteien nicht wegzaubern. Ich werde auch für ruhiges Regieren nicht meine Überzeugungen aufgeben. Demokratie lebt ohnehin vom Unterschied. In autoritären Herrschaftsformen herrscht Friedhofsruhe. Das Wahlrecht macht nur Sinn, wenn es unterschiedliche Angebote gibt. Wählerinnen und Wähler müssen erkennen, dass versucht wird, ihr Votum im Regierungshandeln mit allem Bemühen zur Geltung zu bringen.
Dann ist die Konkordanz-Regierung der Schweiz ein Fehlkonstrukt?
Nein. Ein Vergleich zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik kann sich niemals nur auf einen einzelnen Aspekt des Regierungssystems beziehen. Neben dem Bundesrat mit dem Prinzip der Konkordanz gibt es immer die Möglichkeit, das Referendum zu ergreifen. Insofern sind der Konflikt und die Auseinandersetzung, die demokratisch benötigt werden, in der Schweiz nur verlagert: aus dem Inneren der Regierung in das Plebiszit.
Sie sind ein Vertreter des Liberalismus. Weshalb ist diese Haltung derart unter Druck in Deutschland?
Ihr Land ist eine Willensnation, die sich aus Vielfalt speist und sich gegen eine Obrigkeit hin aufgebaut hat. Mentalitätsgeschichtlich war Deutschland immer kollektivistischer und etatistischer als die Schweiz. Auch in jüngerer Zeit wurde die deutsche Mentalität durch ein Wirtschaftswunder geprägt, das nicht nur durch die soziale Marktwirtschaft charakterisiert war, sondern auch sehr stark durch das Absicherungsversprechen des Wohlfahrtsstaats.
Mario Draghi hat kürzlich einen Bericht über die Zukunft der EU abgeliefert, der die Gegenwart fundamental kritisiert. Wie finden Sie seine Schlüsse daraus? Zum Beispiel ein Investitionsprogramm über 800 Millionen Euro jedes Jahr?
Wenn er von der Entfesselung und Überwindung übermässiger Regulierung spricht, kann ich nur ein Echo sein. Wenn er davon spricht, dass wir auch die Möglichkeit des privaten Kapitalmarkts erschliessen müssen, zählt das auch zu meinen Prioritäten. Wenn er auch bisher Undenkbares ausspricht, nämlich etwa bei der Umsetzung der Basel-Regulatorien genau zu schauen, welche Auswirkungen sie auf die Finanzierung der Wirtschaft haben, müssen wir diese Debatte gemeinsam führen. Wenn aber das alte Lied gemeinsamer Schulden für die Finanzierung von Subventionen einzelner Branchen, Technologien oder Unternehmen gesungen wird, muss ich bekennen: Da bin ich unmusikalisch.
Draghi ist kein linker Umverteiler. Ist es nicht Zeit für eine Offensive?
Im Verhältnis etwa zu den USA sehe ich in Europa keinen Mangel an öffentlichem Geld, für das Schulden gemacht worden ist und das als Subvention ausgereicht wird. Unsere Aufgaben sind beim privaten Kapitalmarkt und der überzogenen Regulierung. Ganz konkret sehe ich erstens nicht, dass das Programm «Next Generation EU» alle Erwartungen erfüllt hätte. Zum Zweiten muss es eine klare Verbindung geben zwischen der Verantwortung für die eigenen Staatsfinanzen und den Ergebnissen der eigenen Wirtschaftspolitik. Eine Vergemeinschaftung von Risiken und Schulden hat einen demokratietheoretischen Nachteil, weil die Menschen nicht mehr wissen, wer zuständig ist und wen sie abwählen oder bestätigen sollten. Ich stelle da auch die Effektivität der Mittelverwendung in Frage. Und nicht zuletzt ist der sinnvolle Verschuldungsspielraum der EU begrenzt. Egal, ob die Schulden vom einzelnen Mitglied oder vom ganzen Staatenverbund getragen werden.
Wie soll denn Europa auf Touren kommen, wenn nicht über gemeinsame Projekte?
Ich bin für gemeinsame Projekte wie die Kapitalmarktunion und die Vertiefung des Binnenmarktes. Auch für mehr Zusammenarbeit bei Rüstung und für eine engagierte Handelspolitik. Bei mehr französisch inspirierter Lenkung des Wirtschaftsgeschehens habe ich aber Zweifel. Denn ich glaube, Produktivität entsteht dadurch, dass Menschen bereit sind, ihre Ideen zu riskieren und umzusetzen. Durch Unternehmertum. Produktivität entsteht durch eine Veränderung, deren Richtung niemand prognostizieren kann. Für mich sind Politikerinnen und Politiker Beamte, die mit edelsten Motiven ihr individuell immer unzulängliches Wissen für alle verallgemeinern.
Amerika setzt auf Anreize, Europa auf Subventionen und Regulierung.
Das ist auch mein Eindruck, und wir sehen gerade bei einer europäischen Schlüsselindustrie, der Autoindustrie, zu was dies führt. Die politisch gemachte Regulatorik hat völlig die Dynamik der Weltmärkte unterschätzt und auch das Präferenzmodell der Kundinnen und Kunden hinsichtlich der Antriebe der Fahrzeuge. Für ihre Fehleinschätzung müssen die grossen Hersteller nun auch noch Strafzahlungen zahlen. Das ist Kapital, das im Zweifel für Innovation und Investitionen fehlt. Deshalb rate ich, dass der Staat sich stärker auf die Setzung von Rahmenbedingungen und die Beschreibung von Zielen fokussiert. Wir haben ja in der EU Klimaziele, die wir über einen Zertifikathandel, also ein marktwirtschaftliches Modell, umsetzen. Das ist eine elegante Lösung, die automatisch zum Ziel der Treibhausgasneutralität führt. Warum also dann dieser ganze Interventionalismus und Punktualismus des sogenannten «Green Deal»?
Die italienische Bank Unicredit hat eben ein 4,5-Prozent-Paket vom deutschen Staat übernommen und ist nun mit 9 Prozent Grossaktionär der Bank. Unicredit-Chef Andrea Orcel musste nicht einmal einen Aufpreis für den Zukauf zahlen. Haben Sie eine Chance verpasst?
Grundsätzlich ist es nicht sinnvoll, dass der Staat dauerhaft Aktionär einer privaten Geschäftsbank ist. Deshalb war es immer die Absicht der Bundesregierung, Unternehmensbeteiligungen wie die an der Commerzbank in den Markt zurückzugeben. Wenn wir das tun, dann zwingen uns das europäische Beihilferecht und das deutsche Haushaltsrecht, dabei diskriminierungsfrei vorzugehen. Die Bundesregierung hat beschlossen, vorerst keine weiteren Commerzbank-Aktien zu verkaufen. Wir unterstützen die Strategie der Eigenständigkeit der Bank.
Hat sich Unicredit nicht vielmehr aus dem Hinterhalt angeschlichen und die Regierung erst gar nicht informiert?
Das Handeln der Unicredit empfanden manche Stakeholder als stilistisch ungewöhnlich.
Wurden Sie vor dem Deal über die Absichten von Unicredit ins Bild gesetzt?
Nein.
Sie haben jetzt noch ein Jahr bis zur Bundestagswahl. Die FDP droht aus dem Bundestag zu fliegen. Was wollen Sie in den kommenden Monaten wirklich noch umsetzen, was sind Ihre Prioritäten?
Die FDP kämpft jeden Tag für ihre Werte Freiheit und Eigenverantwortung, Respekt vor Leistung und Eigentum, Freude an Technologie, Weltoffenheit und Toleranz. So werden wir auch in die nächste Wahl gehen. Aktuelle Umfragen sehe ich da mit innerer Distanz. Die kommende Bundestagswahl zählt.
Welche politischen Projekte können Sie dann noch vorantreiben?
Weitere Schritte bei der Neuordnung der Migration. Eine Wachstumsinitative, die der deutschen Wirtschaft Impulse gibt. Eine Reform der privaten Altersvorsorge, die stärker auf Aktien und Wertpapiere baut.
Ihr Vorgänger als Parteivorsitzender, Philipp Rösler, hat sich nach seinem Abschied aus der Politik in die Schweiz zurückgezogen und investiert in Startups. Eine Perspektive für Sie?
Ich kämpfe für eine Fortsetzung meiner Tätigkeit. Mit grossem Krafteinsatz arbeiten wir daran, die Versäumnisse der früheren CDU-Regierung aufzuholen. Ich ringe mit SPD und Grünen doch jetzt nicht um den richtigen Kurs, um dann zuzuschauen, wie eine schwarz-grüne Regierung wieder auf Kurs Merkel einschwenkt. Ich bin leidenschaftlich gerne Politiker. Ich habe aber diesen Weg gewählt, weil ich davon überzeugt bin, dass für eine Gesellschaft der Wert der Selbstbestimmung, der Respekt vor Leistung und Eigentum, die Toleranz und Grosszügigkeit, die Neugier auf andere und die Zukunft wichtig sind. Und da das in Deutschland jetzt nicht die Werte sind, die sofort eine Mehrheit finden, fühle ich mich eigentlich als Kämpfer für diese Werte an der richtigen Stelle.
Das klingt fast schon masochistisch.
Man muss sich Liberale als glückliche Menschen vorstellen.
Die Union schickt Friedrich Merz, einen Mann der Wirtschaft, gegen SPD-Kanzler Scholz ins Rennen. Hand aufs Herz: Merz steht Ihnen viel näher als Scholz.
Die CDU hat zwar personell Klarheit geschaffen, aber nicht in der Sache. Wie steht die CDU zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts? Kehrt sie zurück zu ihrem Leipziger Programm von einst, das Reformen forderte, oder verbleibt sie eher bei der Politik der Beruhigung, jener der Ära Merkel?
Ihre Antwort?
Die CDU sendet «mixed signals», wenn es um die Schuldenbremse geht. Welche Vision hat die CDU für die Digitalisierung? Wie will sie die Wirtschaft voranbringen? Hinter der reinen Personalie sind noch viele Fragen offen. Und erst mit deren Beantwortung kann man die Nähe oder Ferne bemessen.