Happiger Abbau wegen Mega-Verlust
Deutsche Bahn streicht Tausende Stellen

Unpünktlichkeit, Fahrgastschwund und Milliardenverlust: Die Deutsche Bahn steckt in der Krise. Daher kommt es in den kommenden fünf Jahren zu einem riesigen Personalabbau.
Publiziert: 25.07.2024 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 26.07.2024 um 12:18 Uhr
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Die Deutsche Bahn steht vor einem Scherbenhaufen.
Foto: AFP
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Bei der Deutschen Bahn kommt es zum grossen Beben. Der Staatskonzern will insbesondere in der Verwaltung Tausende Stellen streichen. «Wir wollen in den nächsten fünf Jahren den Personalbedarf um etwa 30'000 Vollzeitpersonale reduzieren», sagte Finanzchef Levin Holle bei der Halbjahresbilanz.

Die Gründe für den Stellenabbau sind mannigfaltig. Im Fernverkehr verzeichnete die Deutsche Bahn ein Minus an Fahrgästen von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Pünktlichkeit im Fernverkehr lag im ersten Halbjahr bei nur noch 62,7 Prozent – rund sieben Prozentpunkte weniger als im ersten Halbjahr 2023.

Und auch finanziell lief das erste Halbjahr für die Deutsche Bahn nicht gut: Nach Zinsen und Ertragssteuern steht ein Verlust von 1,2 Milliarden Euro. Das Unternehmen muss deshalb sparen. Finanzchef Holle betonte: «Wir müssen in Zukunft mehr Bahn mit weniger Menschen schaffen.»

Spekulationen über eine Ausdünnung des Fernverkehrs erteilte Bahnchef Richard Lutz eine Absage. «Es gibt weder konkrete noch andere Pläne, im Fernverkehr irgendwelche Verbindungen strukturell und nachhaltig auszudünnen», sagte er. Für das kommende Jahr habe der Konzern «alles angemeldet, was wir gerade auch fahren». Lutz sagte aber, dass derzeit aufgrund des hohen Baugeschehens der Verkehr an einigen Stellen reduziert worden sei.

Infrastruktur bremst Züge aus

Das kaputte Schienennetz ist wohl das grösste Problem des Bahnkonzerns. Die Infrastruktur sei «einfach zu alt, zu knapp, zu störanfällig», sagte Lutz. «Wir müssen die Infrastruktur wieder so herrichten, dass sie auf Wachstum und Verkehrsverlagerung ausgerichtet ist.»

Viel Hoffnung steckt das Unternehmen in das Konzept der Generalsanierungen: Während einer monatelangen Vollsperrung soll dabei eine Strecke grundlegend modernisiert werden. Seit eineinhalb Wochen läuft auf der Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim die erste von 41 Generalsanierungen. Bis diese Grossbaustellen Wirkung zeigen, wird es aber noch dauern: Die 41 Bauvorhaben sollen 2031 abgeschlossen sein.

Unwetter nehmen zu

Zu zusätzlichen Baumassnahmen wird absehbar das Klima führen. Lutz sprach für das erste Halbjahr von einer «nicht gekannten Häufung von Extremwettereignissen», die den Bahnverkehr beeinträchtigt hätten. «Wir werden uns darauf einstellen und bauliche Vorkehrungen treffen müssen, um die Folgen abzufedern», sagte Lutz.

Die marode Infrastruktur und die Unwetterfolgen belasteten die Pünktlichkeit der Bahn deutlich. «An Tagen mit Extremwetter haben wir bis zu 26 Prozentpunkte bei der Pünktlichkeit verloren», sagte Lutz.

Besonders schwierig war die Lage dem Konzern zufolge im Juni. In gleich mehreren Regionen kam es zu Überflutungen, Dammschäden und Hangrutschen, die sich auch auf den Bahnverkehr auswirkten. Fast jeder zweite Zug war verspätet, hatte also eine Verzögerung von mindestens sechs Minuten.

Die Pünktlichkeitsquote im Juni lag bei 52,9 Prozent. Ausgerechnet in diesem Monat begann dann auch noch die Fussball-Europameisterschaft. In der zweiten Jahreshälfte soll es nun etwas besser werden. Konkret sollen bis zum Jahresende insgesamt zwischen 63 und 67 Prozent der Fernzüge ohne grössere Verzögerungen unterwegs gewesen sein. Dafür muss sich die Zuverlässigkeit in den kommenden Monaten deutlich verbessern.

Nachfrage wackelt

Die Fahrgäste reagieren offensichtlich auf die Probleme der Deutschen Bahn, auf Unpünktlichkeit, drohende Zugausfälle wegen Streiks und Baustellen: 64,2 Millionen Reisende im Fernverkehr in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres bedeuten ein Minus von sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Ziel einer Verdopplung der Verkehrsleistung im Personenverkehr – also mehr gefahrene Kilometer und mehr Reisende – rückt damit in die Ferne.

Die Zuversicht ist aber gross, dass der negative Trend nicht lange anhält. Laut Finanzchef Holle lief es im Juni mit Blick auf die Umsätze im Fernverkehr schon wieder deutlich besser als in den Monaten davor, im Regionalverkehr wurden auch aufgrund der Deutschlandtickets im ersten Halbjahr sechs Prozent mehr Fahrgäste gezählt als im Vorjahreszeitraum. Vor allem auf den zentralen Strecken sei die Nachfrage da, sagte Lutz.

Wirtschaftliche Lage spannt sich weiter an

Nahezu sämtliche Geschäftsfelder machten operativ ein Minus. Lediglich die zum Verkauf stehende Logistiktochter DB Schenker erwirtschaftete einen operativen Gewinn (Ebit) von 520 Millionen Euro. «Die Bahn muss wirtschaftlicher und wettbewerbsfähiger werden und die Ansprüche, die die Menschen und Unternehmen zurecht an sie haben, erfüllen», forderte der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Ein Grossteil der Verluste geht darauf zurück, dass die Bahn bei Investitionen in die Infrastruktur auch in diesem Jahr in Vorleistung gegangen ist. Für 2024 rechnet sie deshalb mit erheblichen Rückzahlungen des Bundes. Bahnchef Lutz hält deshalb am Ziel fest, dass am Ende des Jahres zumindest operativ, also vor Zinsen und Steuern, wieder ein Gewinn in Höhe von einer Milliarde Euro steht.

Zudem konnte der Konzern seine hohen Verbindlichkeiten um rund eine Milliarde Euro auf nunmehr 33 Milliarden Euro im Vergleich zum Jahresende reduzieren. Das lag zum einen am Verkauf der Auslandstochter Arriva und zum anderen an der Auszahlung eines ersten Teils einer milliardenschweren Eigenkapitalerhöhung des Bundes.

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