Die Zinswende ist auch in der Schweiz in Sicht! Für diese Einschätzung haben nicht zuletzt auch SNB-Chef Thomas Jordan (59) und Direktoriumsmitglied Andréa Maechler (53) gesorgt. Beide haben deutlich gemacht, dass die Schweizerische Nationalbank bei einer anhaltend hohen Inflation die Zinsen erhöhen werde.
«Wir werden nicht zögern, unsere Geldpolitik zu straffen», betonte Maechler vor einigen Tagen in einem Interview mit dem Westschweizer Magazin «Bilan».
Sie schlug damit in die gleiche Kerbe wie Jordan, der nur wenige Tage zuvor erklärt hatte, die SNB sei nicht die Geisel anderer Zentralbanken. Man habe eine «autonome Politik mit Fokus auf die Preisstabilität», sagte Jordan.
Steigende Energiekosten
Tatsache ist, dass die Preise weltweit seit dem vergangenen Jahr immer weiter in die Höhe schiessen. Vor allem steigenden Energiekosten liessen die Inflation auch hierzulande im April auf den höchsten Stand seit 2008 steigen.
Die Schweiz fährt damit im internationalen Vergleich aber noch immer gut. In den USA oder auch der Eurozone liegen die Teuerungsraten auf dem höchsten Niveau seit mehreren Jahrzehnten.
Zahlreiche Zentralbanken wie beispielsweise das Fed in den USA, die Bank of England, die Notenbanken Kanadas, Neuseelands, Schwedens, Norwegens oder Australiens haben denn auch bereits begonnen, die Zinsen zu erhöhen. Sie versuchen damit, den Preisauftrieb zu stoppen.
Ähnlich zögerlich wie die SNB hatte sich bislang jedoch die Europäische Zentralbank (EZB) gezeigt, wenn es um konkretere Angaben zum möglichen Ende der Negativzins-Ära ging. Doch auch dort waren in den letzten Tagen erstaunlich klare Töne von der EZB-Chefin Christine Lagarde (66) zu hören. So könnte es im Juli zu einer ersten Zinsanhebung kommen. Ende des dritten Quartals könnten sie den negativen Bereich verlassen.
Stärke der Schweizer Wirtschaft
Das ergibt Spielraum für die SNB. Darin sind sich Ökonomen einig. Karsten Junius von der Bank J. Safra Sarasin spricht sich in diesem Umfeld sogar für eine emanzipiertere SNB aus. «Ich befürworte seit Monaten, dass sich die SNB unabhängig macht von der EZB und daher bereits im Juni die Zinsen erstmal anheben sollte», sagte er kürzlich in einem Interview mit AWP-Video.
Er begründete dies einerseits mit der Stärke der Schweizer Wirtschaft, die deutlich besser dastehe als die europäische. Zudem sei die Inflation auf dem aktuellen Niveau unerwünscht hoch. Die SNB selbst hat einen Zielkorridor zwischen 0 und 2 Prozent.
Sollte die SNB vorpreschen, dürfte der Franken erst einmal aufgewertet werden, da die Zinsdifferenz zum Euroraum damit kleiner würde. Sollte der Franken in diesem Fall zu stark aufgewertet werden, könnte die SNB dann einfach wie bisher am Devisenmarkt intervenieren, heisst es in einem Kommentar der Valiant-Bank.
Die Mehrzahl der Beobachter geht allerdings von einem anderen Szenario für die SNB aus. Zwar zeige der weltweite Zinstrend klar nach oben, meint auch Thoma Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank. Und auch die inflationären Treiber dürften nicht so schnell verschwinden wie noch im letzten Jahr gedacht.
SNB lässt der EZB den Vortritt
Allerdings sei der Handlungsdruck für die SNB verglichen mit demjenigen anderer Zentralbanken gering. Die SNB könne mit einer restriktiveren Geldpolitik noch zuwarten und die negative Zinsdifferenz zum Euroraum wieder grösser werden lassen, so der Experte weiter.
Tatsächlich gehen die meisten Experten davon aus, dass die SNB der EZB den Vortritt lassen wird und entweder dichtauf oder mit einer kleinen Verzögerung dann auch die Zinsen anheben wird.
So sehen etwa die Experten von Raiffeisen «steigende Chancen, dass die SNB das schnellere Vorgehen der EZB nutzt, um selbst noch in diesem Jahr mit der Abkehr von den Negativzinsen zu beginnen, vielleicht bereits im September.» Andere Beobachter wie Stucki von der SGKB oder auch die Experten der Credit Suisse wiederum rechnen erst im Dezember mit einem ersten Zinsschritt.
Ungeachtet des genauen Datums ist aber eines klar: Die Phase der Negativzinsen dürfte ab dem kommenden Jahr der Vergangenheit angehören – ausser es kommt zu einer globalen Rezession, wie es manche Experten inzwischen befürchten. (pbe/SDA)