Vor dem Ferienhaus im bündnerischen Andiast stehen zwei schnittige Karossen, ein Audi A8 und ein Mercedes GLC Coupé. Der Mercedes trägt eine Tessiner Autonummer und ist eingeschrieben auf die Firma der Partnerin von Pierin Vincenz, einer fast dreissig Jahre jüngeren Ostschweizerin.
Es ist ein Samstag im März, der nahe Frühling hat den Schnee weitherum schon schmelzen lassen, was den Ort noch kleiner wirken lässt, als er ohnehin schon ist.
Andiast ist ein 200-Seelen-Dorf auf 1200 Metern Höhe, Teil der Gemeinde Brigels. Hier ist der 67-jährige Ex-Raiffeisen-Chef heimisch, sein Grossvater war hier Bergbauer, sein Vater Gion Clau Vincenz vertrat den Kanton einst im Ständerat.
Das Ferienhaus der Familie Vincenz ist eines der grössten und schönsten im Dorf, gebaut hat es seine Schwester Anita, eine renommierte Architektin mit Büro in der Nähe von Basel. Auch die Namen seiner anderen beiden Schwestern sind auf dem Briefkasten vermerkt.
Stets willkommen
Hier, weitab von St. Gallen oder Zürich, ist der gefallene Raiffeisen-Chef oft anzutreffen, wie Einheimische erzählen. Hier ist er nicht in erster Linie der Angeklagte in einem der aufsehenerregendsten Wirtschaftsprozesse der letzten Jahre, nicht der Mann, der wegen Betrug und ungetreuer Geschäftsbesorgung vor Gericht musste, nicht der Mann, der seine ausgedehnten Streifzüge durch die Nachtclubs und Striptease-Lokale von Zürich als Spesen verrechnete, nicht der Mann, dem vorgeworfen wird, mit Beteiligungen an allerlei Firmen unrechtmässig Millionen eingestrichen zu haben – hier ist er einfach der Pierin, der verlorene Sohn, dessen Familie hier seine Wurzeln hat.
Hier in der Gegend um Andiast, Brigels und Waltensburg ist von Ablehnung nichts zu spüren, und viele lokale Vertreter stehen weiter offen zu ihm. Beat Zenklusen etwa, Direktor der Bergbahnen Brigels und des Pradas Resort: «Bei uns ist er natürlich herzlich willkommen», betont er. Wenn er komme, sei er immer gut aufgestellt, er kenne hier ja praktisch alle, grüsse alle freundlich: «Er ist sehr aufgeschlossen, man merkt ihm gar nichts an», so Zenklusen. Anderswo tönt es ähnlich: «Wir sehen uns mal beim Skifahren, im Bergrestaurant oder zu einem Kaffee – alles völlig normal und freundschaftlich», sagt Marcel Friberg, Ehrenpräsident des Golfclubs Brigels, der Vincenz schon seit vielen Jahren kennt.
Mit dieser Haltung sei er in der Gegend bei Weitem nicht allein: «Es ist nicht so, dass die Leute hier etwa einen Bogen um ihn machen. Im Gegenteil: Wenn er hier ist, ist er bei uns immer herzlich willkommen.» Was passiert sei, das müssten die Gerichte beurteilen, wenn diese denn dazu in der Lage wären, «wir thematisieren die Sache nicht», sagt Friberg.
Vincenz selber wirke zuversichtlich, «es bringt ja auch nichts, den Kopf hängen zu lassen». Und der Kellner in der Bar eines Hotels unten an der Talstation der Bergbahnen merkt zu alledem nur trocken an, man sei hier in der Gegend eben generell sehr tolerant.
Vincenz als Patron der Region
Die Loyalität, die Vincenz entgegengebracht wird, hat teilweise auch ganz handfeste Gründe, hat Vincenz in besseren Tagen doch viel für die Region getan. Als die Bergbahnen Brigels AG vor zehn Jahren vor dem Konkurs standen und eine Bilanzsanierung durchführen mussten, hat er das Unternehmen zusammen mit anderen Investoren vor dem Ruin bewahrt. So etwas vergisst man nicht im Dorf.
Nicht nur im Winter ist Vincenz oft in der Region anzutreffen, sondern auch im Sommer. Man sehe ihn immer mal wieder zusammen mit seiner Partnerin beim Wandern und in den Restaurants, sagt Zenklusen.
Auch auf dem Bike seien die beiden immer mal wieder unterwegs, erzählen Einheimische. Die Gegend um Andiast, Brigels und Waltensburg gilt neben dem Skigebiet im Winter als Paradies für Wanderer, Biker und Golfer. Auch auf dem Golfplatz in Brigels ist Vincenz hin und wieder anzutreffen. «Die Leute spielen gerne mit ihm, auch daran hat sich nichts geändert», sagt Ehrenpräsident Friberg.
Auf Spurensuche
Die Partnerin von Vincenz ist 39 Jahre alt und wie er sehr sportlich. Sie stammt aus dem Kanton St. Gallen und soll lange als Pharmavertreterin gearbeitet haben, erzählen Bekannte. Seit 2019 ist sie Geschäftsführerin und Inhaberin der Tam Plenus GmbH, einer Firma für Nahrungsergänzungsmittel mit Sitz in Bäch, einem Ortsteil des Steuerparadieses Freienbach am oberen Zürichsee, wie im Handelsregister nachzulesen ist.
Produziert wird dort nicht, Tam Plenus ist eine Vertriebsfirma, die Produkte werden unter Markennamen wie Tam Plenus oder Celergen angeboten. Sie sind nicht nur auf der Webseite der Firma bestellbar, sondern werden auch schweizweit durch grosse Drogerie-Ketten vertrieben, etwa durch Coop Vitality. Freunden hat Vincenz erzählt, dass er seine Partnerin bei der Gründung der Firma tatkräftig unterstützt habe, er habe anfangs sogar selbst mitgeholfen, die Päckchen für den Versand zu schnüren.
Über seine eigenen Einnahmequellen ist weniger bekannt. Im Rahmen des Prozesses wurden seine Vermögenswerte in Höhe von rund 20 Millionen Franken blockiert, er selbst gab an, er lebe von 2200 Franken AHV im Monat. Wie er lebt, was er so macht und wie er die neuste Entwicklung in seinem Prozess beurteilt, hätten wir natürlich gerne von ihm selbst erfahren.
Doch sein Anwalt Lorenz Erni liess ausrichten, dass sein Mandant «für ein Interview oder für ein Hintergrundgespräch nicht zur Verfügung steht». Auch seine Partnerin, die wir auf dem Mobiltelefon erreichten und nach einer Kontaktadresse fragten, liess kurz und bestimmt wissen, sie habe kein Interesse und gebe auch keine Daten heraus.
Von Graubünden bis an die Grenze Italiens
So musste sich BILANZ selber auf Spurensuche begeben, vom Bündnerland über die Ostschweiz bis ins Tessin, ging für einen Augenschein vor Ort und konnte mit über einem Dutzend Personen aus dem Umfeld des gefallenen Bankers sprechen.
Vincenz ist geschieden. Anfang 2019 wurden erste Berichte bekannt, wonach er und seine zweite Frau Nadja Ceregato, die in seiner Zeit als CEO von Raiffeisen dort Rechtschefin war, sich trennen würden, 2021 erfolgte die Scheidung. Seine erste Frau verstarb 2000, als die gemeinsamen Töchter sechs Jahre alt waren, er hat die Kinder über viele Jahre als alleinerziehender Vater grossgezogen.
Seit wann genau Vincenz und seine neue Lebenspartnerin zusammen sind, ist nicht bekannt, klar ist aber, dass sie sich schon lange kennen. Ihr Name taucht sogar in den Prozessunterlagen auf, nicht weil die Frau sich etwas hat zuschulden kommen lassen, sondern als Fakt im Zusammenhang mit einer Luxusreise nach Dubai im Januar 2015, wohin Vincenz zwei befreundete Geschäftspartner auf Geschäftskosten eingeladen hatte, inklusive Flug, Hotelunterbringung und Golfspiel.
Es soll als reiner Männerausflug geplant gewesen sein, und die Teilnehmer sollen denn auch nicht schlecht gestaunt haben, als Vincenz mit einer jungen Frau am Flughafen auftauchte, die er den Teilnehmenden als eine Bekannte vorstellte. Die damals Dreissigjährige, die auf dieser Reise dabei war, ist seine heutige Partnerin.
Die Reise führt nach Figino TI
Heute finden sich ihre beiden Namen an gleicher Adresse in Figino im Kanton Tessin. Hier, etwas südlich von Lugano, ist auch die offizielle Anschrift von Pierin Vincenz, wie aus amtlichen Dokumenten hervorgeht.
Das Tessin ist nebst dem Bündnerland der zweite Rückzugsort von Vincenz. Sein Haus in Figino liegt etwas erhöht mit prächtigem Blick auf den Luganersee, das Bergland auf der anderen Seeseite ist bereits Italien.
Sein Haus ist eine mondäne und gepflegte Villa, mit Umschwung, grossem Garten und Swimmingpool. Links vom schmiedeeisernen Eingangstor prangt in geschwungener Schrift der Name des Grundstücks: «La Quercia», italienisch für Eiche.
Der Briefkasten ist mit seinem und dem Namen seiner Partnerin angeschrieben, darunter zusätzlich auch der Namen ihrer Firma, Tam Plenus GmbH. Auf einer separaten Plakette ein weiterer Firmenname: Immeno AG. Diese Gesellschaft – Zweck laut Handelsregister: «Erwerb und dauernde Verwaltung von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, Durchführung aller damit zusammenhängenden Finanzgeschäfte und Erwerb und Bewirtschaftung von Immobilien» – ist auf Eugen Mätzler eingetragen, einen Vertrauten von Vincenz, der von 2007 bis 2015 auch die Vincenz Management AG präsidierte (die einen ähnlichen Firmenzweck angab wie heute die Immeno AG).
Dieser Eugen Mätzler spielte auch in der ganzen Affäre um die Spesenexzesse von Vincenz eine wichtige Rolle, erfolgte doch die Auszahlung der Spesen, die Vincenz als Raiffeisen-Chef machte, über einen externen Anwalt – eben diesen Mätzler.
Mätzler führte die Bücher
16 Jahre lang, von 2001 bis 2017 (und damit auch in den kritischen Jahren), war der St. Galler Anwalt vom Büro Schwager Mätzler Schneider mit der Lohnbuchhaltung der Raiffeisen-Geschäftsleitung beauftragt: Grosse Teile in Sachen Salär und Spesen lief über seinen Schreibtisch. Mätzler ist auch sonst in St. Gallen eine bekannte Person, als ehemaliges Mitglied des Grossen Gemeinderates der Stadt und als Ex-Präsident des FC St. Gallen.
Die Firma Immeno soll ursprünglich als eine Art Auffangbecken für die Immobilien der St. Galler Messebaufirma Expo Norm genutzt worden sein, für die der neue Besitzer nach der Übernahme vor einigen Jahren keine Verwendung mehr hatte. Auf die Fragen, was seine Immeno AG, die laut Handelsregister in St. Gallen ihren Sitz hat, auf dem privaten Wohnsitz von Vincenz im Tessin verloren und was das alles heute mit Vincenz zu tun habe, wollte Mätzler keine Stellung nehmen und verwies auf Vincenz selber. Der liess eine Anfrage per SMS unbeantwortet.
Figino ist nur einer von Vincenz’ Schauplätzen im Tessin. Nur wenige Kilometer von «La Quercia» entfernt, etwas weiter unten im bekannten Ferienort Morcote, liegt jene Villa, die er 2015 erworben hat, damals noch zusammen mit Gattin Ceregato, offenbar um diese zur edlen Ferienresidenz auszubauen. Kaufpreis: 6,5 Millionen Franken.
Das Anwesen ist Teil des gesperrten Besitztums von Vincenz, wird jetzt aber versteigert, um die Hypothek, mit der ihm sein Freund Dölf Früh, Schweizer Unternehmer und Sportfunktionär, unter die Arme griff, zurückzuzahlen. Am 14. März fand die öffentliche Besichtigung statt, am 11. April folgt in Mendrisio die Versteigerung.
Villa in Morcote TI steht vor Verwahrlosung
BILANZ war bei der Besichtigung vor Ort: Die Villa präsentierte sich in desolatem Zustand, der Putz bröckelt, die Tapeten hängen von den Wänden, im Keller hat es Wasserpfützen. Das ganze Interieur ist in schrillem Siebziger-Jahre-Stil gehalten.
Toll sind an diesem Anwesen eigentlich nur zwei Sachen: erstens die prächtige Aussicht auf den See und die Berge, zweitens das zum Grundstück gehörende Bootshaus mit einer kleinen, mit schönen Steinplatten belegten Terrasse, einem Zimmer, einer Dusche und einer kleinen Küche. Bootsplätze sind rar an diesem Ufer des Luganersees, an dessen Hügeln zwischen Lugano und Morcote sich die Villen der Reichen aneinanderreihen.
Nach dem Platzen des Skandals um Vincenz hat sein ehemaliger Arbeitgeber Raiffeisen auch die Hypotheken an Vincenz zurückgezogen, Dölf Früh – ebenfalls ein Gefährte aus dem St. Galler Umfeld – sprang für seinen sich plötzlich in Geldnot befindenden Freund mit 4,3 Millionen Franken ein und löste die Hypothek ab. Heute soll die Freundschaft erkaltet sein, laut Eingeweihten haben sich die beiden schon lange nicht mehr gesehen.
Eine andere Villa im gemeinsamen Besitz von Vincenz und Ceregato ist der ehemalige Wohnsitz in Niederteufen im Kanton Appenzell Ausserrhoden, im Wert von rund zwölf Millionen. Auch diese Villa steht zum Verkauf, beauftragt ist der Zürcher Immobilienhändler Claude Ginesta, auf dessen Webpage das Objekt einsehbar ist. Das Haus ist allerdings offenbar nicht so leicht verkäuflich, es steht schon seit Sommer 2022 zum Verkauf. Wie es aktuell um Interessenten steht, wollte Ginesta nicht verraten.
Tief verletzt
Mit seiner Ex-Frau Ceregato verbinden ihn nur noch solche finanzielle Verknüpfungen. Ceregato lässt per E-Mail ausrichten, sie habe «keinen Kontakt mehr mit Herrn Vincenz». Für ein Gespräch stehe sie nicht zur Verfügung: «Er hat mit seinen Handlungen – unabhängig davon, ob sie strafrechtlich zu einer Verurteilung führen – bei seiner (ehemaligen) Familie hohen psychischen Schaden angerichtet und Lebensläufe zerstört. Es ist schwer für mich, darüber zu sprechen, und ich halte das Thema im engsten Familien- und Freundeskreis.»
Ceregato ist heute bei der Aebi Schmidt Group tätig, einem weltweit führenden Hersteller von Strassenputz- und Schneeräumungsfahrzeugen. Mehrheitsbesitzer ist der Unternehmer Peter Spuhler, ein Studienfreund von Vincenz, der aber wie Dölf Früh heute keinen Kontakt mehr zu ihm hat.
Der neue Job für Ceregato kam auf Anstoss von Aebi-Schmidt-CEO Barend Fruithof zustande, einem der engsten Vertrauten von Spuhler. Auch persönliche Teile des Vermögens von Ceregato sind im Rahmen des Prozesses gesperrt worden, inzwischen wurden wenigstens ihre Gelder in der Pensionskasse freigegeben.
Der finanzielle Handlungsspielraum von Vincenz selber ist angesichts der gesperrten Vermögenswerte und der angesammelten Schulden, die er selber mit rund 23 Millionen angab, deutlich enger. Über mögliche Einnahmequellen ist nichts bekannt. Er hat zwar im Rahmen der jüngst bekannt gewordenen Aufhebung des Urteils der Vorinstanz (siehe «Die Hängepartie geht weiter» links) eine Entschädigung von 34'698 Franken erhalten, doch sie entspricht der Rechnung, die er seinem Anwalt Lorenz Erni zu bezahlen hat.
92 Stunden zu 350 Franken verrechnete der bekannte Zürcher Strafrechtler als Honorar – ein günstiger Preis, wie Kenner der Anwaltsbranche sagen. Andere renommierte Anwälte in Zürich verlangen bis zu 500 Franken pro Stunde, zudem sind die 92 Stunden – die umgerechnet nicht mal zweieinhalb Wochen Arbeit entsprechen – wohl nur ein Bruchteil des tatsächlich geleisteten Zeitaufwands. Allein der Prozess vor dem Zürcher Bezirksgericht Ende Januar 2022 dauerte mehrere Tage, der Prozess hat unzählige Bundesordner an Akten produziert.
Corona-Geplänkel
Vom 27. Februar bis zum 12. Juni 2018 war Vincenz in Untersuchungshaft, 106 Tage lang, in einer Zelle von zwölf Quadratmetern. Es folgte eine Zeit des Abwartens, die jetzt mit der Aufhebung des Urteils der Vorinstanz weitergeht. Die Zeit in der Untersuchungshaft soll er als sehr bedrückend empfunden haben, erzählen Bekannte. Inzwischen sei er aber wieder guten Mutes, jedenfalls merke man ihm nichts an, erzählen praktisch alle, die ihn doch noch hie und da sehen.
Er lässt es sich gerne gut gehen. Im Juli 2021 war er etwa in den Ferien in Kroatien: Er wurde in einer Bar mit Public Viewing auf der kleinen Insel Vis gesichtet, wo er sich den Europameisterschafts-Viertelfinal Schweiz gegen Spanien ansah (Spanien siegte im Elfmeterschiessen). Auch in Mallorca war er laut Medienberichten in den Ferien und frönte dem Golfspiel.
Im Winter ist er regelmässig im Skigebiet in Brigels, auch mal in Begleitung seiner Töchter. Er wurde auf der Alp Dado und im Dorf Andiast wiederholt mit einer seiner Töchter gesehen, erzählen Einheimische. Auch mit seiner Schwester Anita sei er immer mal wieder unterwegs.
Seine Töchter Andrina und Lea sind heute erwachsen. Immer wieder sprach Vincenz in Interviews über die sehr enge Beziehung zwischen ihm und seinen beiden Töchtern, die sich nach dem Tod seiner ersten Frau und Mutter der beiden Mädchen ergeben habe.
Auf der Alp Dado hat man Vincenz aber nicht nur in guter Erinnerung. In den Corona-Jahren soll es kleinere Geplänkel mit dem Personal gegeben haben. Vincenz habe zu verstehen gegeben, dass er von den Corona-Massnahmen wenig halte, erinnert man sich im Restaurant, er habe sich mit der Maskenpflicht und den Abstandsregeln schwergetan. Man habe ihm dann erklären müssen, dass man von den Massnahmen ja halten könne, was man wolle, aber das seien nun mal die Regeln, und wenn er sie nicht einhalte, dürfe er nicht rein.
Warten angesagt
Gemeinsame Leidenschaft von ihm und seiner neuen Partnerin ist das Kochen. Vincenz selber hat in der Vergangenheit immer wieder Grüppchen von Freunden zum Kochen um sich geschart, 2014 etwa gings mit seinem Kochclub Fleur de Tigre auf einen Gastro-Trip nach Mallorca. Seine Partnerin gilt ebenfalls als exzellente Köchin. 2022 war sie Kandidatin in der Fernsehsendung «Masterchef» auf 3+, wo eine Jury mit Topköchen wie Andreas Caminada oder Nenad Mlinarevic in einem Auswahlverfahren den besten Koch oder die beste Köchin kürt.
Sie kam allerdings nicht über die erste Runde hinaus. Was gutes Essen betrifft, sind die beiden in Andiast gut bedient: Das kleine Dorf beherbergt eines der besten Feinschmecker-Restaurants der Schweiz, das «Postigliun», mit 15 «GaultMillau»-Punkten ausgezeichnet und in den Top Ten der besten Wildrestaurants des Landes. In rund einem Jahr macht das Restaurant allerdings zu – nach 38 Jahren, es fehlt der Nachwuchs.
Weil es die einzige Beiz im Ort ist, finden sich dort auch die Einheimischen ein, die in aller Ruhe zwischen den Feinschmeckern eine Partie «Troccas» spielen, eine altbekannte Variante des Kartenspiels Tarock, das vor allem in der Surselva in Graubünden verbreitet ist. Mit dem Ende des «Postigliun» nach Ostern 2025 dürfte es in Andiast einiges trostloser werden, was dem lebensfrohen Vincenz kaum gefallen dürfte. Der Dorfladen ist auch nur noch morgens bedient – nachmittags ist er in Selbstbedienung offen. Vincenz erscheine meist erst dann zum Einkaufen, heisst es im Dorf.
Vermögen blockiert bis endgültiges Urteil steht
Für ihn heisst es jetzt abwarten – bis zu sieben Jahre könnte es gehen, bis ein definitives Urteil steht, sagen einzelne Experten. Dann wäre er schon 74 Jahre alt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit dürfte das Urteil angesichts der neuen Umstände und der langen Verfahrensdauer allerdings milder ausfallen – möglich sogar, dass er mit einer Strafe auf Bewährung davonkommt. Dazu kommen aber natürlich noch mögliche Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.
Mit dem endgültigen Urteil dürfte aber auch die Blockierung seines Vermögens aufgehoben werden. Bis anhin musste er bei grossen Ausgaben das Gericht um Erlaubnis bitten. Was der finale Entscheid für seine räumliche und finanzielle Freiheit bedeutet, wird sich zeigen, doch bis dahin ist weiter Versteckspiel angesagt.