Ex-Boss Bolliger zum «Alkohol-Problem» der Migros
«Am Schluss gibt es nur Verlierer»

Am Samstag entscheidet die Migros über Duttweilers Erbe: Gibt es beim orangen Riesen bald Bier und Wein zu kaufen? Ex-Migros-Boss Herbert Bolliger äussert sich zurückhaltend.
Publiziert: 05.11.2021 um 16:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.11.2021 um 16:56 Uhr
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Ex-Migros-Boss Herbert Bolliger (67) sieht das Ende des Alkoholverbots in der Migros «skeptisch».
Foto: Philippe Rossier

Am Samstag entscheiden die Migros-Delegierten im Grundsatz über den Alkoholverkauf beim orangen Riesen. Nun mischt sich eine gewichtige Stimme in die Debatte ein: Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger (67). Er leitete den Migros-Genossenschaftsbund von 2005 bis 2017. Im Interview mit der «Handelszeitung» sagt Bolliger zum Alkoholverkauf in der Migros: «Ich war immer skeptisch. Bei solchen Grundsatzfragen besteht die Gefahr der Spaltung, wie bei Glaubenskriegen gibt es am Schluss nur Verlierer.»

Das Thema werde die Migros bis 2023 belasten, so Bolliger. Denn: Selbst wenn an der Delegiertenversammlung am Samstag eine Zweidrittelmehrheit für den Alkoholverkauf zustande kommt, ist der Entscheid noch lange nicht in trockenen Tüchern. Im Anschluss entscheiden die Spitzen der zehn regionalen Migros-Genossenschaften über den Alkoholverkauf. Stimmen sie ebenfalls zu, kommt es nächstes Jahr zur Urabstimmung bei den Migros-Genossenschaftern.

Alkoholentscheid zieht sich über Jahre

Erst 2023 könnte der Alkohol dann tatsächlich in den Migros-Regalen stehen. Und auch dann nicht in den ganzen Schweiz, sondern nur bei jenen regionalen Genossenschaften, die sich wiederum mit Zweidrittelmehrheit für den Alkoholverkauf ausgesprochen haben.

Das Thema wird unweigerlich immer wieder hohe mediale Wellen schlagen. Unnötig, findet Ex-Migros-Chef Bolliger. «Ich würde mir wünschen, dass sich die regionalen Führungsgremien mit einer anderen Frage auseinandersetzen würden: Ist die Organisation mit zehn rechtlich selbstständigen Regionalgenossenschaften noch effizient für den relativ kleinen Markt Schweiz?»

An die mächtigen Regionalgenossenschaften gerichtet sagt Bolliger: «Hört auf mit diesem Rumschieben von Umsatz, am Schluss muss es für die ganze Gruppe aufgehen.»

Denner und Golfplätze führten zu Alkoholdiskussionen

Unter Bolligers Ägide fiel bei der Migros auch der Zukauf des Discounters Denner (2007) und die Gründung der Tankstellen-Shops Migrolino (2009). Beide verkaufen Alkohol. Spätestens seit die Migros mit diesen Tochterunternehmen im Alkohol-Verkauf mitmischt, ist die Abstinenz des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler (1888–1962) Makulatur.

So oder so: Dass die Migros keinen Alkohol im Sortiment führt, war für «Dutti» kein Entscheid aus Überzeugung – sondern ein cleverer Marketing-Trick.

Den Ausbau der Geschäftsfelder mit Denner, Migrolino und dem Zukauf des Online-Händlers Digitec sieht Bolliger bis heute als Erfolgsrezept für den orangen Riesen: «Migrolino, Digitec, Denner sind noch heute die Wachstumstreiber im Konzern.»

Bolliger verhehlt allerdings nicht, dass die Alkoholfrage innerhalb der Migros auch unter seiner Führung immer wieder zu Diskussionen geführt habe. «Spontan erinnere ich mich an die Diskussionen bei der Globus-Übernahme oder beim Kauf von Denner. Speziell war auch die Auseinandersetzung an der Delegiertenversammlung, ob auf den Migros-Golfplätzen nach der Runde noch ein Glas Bier getrunken werden darf. Nach langen Diskussionen stimmte schliesslich die Delegiertenversammlung zu.» (sfa)

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