Die Corona-Krise hat zu einer Welle von Entlassungen geführt. Die Arbeitslosenzahlen sind massiv angestiegen, besonders in der Gastronomie. Laut offiziellen Zahlen des Bundes sind knapp 14’000 Gastro-Angestellte ohne Job. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Sommer 2019.
Trotzdem herrscht an zahlreichen Orten Personalmangel. Esther von Ziegler (61) betreibt ein Hotel und ein Restaurant am Walensee. «Wir suchen dringend Leute», sagt die Gastronomin. «Wir haben einen Engpass an der Rezeption, beim Housekeeping, im Service und in der Küche.» Ein halbes Dutzend Jobs müssen besetzt werden, so von Ziegler. Und sie weiss: «Anderen Betrieben geht es gleich.»
Von Ziegler hat die Stellen schon lange ausgeschrieben. Sie sucht Personal für befristete und unbefristete Verträge. Auf der eigenen Homepage, in den sozialen Medien und auf den einschlägigen Job-Portalen. Die Stellen wurden auch dem lokalen RAV in Sargans SG gemeldet. «Aber es gibt kaum qualifizierte Bewerbungen», sagt von Ziegler.
Sommer im Plus
Sie blickt auf die volle Terrasse und über den 22 Grad kühlen Walensee. Auf der anderen Seite ragen die steilen Wände der Churfirsten empor. Sie gibt sich selbstkritisch. Von Ziegler hat im März wegen der Corona-Krise entschieden, zwei Saisonarbeiter weniger zu rekrutieren. Jetzt bereut sie den Entscheid. «Aber im Nachhinein ist man immer schlauer», sagt die Unternehmerin mit langer Tradition.
Von Ziegler stammt aus der Zürcher Seifendynastie Steinfels. Sie führt den Gastrobetrieb zusammen mit ihrem Mann Dieter. Seine Familie hat ebenfalls einen industriellen Hintergrund. Restaurant und Hotel waren einst eine Spinnerei. Ein Wahrzeichen der Region. Der grösste Arbeitgeber im Ort. Die Geschichte geht zurück bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den Neunzigerjahren musste die Spinnerei aber schliessen, das Areal wurde umgebaut. Es entstanden zahlreiche Wohnungen, ein Restaurant, ein Hotel. Der markante Turm der Fabrik steht noch. Darauf der Schriftzug «Lofthotel».
19 Zimmer hat das Hotel, 350 Sitzplätze das Restaurant. Normalerweise sorgen Hochzeiten und andere Events für eine gute Auslastung. Wegen Corona wurden diese Veranstaltungen aber fast ausnahmslos abgesagt. Feriengäste aus der Schweiz und Tagestouristen machen das Minus wieder wett – mehr als wett sogar. «Gegenüber dem Vorjahr haben wir im Juli ein schönes Plus gemacht», sagt von Ziegler.
Ausgebuchtes Hotel
Den Trend spürt auch die lokale Tourismusorganisation. «In den letzten fünf Wochen herrschte in der Region generell sehr viel Betrieb», sagt Adrian Pfiffner von Heidiland Tourismus. «Die Parkplätze bei den Bergbahnen waren an schönen Tagen voll, der Walensee sehr bevölkert.» Auch die ersten Zahlen zu den Übernachtungen in der Region stimmen Pfiffner zuversichtlich. Es sei bisher eine «gute Sommersaison, speziell unter diesen erschwerten Bedingungen», sagt er.
Für von Ziegler bedeutet das: volle Zimmer. «Das Hotel ist während der Sommerferien zu 95 Prozent belegt», sagt sie. In anderen Jahren seien es jeweils nur rund 60 Prozent gewesen. Und damals handelte es sich oft um Hochzeitsgäste oder Seminarbesucher. Der grösste Raum misst bis zu 650 Quadratmeter. Er bietet Platz für Dutzende Personen mit genügend Distanz. In diesen Zeiten sicher ein Pluspunkt.
Die Kehrseite des Erfolgs: Das Personal läuft am Limit. Einige häufen massiv Überzeit an. Auch deshalb sucht die Chefin dringend neue Leute. «Hilfe», sagt sie zu BLICK. «Wir müssen jetzt unbedingt Leute einstellen, sonst überarbeiten sich unsere Angestellten.»