Es kommt Bewegung in den Eigenkapitalstreit der UBS
Keller-Sutter gegen Ermotti – wer gewinnt?

Der Bund will mehr Eigenmittel von der UBS verlangen, die Bank kämpft dagegen an. Doch jetzt tun sich plötzlich Kompromisslinien auf. Wir beleuchten den Streit und die 25-Milliarden-Franken-Frage.
Publiziert: 13.11.2024 um 16:18 Uhr
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Aktualisiert: 13.11.2024 um 16:22 Uhr
Der 25-Milliarden-Clinch: Finanzministerin Karin Keller-Sutter und UBS-Chef Sergio Ermotti.
Foto: Fotos: Keystone/Bloomberg

Auf einen Blick

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Holger Alich
Handelszeitung

Die Frage ist ganz einfach: Wie viel Eigenkapital braucht die UBS in Zukunft? Doch um diese Frage entzünden sich leidenschaftliche Debatten – wie bei einer Veranstaltung des Swiss Finance Institutes vergangene Woche. «You are wrong», schmetterte dort Ex-Bankenaufseher Daniel Zuberbühler dem UBS-Konzernleitungsmitglied Markus Ronner und dem Chef der Bankenvereinigung, Roman Studer, entgegen. Beide hatten die These vertreten, dass die Credit Suisse primär wegen eines mangelhaften Geschäftsmodells und der Liquiditätsprobleme untergegangen sei. 

Zuberbühler erinnerte daran, dass Eigenkapitallücken bei der CS sehr wohl ein Krisenbeschleuniger waren. Konkret war das Stammhaus der Credit Suisse unterkapitalisiert, die CS AG hatte ihre Auslandsbeteiligungen mit zu wenig Eigenkapital abgesichert.

Kapitalloch verhinderte notwendige Restrukturierung

Das hatte zur Folge, dass die Grossbank den Abbau im US-Investmentbanking zu lange hinauszögerte. Die Restrukturierung hätte Milliardenverluste ausgelöst, und die wiederum hätten zu grosse Löcher in die Kapitaldecke des Stammhauses gerissen. Der Bund und die Finma hatten das Problem auch noch verschleppt, denn sie gewährten der CS Kapitalerleichterungen.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Das soll nun besser werden. Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat dazu im April im «Too big to fail»-Bericht vorgeschlagen, dass die UBS künftig mehr Eigenkapital für ihre Auslandstöchter vorhalten muss. Die grosse Streitfrage ist nun: wie viel? Die Fronten im Streit scheinen verhärtet, doch aus Gesprächen mit Insidern ergeben sich mögliche Kompromisslinien.

Laut der SNB sehen die derzeit geltenden Regeln vor, dass die UBS ihre Auslandstöchter zu 40 Prozent mit hartem Eigenkapital unterlegen muss. Finma-Chef Stefan Walter plädiert gegenüber der «Handelszeitung» für eine 100-prozentige Unterlegung. Auch die SNB ist dafür. Das würde die UBS bis zu 25 Milliarden Dollar kosten. Um dieses Extrakapital zu verzinsen, müsste die UBS bis zu 3,75 Milliarden pro Jahr aufwenden, wie UBS-Compliance-Chef Ronner vorrechnete.

Die offene Kapitalfrage lastet auf dem Aktienkurs

Sein Chef, Sergio Ermotti, warnt gebetsmühlenhaft davor, dass solche aus UBS-Sicht überrissenen Anforderungen die Bank zu stark in ihrer Wettbewerbsfähigkeit einschränken würden. Die offene Frage, wie teuer die neuen Anforderungen werden, gilt als Hauptbremse für den UBS-Aktien-Kurs, der seit Anfang Jahr auf der Stelle tritt. 

Ministerin Keller-Sutter lässt sich indes nicht in die Karten schauen. Sie hat sich nie öffentlich auf eine Zahl festgelegt und sich auch nicht hinter die Forderungen des neuen Finma-Chefs gestellt. Wie streng die neuen Kapitalvorschriften werden, hänge vom Gesamtpaket ab, sagte sie bei einer Bloomberg-Veranstaltung. 

Ein Aspekt dabei sei die Frage, ob die UBS im Krisenfall abwickelbar ist. Ob dies bedeute, dass die neuen Anforderungen weniger streng ausfallen würden, je besser die UBS ihre Abwickelbarkeit belegen könne? So linear sei der Zusammenhang nicht, sagen Insider. Aber die Frage spiele eine Rolle, heisst es. 

Wie werthaltig sind die Töchter?

Bei einer Abwicklung würde die UBS in ihre Teile aufgelöst, die dann getrennt verkauft werden könnten. Damit wird die Frage zentral, wie viel die Teile wert sind, zum Beispiel die Auslandstöchter. 

UBS-Manager Ronner verweist darauf, dass eine 100-prozentige Kapitalunterlegung im Stammhaus ökonomisch bedeuten würde, dass die Töchter gar keinen Wert haben, sie würden de facto vollständig abgeschrieben. Ex-Bankenaufseher Zuberbühler drängt dagegen auf die vollständige Kapitalunterlegung. «Andernfalls würde das Eigenkapital bei Mutter und Tochter doppelt eingesetzt.» Daher sei die vollständige Kapitalunterlegung der Auslandsbeteiligungen das Mindeste, was der Bundesrat fordern solle. Denn generell höhere Kapitalanforderungen für die UBS als Ganzes hat die Regierung bereits verworfen.

Bankexperte Andreas Ita vom Beratungsunternehmen Orbit 36 sieht hier Raum für einen Kompromiss: Wenn sichergestellt sei, dass die UBS im Abwicklungsfall noch Geld von einer Auslandstochter zurückerhalte, könne in der Tendenz der Kapitalbedarf zur Absicherung dieser Beteiligung geringer ausfallen. Sprich, es müssten nicht zwingend 100 Prozent sein. In diese Richtung seien auch die Äusserungen von Keller-Sutter zu verstehen. 

Laut Personen mit Kenntnis der Debatten gibt es eine weitere Stellschraube: Neben der Prozentzahl, wie viel des Wertes einer Auslandstochter das Stammhaus mit Eigenkapital absichern muss, sollte die Frage eine Rolle spielen, wie genau der Wert einer Auslandstochter bemessen wird. Bei einer konservativen Bewertung könne auf eine 100-prozentige Kapitalunterlegung verzichtet werden. 

Stellschraube Risikogewichtung

Beispiel: Der Bund schreibt der UBS vor, die Töchter zum Net Asset Value zu bewerten – dabei werden alle Verbindlichkeiten vom Vermögen abgezogen. Das führt zu einer konservativen Bewertung und im Gegenzug zu tieferen Eigenmittelanforderungen.

Auch die Art der Geschäfte und die Risiken der Töchter könnten eine Rolle spielen. Eine Auslandstochter, die nur Wealth-Management betreibt, könnte mit weniger Kapital unterlegt werden als eine, die im Investmentbanking aktiv ist, wie informierte Kreise meinen. Ein Ansatz, den auch Experte Ita für erwägenswert hält. 

Eine weitere Kompromisszone liegt in der Frage, mit welcher Art Kapital die Auslandstöchter abgesichert werden müssen. Derzeit dreht sich die Debatte um hartes Kernkapital, also eingezahltes Aktienkapital und einbehaltene Gewinne. 

Laut Experte Ita wäre hier ein Ansatz, dass die UBS die Töchter nur zum Teil mit hartem Kernkapital absichern muss – «und zu einem anderen Teil mit Kapitalinstrumenten wie Bail-in-Instrumenten», sagt er. «Letztgenannte sind für die Bank deutlich günstiger als hartes Eigenkapital, erfüllen jedoch ihren Zweck zum Schutz des Schweizer Steuerzahlers im Falle einer Abwicklung ebenfalls», erklärt er. Dem Vernehmen nach ist dieser Punkt Teil der Diskussionen. 

Was will die PUK?

Beide Punkte – die Risikogewichtung sowie die Art des Kapitals – könnten zudem kombiniert werden. «Sprich, bei einer Auslandstochter mit einer riskanten Geschäftstätigkeit wie Investmentbanking wäre der Anteil an hartem Eigenkapital bei der Kapitalunterlegung höher als bei einer ausländischen Tochter, die nur Wealth-Management oder Assetmanagement betreibt», sagt Ita.

Risikogewichtung, Bewertung der Töchter, Art des Kapitals: Das zeigt, dass es im Milliardenstreit einige Stellschrauben dazu gibt, wie die Kapitalfrage in einem Schweizer Kompromiss gelöst werden kann.

Aber auch der UBS dürfte klar sein: Ganz ohne eine Anhebung der Kapitalanforderungen wird die Grossbank nicht davonkommen. Die Hoffnung ist jedoch, dass es nicht gleich 100 Prozent sein werden.

Das Finanzministerium und auch die Finma wollen zur Kapitaldebatte keine Stellung nehmen. Klarheit soll es erst geben, nachdem die Parlamentarische Untersuchungskommission, kurz PUK, ihren Abschlussbericht vorgelegt hat. Dieser wird für Ende Jahr erwartet, Anfang des nächsten Jahres dürfte dann der Bundesrat seine Antwort auf die Frage geben, wie viel Eigenkapital die UBS in Zukunft braucht.

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