Auf einen Blick
- Erika Bruderer hat 37 Jahre lang eine Secondhand-Boutique in St. Gallen geführt
- Vor 5 Jahren hat sie den Laden einer ehemaligen Stiftin verkauft
- Im Juli wurde der Laden ausgeraubt, jetzt ist er geschlossen
Erika Bruderer (63) ist traurig, wenn sie an ihre Secondhand-Boutique in der St. Galler Altstadt denkt. 37 Jahre lang hat sie diese geführt. «Der Laden war mein Baby. Mein Lebenswerk. Jetzt ist alles zerstört», sagt sie dem «St. Galler Tagblatt». Modebegeisterte aus der ganzen Ostschweiz deckten sich in ihrem Geschäft mit edlen Kleidern und Accessoires ein. Bruderer führte eine grosse Auswahl an Designermarken, von Akris bis Max Mara.
2019 hat sie das Geschäft schliesslich ihrer ehemaligen Lehrtochter verkauft – für 140'000 Franken. 20 Jahre alt war diese damals. Sie sei fleissig gewesen und ehrgeizig, erinnert sich Bruderer. Und sie kannte die meisten Kundinnen bereits. «Ich dachte, sie sei die Richtige», sagt die Boutiquenbetreiberin heute. Die neue Geschäftsführerin brachte frischen Wind in den Laden, erinnert sich Bruderer. Sie habe das Online-Geschäft ausgebaut und den Stamm der 6500 Kundinnen gepflegt. Darunter 1200 Frauen, welche Mode in Kommission gaben.
50 teure Designertaschen gestohlen
Bald aber habe die Lehrtochter den Fokus des Geschäftes weg von Mode hin zu hochpreisigen Designertaschen und Luxusuhren verschoben. 2021 habe dann deren Freund die Geschäftsführung übernommen. In den Sesseln neben den Umkleidekabinen sei dann oft eine Gruppe von jungen Männern gesessen. Das habe vielen Kundinnen nicht gepasst.
«Der Kauf von Mode ist etwas Intimes. Da brauche ich meine Privatsphäre», sagt eine Stammkundin dem «St. Galler Tagblatt». Das alteingesessene Geschäft habe sich mehr und mehr in einen «dubiosen Basar» verwandelt. Die neuen Betreiber hätten das Lebenswerk von Erika Bruderer innert kürzester Zeit an die Wand gefahren.
Im vergangenen Juli dann «erreicht die Geschichte ihren dramatischen Höhepunkt», wie die Zeitung schreibt. Die Boutique meldet einen Einbruch: Eine unbekannte Täterschaft soll mehr als 50 Taschen gestohlen haben. Ihr Wert: mehrere Zehntausend Franken. In den sozialen Medien haben die Betreiber ein Video der Überwachungskamera gezeigt. Und eine Belohnung von 10'000 Franken ausgerufen. Daran hatte die Polizei gar keine Freude. «Fahndung ist unsere Aufgabe», sagt ein Sprecher der Kantonspolizei St. Gallen.
«Tut mir unheimlich leid für die Kundinnen»
Seit zwei Monaten ist das Geschäft nun geschlossen. Telefonisch ist niemand mehr zu erreichen. An der Türe hängt ein simpler Zettel, der die Passanten informiert. Dutzende Kundinnen wollen ihre Kleider zurück, die sie dem Geschäft übergeben haben, um sie zu verkaufen. Erika Bruderer bekommt noch immer jeden Tag Mails und Anrufe von früheren Kundinnen, die verunsichert sind. Das macht ihr zu schaffen. Obwohl sie eigentlich gar nichts mehr mit dem Laden zu tun hat. «Ich fühle mich hilflos. Es tut mir unheimlich leid für die Kundinnen», sagt sie.