Weltweit ist die Inflation nach dem Schock von 2022 auf dem Rückzug. Die Preise steigen zwar noch immer, aber weniger schnell. In der Schweiz, wo die Teuerung nie das Ausmass erreicht hatte wie in anderen Industrieländern, liess die Entwicklung sogar schon im März eine Zinssenkung durch die SNB zu. Auch in Schweden, Tschechien und Ungarn haben die Währungshüter reagiert.
Die grossen Notenbanken allerdings zögern noch damit, den Fuss von der Bremse zu nehmen, da die Inflationsdynamik unberechenbar bleibt. In den USA verharrt die Teuerungsrate bei über drei Prozent, und angesichts des fast ungebremsten Lohn- und Konsumwachstums sind sogar wieder Zinserhöhungen ein Thema.
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Inflation flackert wieder auf
Auch in der Euro-Zone ist die Inflation zuletzt leicht gestiegen, von 2,4 auf 2,6 Prozent. Die Kerninflation ohne die volatilen Energie- und Lebensmittelpreise beträgt gar 2,9 Prozent.
Trotzdem deutet alles darauf hin, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde am kommenden Donnerstag zum ersten Mal in ihrer Amtszeit eine Zinssenkung verkünden wird.
Ein kleiner Schnitt von 0,25 Prozentpunkten hat sich schon länger abgezeichnet. Lagarde selbst bezeichnete das Szenario bei der letzten Sitzung als «wahrscheinlich», und inzwischen haben verschiedene EZB-Ratsmitglieder die Zinssenkungspläne bestätigt. Auch an den Zinsderivate-Märkten sind die Meinungen längst gemacht.
Löhne sind entscheidend
Die klare Haltung mag auf den ersten Blick überraschen. Nicht nur weil die Inflation gerade wieder anzieht, sondern auch weil das Lohnwachstum immer noch beachtlich ist. Der Tariflohnindex, der auf Basis von Daten aus neun EU-Ländern erhoben wird, zeigt weiterhin nach oben: Demnach sind die Löhne zum Vorjahresquartal 4,5 Prozent gestiegen, nach 4,3 Prozent in der Vorperiode. Die steigenden Löhne heizen vor allem die Inflation im Dienstleistungssektor an.
Mehr zur Konjunktur in Europa
Doch der Tariflohnindex ist durch die wegen der Energiekrise steuerbefreiten Einmalzahlungen in Deutschland verzerrt. Andere Lohn-Indikatoren zeigen denn auch nach unten – in die von der EZB gewünschte Richtung. Daher rechnet die Zentralbank, dass die Inflation bis nächstes Jahr in den Zielbereich von 2 Prozent absinken wird. Und daher scheint eine Zinssenkung nun angebracht.
Noch weit entfernt von einer lockeren Geldpolitik
Laut EZB-Direktionsmitglied und Chefökonom Philip Lane geht es dabei aber nicht um eine Normalisierung der Geldpolitik, sondern um «eine Reduktion des Restriktionsgrades», wie er kürzlich in einem Interview mit der FT erklärte. Das heisst: Die Geldpolitik soll angesichts der weiterhin hohen Inflation weiterhin restriktiv wirken und die Konjunktur und die Preisdynamik bremsen. Die grosse Frage ist dann, wie es nach der ersten Mini-Zinssenkung weitergeht. Der jüngste Anstieg der Inflation ist ein Warnschuss an alle, die eine rasche Normalisierung der Zinsen fordern.
Anders als in den USA, wo auch eine Zinserhöhung nicht mehr ganz auszuschliessen ist, stellen sich die Anleihemärkte in Europa auf weitere Zinsschritte im Herbst ein. Insgesamt sind bis Ende Jahr zwei bis drei Schritte eingepreist, wodurch der massgebliche Einlagesatz Ende Jahr bei 3,25 Prozent zu liegen käme.
Kein Handlungsbedarf für die SNB
Auch das wären immer noch deutlich mehr als im Franken-Geldmarkt. Doch der Abstand würde schrumpfen, wodurch der Druck auf den Franken etwas nachlassen könnte. Seit Anfang Jahr hat sich der Franken zum Euro rund 5 Prozent abgewertet, was auf die Popularität von Zinsdifferenzgeschäften im Währungsbereich zurückzuführen ist.
Die SNB hat ihrerseits bei ihrer nächsten Lagebeurteilung in gut zwei Wochen die Gelegenheit, ins Zinsgeschehen einzugreifen. Angesichts der Inflation von 1,4 Prozent und einem Leitzins, der gemäss SNB gerade etwa konjunkturneutral ist, drängt sich aber vorerst keine weitere Zinssenkung auf.