Der radikale Wirtschaftsreformer Javier Milei (53) hat Argentinien aufgerüttelt. Als neuer Präsident und bekennender Anarcho-Kapitalist schwang er bei Wahlkampfreden gerne einmal die Kettensäge gegen die alte Ordnung – ein Sinnbild für viele seiner radikalen Entscheidungen seitdem.
Milei hat Tausende Staatsangestellte entlassen, Subventionen und Sozialprogramme in Argentinien gekürzt und ist noch lange nicht fertig. Die Folge: Unruhen und Streiks im ganzen Land. Doch wie tief kann das Land noch fallen? Bereits zu Mileis Wahl war Argentinien wirtschaftlich am Boden. Blick zeigt dir die Punkte, die sich seit dem gewandelt haben.
Erster Überschuss im Staatshaushalt
Im April konnte Milei punkten: Der ultraliberale Populist verkündete in einer TV-Ansprache einen Überschuss im Staatshaushalt. Es ist der erste in 15 Jahren. Der Präsident will mit seiner Rede zum Volk Hoffnung machen: «Ich möchte allen Argentiniern sagen: Ich verstehe, dass die Lage schwierig ist. Aber wir haben bereits mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt.»
In seiner TV-Ansprache kündigte er das «Ende der Inflationshölle» an. Doch der Erfolg hat seinen Preis: Mileis Sparpolitik sieht massive Einschnitte vor – er hat bereits Tausende Jobs im öffentlichen Sektor gekürzt und Sozialleistungen wie Bildungsprogramme reduziert. Die Kritik wird lauter: Milei konfrontiere viele mit Armut und gefährde die Zukunft des Landes.
Inflation auf einem Jahrzehntehoch
Auch wenn Milei – dank der drastischen Massnahmen notabene – den Staatshaushalt aufpeppen konnte, bleibt die Inflation weiter hoch. Argentinien hat seit Jahren eine der höchsten Teuerungsraten der Welt. Die Inflation beträgt aktuell knapp 300 Prozent. Zum Vergleich: Bei Mileis Amtseintritt lag die Teuerungsrate noch bei 160 Prozent.
Für die Bevölkerung haben sich vor allem die Preise für Mieten, Körperpflegeprodukte und den Transport erheblich gesteigert, schreibt der «Business Insider». Aber auch in anderen Bereichen macht sich die harte Wirtschaftslage spürbar: Menschen in Argentinien essen deutlich weniger Rindfleisch. Dabei ist Argentinien Spitzenreiter im Fleischkonsum. Seit 2023 sank der Pro-Kopf-Konsum um fast 20 Prozent auf 42,6 Kilo. 2007 ass der Argentinier noch gut 70 Kilo Rindfleisch.
Der Peso ist fast wertlos
Die Menschen in Argentinien leiden unter der schwindenden Kaufkraft. Fast täglich steigen die Preise für Konsumgüter. Während eine Tasse Kaffee in Argentinien vor 2 Jahren noch 200 Pesos kostete, muss man heute dafür 3000 Pesos auf den Tisch legen.
Das Geld hat dermassen an Wert verloren, dass Anfang Mai die 10'000-Peso-Note eingeführt werden musste. So viel das auch scheinen mag, umgerechnet beträgt ihr Gegenwert lediglich 10.25 Franken. Eines von Mileis Wahlversprechen war es, den Peso gänzlich abzuschaffen und den US-Dollar als Landeswährung einzuführen. Dieses Versprechen ist wenig realistisch, denn im Parlament steht der Präsident mit seiner Haltung fast alleine da.
Immerhin: Argentinien gehört aktuell zu den Trendreisezielen der Schweiz. Im letzten Jahr hat die Zahl der Argentinien-Buchungen gemäss DER Touristik um rund 15 Prozent zugenommen.
Streiks und Unruhen häufen sich
Die hohe Inflationsrate, die stetige Geldentwertung und die harte Sparpolitik Mileis führten in den vergangenen sechs Monaten zunehmend zu Unmut in der Bevölkerung. Der teils erratische Mann mit der Kettensäge sorgt zudem mit seinem kompromisslosen Stil für Unruhe – vor allem bei der politischen Konkurrenz von linker Seite.
Die Gewerkschaften Argentiniens legen das Land regelmässig mit Streiks lahm. Die Proteste richten sich dabei vor allem gegen die Entlassungen und Kürzungen in den Sozialabgaben. Die grösste Gewerkschaft des Landes, CGT, kämpft dabei «für die Verteidigung der Demokratie, der Arbeitnehmerrechte und einen existenzsichernden Lohn». Milei plant, die Macht der Gewerkschaften, die in Argentinien gross ist, einzuschränken.