Thomas Jordan (60), Präsident der Schweizerischen Nationalbank, hat einen schlechten Lauf. Die Kritik am eher zögerlichen Eingreifen der Nationalbank im Vorfeld des Untergangs der Credit Suisse reisst nicht ab. Die SNB-Spitze ist nach dem Abgang von Andrea Mächler (54) immer noch unterbesetzt. Nun steht am kommenden Donnerstag die nächste geldpolitische Lagebeurteilung ins Haus.
Der Lack des souveränen und prinzipienfesten SNB-Präsidenten Jordan ist angekratzt. Egal, wie die SNB entscheidet, ob sie nochmals einen Zinsschritt macht – es wäre der sechste in Folge seit Juni 2022 – oder darauf verzichtet, es wird Gewinner und Verlierer geben. Nicht überall wird sich die SNB damit Freunde schaffen.
Das spricht für einen Zinsschritt
Die allermeisten Ökonominnen und Ökonomen sind der Meinung, die Nationalbank wird diese Woche den Leitzins von 1,75 auf 2 Prozent anheben. «Thomas Jordan wird auf Nummer sicher gehen und lieber einen Schritt zu viel als einen zu wenig machen», sagt Fredy Hasenmaile (56), Chefökonom bei Raiffeisen Schweiz. Es sei «eine Spur zu früh, um das Zinsinstrument zur Bekämpfung der Inflation beiseitezulegen».
Das sieht auch Felix Brill (43), Anlagechef bei der liechtensteinischen VP Bank so: «Jordan wird nicht mit voller Inbrunst, aber aus vorausschauender Vernunft die Zinsen noch einmal anheben.»
Zwar liegt die Jahresteuerung in der Schweiz bei 1,6 Prozent – und damit im Rahmen der von der Nationalbank angestrebten Preisstablität von Null bis zwei Prozent. Doch der nächste Teuerungsschub steht bevor: Ab ersten Oktober werden die angekündigten Mieterhöhungen wirksam, Wohnen wird teurer. Zudem sind die Preise vieler Lebensmittel auch im August deutlich über zwei Prozent angestiegen.
Die letzte Zinserhöhung
Immerhin: Andere anstehende Preiserhöhungen werden die Teuerung nicht weiter nach oben treiben. Zum Beispiel die ab 1. Januar 2024 erneut stark steigenden Strompreise. Da aber Strom in diesem Jahr noch teurer geworden ist, wirkt sich dieser – etwas weniger starke Anstieg – sogar dämpfend auf die Inflation aus.
«Das dürfte der letzte Schritt in diesem Zinszyklus sein», beruhigt Hasenmaile. Das sehen auch alle anderen Beobachter so. Selbst die beschlossene Mehrwertsteuererhöhung zwecks Finanzierung der AHV oder die steigenden ÖV-Preise werden die Teuerung nicht gross anheizen. «Ab Februar 2024 wird die Teuerung wieder unter zwei Prozent fallen.»
Da die EZB erst letzte Woche den Leitzins ihrerseits angehoben hat, dürfte der Franken gegenüber dem Euro nicht weiter aufwerten. Denn bei einer Erhöhung in der Schweiz bleibt die Zinsdifferenz zwischen Franken und Euro so gross wie bis anhin.
Das spricht gegen einen Zinsschritt
Die Nationalbank ist allerdings immer für eine Überraschung gut. «Einen sehr knappen Entscheid», stellt Nadia Gharbi (37) vom Pictet Wealth Management in Aussicht. Die Ökonomin gibt vor allem zu bedenken, dass die Schweizer Wirtschaft schwächelt, im zweiten Quartal gar nicht mehr gewachsen ist. Trotzdem sei es noch zu früh, den «Sieg im Kampf gegen die Inflation zu verkünden».
Einzig Karsten Junius (55), Chefökonom von Safra Sarasin, schert aus: «Die Schweiz braucht im Moment keine weitere Zinserhöhung.» Die Inflationserwartungen in der Schweiz seien, im Gegensatz zum Euroraum, schon jetzt niedrig. «Der Ruf der Nationalbank als Inflationsbekämpferin hat einen tadellosen Ruf», so Junius und fragt: «Wieso sollte die SNB riskieren, die Schweizer Wirtschaft gerade jetzt weiter abzuschwächen?»
Gewinner und Verlierer
Vor allem die Sparer dürfen sich über die Zinserhöhung freuen. Damit haben die Banken endgültig keine Ausrede mehr, um die Sparzinsen nicht deutlich anzuheben. Auch die Konsumentinnen können sich freuen: Geht der Plan von Jordan auf, sollte die Teuerung bei Lebensmitteln mittelfristig zurückgehen.
Für die Miethaushalte hat der Zinsschritt negative Folgen. Denn der Referenzzinssatz wird weiter ansteigen, vor allem deshalb, weil günstigere Festhypotheken auslaufen – und diese mit teureren Hypotheken ersetzt werden. Besonders ärgern dürften sich Besitzer von Saron-Hypotheken. Für sie würde Wohnen schon ab kommenden Freitag teurer.