«Es ist nicht vorbei damit, wie man in diesem Land Geld macht»
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Cédric Wermuth über CS-Skandal:«Es ist nicht vorbei damit, wie man in diesem Land Geld macht»

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Mega-Leak bei der Credit Suisse
So schlimm ist der neue CS-Skandal wirklich

Neue Woche, neuer Skandal bei der Credit Suisse: Ein Recherche-Netzwerk belastet die Schweizer Grossbank schwer. Die CS soll über Jahre Kriminelle als Kunden akzeptiert haben. Doch wie schlimm ist das Mega-Leak wirklich? Blick beantwortet die drängendsten Fragen.
Publiziert: 21.02.2022 um 11:39 Uhr
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Aktualisiert: 21.02.2022 um 15:47 Uhr
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Die Credit Suisse steht am Pranger.
Foto: keystone-sda.ch
Nicola Imfeld und Lea Hartmann

Khan-Beschattungsaffäre, Greensill-Skandal, Achegos-Skandal, Quarantäne-Verstoss, Abtritt von CS-Präsident António Horta-Osório (58) – und nun schon wieder Ungemach für die Credit Suisse. Unter dem Titel «Suisse Secrets» belastet eine internationale Recherche von 47 Mediengruppen, darunter die «Süddeutsche Zeitung», «New York Times» und der «Guardian», die Schweizer Grossbank.

Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zu «Suisse Secrets»:

Was wird der Credit Suisse vorgeworfen?

Geschäfte mit Kriminellen und Diktatoren: Ein Whistleblower hat der «Süddeutschen Zeitung» Daten von mehr als 18'000 CS-Kunden zugespielt. Diese reichen von den 1940er-Jahren bis ins letzte Jahrzehnt. Die Daten sollen zeigen, dass die Schweizer Grossbank jahrzehntelang Kriminelle und Diktatoren als Kunden akzeptiert habe. Dem Bericht zufolge hatten diese Personen Konten eröffnen beziehungsweise auch dann behalten können, «wenn die Bank längst hätte wissen können, dass sie es mit Straftätern zu tun hat». Der Gesamtwert der Gelder soll sich zwischenzeitlich auf über 100 Milliarden Dollar belaufen haben.

Welche bekannten Personen werden erwähnt?

Zum Beispiel die beiden Söhne des ägyptischen Herrschers Hosni Mubarak (1928–2020). Auch der amtierende jordanische König Abdullah II (60) hatte ein Konto bei der Credit Suisse. Wie auch der armenische Ex-Präsident Armen Sarkissjan (68).

Wie gross sind die Enthüllungen wirklich?

Angenehm sind die Recherchen nicht. Gerade für die CS, die nach zahlreichen Skandalen im abgelaufenen Jahr für 2022 ein «Übergangsjahr» ausgerufen hatte. «Die Enthüllungen bedeuten weitere Negativschlagzeilen – die CS findet so aus der Image-Krise nicht raus», sagt Rechtsexperte Peter V. Kunz (57) von der Universität Bern zu Blick. Doch weil die meisten Geschichten Jahrzehnte zurückliegen und nicht wirklich überraschend sind, hält sich der Schaden in Grenzen. «Da müsste in den kommenden Tagen schon noch mehr kommen, damit es zu einem grossen Problem für die Credit Suisse wird», sagt Kunz. Dass beispielsweise der jordanische König Abdullah II ein Konto bei der Bank hatte, sei nicht überraschend. «Die Vorfälle ab dem Jahr 2000 bedeuten aus Sicht der Geldwäscherei- und Korruptionsprävention, dass die CS ihre Prozesse nicht in den Griff bekommen hatte», sagt Compliance-Expertin Monika Roth (71).

Wie konnte es zum Datenleck kommen?

«Das ist das wirklich grosse Problem für die CS aus dieser Geschichte.», sagt Rechtsexperte Peter V. Kunz. Die Bank müsse sich fragen, wie die Daten von mehr als 18'000 Kundinnen und Kunden geleakt werden konnten. «Das führt zu einem Vertrauensverlust, gerade bei Ausländerinnen und Ausländern, die bei der Credit Suisse sind», meint Kunz. Möglich, dass einige ihre Gelder deswegen abziehen werden. «Weiter dürfte auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma an dieser Frage interessiert sein», glaubt Kunz. Die Finma dürfte seiner Ansicht nach schon bald ein Verfahren zur Bankkundensicherheit bei der CS eröffnen.

Was sind die möglichen Konsequenzen für die CS?

Die Finma befasst sich bereits mit den Enthüllungen, wie am Montag bekannt geworden ist. Neben dem drohenden Finma-Verfahren und dem Vertrauensverlust wegen des Datenlecks bleibt ein Reputationsschaden. «Es braucht nun sehr grosse Anstrengungen auf allen Ebenen, um den Ruf noch zu retten, soweit das möglich ist», meint Compliance-Expertin Monika Roth. Die Anlegerinnen und Anleger haben auf die Enthüllungen reagiert. Die CS-Aktie eröffnete am Montag 1,4 Prozent im Minus. Am Nachmittag rutschte der Aktienkurs gar unter die moralische Schranke von 8 Franken – erstmals seit Frühling 2021. Allerdings sind die Kursverluste nicht nur auf die Enthüllungen, sondern auch auf das Zinsumfeld und die Ukraine-Krise zurückzuführen.

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Was bleibt von der Recherche?

«Ein fader Beigeschmack», sagt Peter V. Kunz. Das Recherche-Konsortium, das auch schon die Panama Papers und Paradise Papers veröffentlicht hatte, konzentrierte sich in diesem Fall erstmals auf eine einzelne Bank. «Bisher wurde immer zu ganzen Branchen oder mehreren Ländern recherchiert. Nun konzentrierte man sich aufgrund einer anonymen Quelle auf eine einzelne Institution. Das birgt die Frage, welche Interessen dahinterstehen», meint Kunz. Haben sich die Medien etwa einspannen lassen? Soweit will Kunz nicht gehen. «Aber es ist zumindest merkwürdig, dass die Recherchen nur die Credit Suisse betreffen», sagt Kunz.

Was sagt die Credit Suisse?

In einer Stellungnahme vom Sonntagabend weist die CS die Vorwürfe und Unterstellungen über «angebliche Geschäftspraktiken der Bank entschieden zurück». Die dargestellten Sachverhalte seien überwiegend historisch bedingt und reichten teilweise bis in die 1940er Jahre zurück. Sie würden auf unvollständigen oder selektiven Informationen beruhen, die aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Die Credit Suisse könne sich aus rechtlichen Gründen nicht zu potenziellen Kundenbeziehungen äussern. Die Bank nehme die Anschuldigung sehr ernst und werde die Untersuchungen mit einer internen Task Force unter Einbeziehung spezialisierter externer Experten fortsetzen.

Die Credit Suisse verfüge über robuste Kontrollen in Bezug auf Datenschutz und die Verhinderung von Datenlecks, um ihre Kundinnen und Kunden zu schützen.

Was passiert jetzt mit dem Whistleblower?

Dazu will die Credit Suisse nichts sagen. Auch darüber, ob die Person der Bank bereits bekannt ist, schweigt sich die CS aus. Das Datenleck nehme man sehr ernst.

Weshalb waren keine Schweizer Medien an den Recherchen beteiligt?

Im Gegensatz zu früheren Datenleaks waren dieses Mal keine Schweizer Journalistinnen und Journalisten Teil des Recherchekollektivs – obwohl dieses Mal eine Schweizer Bank im Fokus steht. Man habe auf eine Teilnahme verzichten müssen, schreibt die Redaktion von Tamedia. Grund dafür sind die Schweizer Gesetze. Denn: Journalisten machen sich hierzulande strafbar, wenn sie Daten veröffentlichen, an die jemand anderes durch Verletzung des Bankgeheimnisses gekommen ist. Der entsprechende Gesetzesartikel ist seit 2015 in Kraft. Im Falle einer Verurteilung drohten bis drei Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

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Wie reagiert die Politik auf die Enthüllungen?

Unmittelbar die heftigsten Reaktionen löste nicht die Enthüllung an sich aus, sondern der oben erwähnte «Maulkorb-Artikel». Der Artikel verbiete Medien, Steuerkriminalität aufzudecken, ärgert sich SP-Nationalrätin Samira Marti (28) auf Twitter. «Das muss sich ändern.» Die SP werde in der kommenden Woche beginnenden Frühlingssession im Parlament einen Vorstoss lancieren, kündigt sie an. Bereits aktiv geworden ist Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (59): Sie will, dass die Wirtschaftskommission des Nationalrats tätig wird, und hat einen entsprechenden Antrag eingereicht. Die Linken wollen zudem, dass Banken bei Verstössen härter sanktioniert werden. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma soll unter anderem auch Bussen aussprechen können, fordert ein vor wenigen Monaten eingereichter Vorstoss von SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (63). Mitunterzeichnet haben ihn auch GLP-Vertreter und Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59).

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