Auf einen Blick
- US-Behörde: Grippemittel-Wirkstoff Phenylephrin unwirksam bei oraler Einnahme
- Phenylephrin in vielen bekannten Grippepräparaten enthalten, Wirksamkeit seit 90er-Jahren umstritten
- Nur ein Bruchteil des Wirkstoffs findet den Weg in die Nase
Die Schweiz schnuddert und hustet. Pfnüsel und Grippe haben die Nation erfasst. Vielen bleibt da nur noch der Gang zur Apotheke – und der Griff zum Grippemittel. Die sind derzeit der Renner, ein Kassenschlager für die Pharmakonzerne. Die Nachfrage ist gerade so gross, dass gewisse Produkte gar nicht mehr erhältlich sind. Ausgerechnet in der Hochsaison solcher Grippemedikamente kommt aus den USA die Meldung, dass ein wichtiger Wirkstoff unwirksam ist.
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat Phenylephrin unter die Lupe genommen. Und kommt zu dem Schluss, dass der Wirkstoff Phenylephrin, der Schleimhäute zum Abschwellen bringen soll, nicht besser wirkt als ein Placebo. Und zwar, wenn er in einer Flüssigkeit oder als Tablette geschluckt wird, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet. Die meisten nicht verschreibungspflichtigen Grippepräparate enthalten Phenylephrin. Darunter auch bekannte Produkte wie Neocitran, Flumol oder Neotylol, die praktisch in jeder Hausapotheke stehen.
Findet den Weg in die Nase nicht
Oral eingenommenes Phenylephrin soll nicht mehr als nasales Abschwellmittel verwendet werden, sagt die leitende Ärztin zur Untersuchung. Der Grund: Nur ein Bruchteil des Wirkstoffes findet überhaupt den Weg in die Nase, wenn man das Präparat schluckt. Noch bis Ende Mai können sich Pharmafirmen zu den Ergebnissen der Studie äussern. Dann dürften sie gezwungen sein, den Wirkstoff aus den Grippemedikamenten zu entfernen.
Bedenken an der Wirksamkeit von Phenylephrin gibt es seit den 90er-Jahren. Damals hat der Wirkstoff das Abschwellmittel Pseudoephedrin ersetzt. Dieses hatte Nebenwirkungen und kann auch zur Herstellung von Crystal Meth eingesetzt werden. Pharmazieprofessor Leslie Hendeles von der University of Florida betont denn auch seit Jahren: «Wenn Sie eine verstopfte Nase haben und den Wirkstoff Phenylephrin einnehmen, werden Sie immer noch eine verstopfte Nase haben.»
«Es geht nur um fehlende Wirksamkeit»
Dass Phenylephrin nicht wirkt, ist Wasser auf die Mühlen von Experten, welche die Einnahme von Kombinationspräparaten kritisieren. Oft ist es nämlich nur das Paracetamol, das fiebersenkend wirkt und Schmerzen lindert. Andere Wirkstoffe nimmt man zwar zu sich, sie bleiben aber ohne Nutzen. Mit der Anzahl der Substanzen, die man gleichzeitig schluckt, steigt zudem die Häufigkeit von unerwünschten Wirkungen überproportional an. Wechselwirkungen können eigentlich positive Effekte verringern.
Die Schweizer Arzneimittelkontrollbehörde Swissmedic will nun abwarten, bis das Verfahren in den USA abgeschlossen ist. Und erst dann entscheiden, ob man Massnahmen ergreife. Sie betont, dass es im FDA-Verfahren «nur um ungenügende respektive fehlende Wirksamkeit und nicht um Sicherheitsbedenken geht». Produkte, die Phenylephrin enthalten, seien in der Schweiz nur in Drogerien und Apotheken erhältlich. «So können Kundinnen und Kunden direkt auf mögliche Alternativen angesprochen werden.»