Mit dem Schweizer Franken verhält es sich wie mit einer Mokkatasse. Es braucht nicht viel, bis sie überquillt. Der Franken hat im Vergleich zu Dollar und Euro ein derart kleines Volumen, dass Investitionen in die hiesige Währung den Wechselkurs schnell aus dem Gleichgewicht bringen. «Mokkatassen-Effekt» nennen Ökonomen dieses Phänomen. Und es spielt derzeit stark: Weniger als 1.04 Franken kostet der Euro aktuell. Vor Wochenfrist waren es immerhin noch 1.05 Franken.
Und die Talfahrt des Euro geht weiter. Herrscht bald Parität, sind Euro und Franken also künftig gleich viel wert? «Die Frage ist nicht, ob die Parität kommt, sondern nur wann», sagt der renommierte Ökonom Jan-Egbert Sturm (52), Leiter der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Heute scheint die nahende Parität fast schon normal. Doch ein Blick in die Vergangenheit rüttelt wach: Bei seiner Einführung vor 20 Jahren kostete 1 Euro noch mehr als 1.50 Franken!
«Mir erscheint der Wechselkurs fair»
Das hängt mit vielen Faktoren zusammen, besonders aber mit der Inflation. Sie beträgt hierzulande rund 1,5 Prozent. Im Euroraum sind es 5 Prozent, in den USA gar 7 Prozent. Diese Inflationsdifferenz stärkt den Schweizer Franken im Vergleich zu Euro und Dollar.
Ein Ende ist nicht in Sicht. «Solange die Inflation in der Schweiz tiefer liegt als im Ausland, geht die Aufwertung des Schweizer Frankens tendenziell weiter», erklärt Sturm. Grund zur Sorge? Nein, findet der Ökonom. «Mir scheint der aktuelle Wechselkurs einigermassen fair. Schliesslich kann die Schweizer Wirtschaft seit Jahren gut damit umgehen.» Wenn die Aufwertung aber zu schnell und zu kräftig vonstatten geht, dann drohen Probleme, warnt Sturm.
Euro dereinst weniger wert als Franken
Das bekommt die exportorientierte Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie besonders kräftig zu spüren. «Parität wäre gefährlich», gibt Ivo Zimmermann vom Verband Swissmem zu bedenken. Die Mehrheit der Unternehmen hat zwar gelernt, mit dem aktuell starken Franken umgehen. «Aber das schlägt direkt auf die Margen durch», warnt Zimmermann.
Besonders KMU, die in der Schweiz produzieren, ihre Produkte aber mehrheitlich in der EU verkaufen, haben zu kämpfen. Allerdings ist der Franken nur einer von vielen Stolpersteinen. «Die Lieferengpässe und die steigenden Rohstoffpreise sind ähnlich belastende Probleme», sagt Branchenvertreter Zimmermann.
Die Parität zwischen Euro und Franken ist dabei noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. «Es ist durchaus denkbar, dass der Euro dereinst weniger wert ist als der Franken», prognostiziert Ökonom Sturm.
Wann genau es so weit sein könnte? Das mag er nicht vorherzusagen. «Im Frühling dürfte die Inflation nachlassen», schätzt Sturm. Allerdings: Sie wird nicht nur im Ausland zurückgehen, sondern auch in der Schweiz. Eine Differenz bleibt also. Und die Schweizer Mokkatasse läuft weiter über.