BLICK: Herr Vranckx, Sie haben die Swiss am 1. Januar übernommen – mitten in der Corona-Krise. Wie war Ihr erster Tag?
Dieter Vranckx: Speziell, denn es hatte fast keine Mitarbeitenden im Büro. Also habe ich sie in Videokonferenzen kennengelernt. Es waren über 50 Konferenzen in den ersten fünf Wochen. Aber auch so habe ich mich gefreut, wieder zu Swiss und nach Hause zu kommen, zurück in die Schweiz.
Sie haben 20 Jahre lang im In- und Ausland für die Swiss gearbeitet. Trotzdem kennt man Sie in der Schweiz nicht. Herr Vranckx, wer sind Sie?
Ein Familienmensch, der offen und direkt ist. Meine Frau ist Schweizerin, wir haben uns bei der Swissair kennengelernt. Unser Lebensmittelpunkt ist Zürich. Deshalb habe ich nicht nur den belgischen, sondern seit sieben Jahren auch den Schweizer Pass.
Jetzt müssen Sie eine Krise meistern, die es in sich hat. Die Swiss machte 2020 einen Verlust von 654 Millionen Franken. Der Umsatz sank um 65 Prozent. An der Jahreskonferenz vor zwei Wochen sagten Sie: «Wir müssen agiler und schlanker werden.» Was bedeutet das?
Ich habe zwei Aufgaben. Die erste lautet Krisenbewältigung. Die zweite besteht darin, die Swiss für die Zeit nach der Krise richtig aufzustellen. Die Nachfrage wird kleiner sein. Es wird auch langfristig weniger Geschäftsreiseverkehr geben. Deshalb müssen wir uns fragen: Welches ist die richtige Grösse?
Eine Frage, die Ihre 9000 Angestellten sehr interessiert. Wie viele Arbeitsplätze werden Sie abbauen?
Bis Ende 2020 haben wir von den 1000 angekündigten Stellen bereits 500 abgebaut. Wie viele Stellen wir allenfalls zusätzlich abbauen müssen, kann ich erst im zweiten Quartal beantworten. Wir sind jetzt mitten in der Analyse.
Was gibt Ihnen der Mutterkonzern Lufthansa vor?
Wir stimmen uns zwar mit unserer Muttergesellschaft ab, entscheiden aber hier in Zürich.
Auch die Lufthansa ist in der Krise. Sie könnte gewillt sein, sich selber auf Kosten der Swiss zu stärken.
Für Lufthansa ist eine erfolgreiche und profitable Swiss wichtig. Wenn wir in diese Richtung planen, ist das auch für die Lufthansa gut.
Die Swiss hat vom Staat eine Kreditgarantie über 1,5 Milliarden Franken erhalten. Reicht das?
Stand heute reicht das. Wir überwachen unsere Liquidität täglich. Die Flüge, die wir aktuell durchführen, sind profitabel. Zudem ist das Frachtgeschäft viel wichtiger geworden.
Mitten in der grössten Krise hat sich die Swiss-Führung üppige Boni ausbezahlt. Wie kann man so unsensibel sein?
Das war vor meiner Zeit und betraf das Jahr 2019. Ich fokussiere darauf, was jetzt gemacht wird. Die gesamte Geschäftsleitung erhält seit 2020 bis auf weiteres 30 bis 40 Prozent weniger Salär. Ausserdem haben wir ein Fünftel der Stellen im oberen Management abgebaut.
Wie wird der Sommer für das Fluggeschäft?
Wir erwarten bis zu 65 Prozent Kapazität im Vergleich zu Vor-Corona. Für uns ist wichtig, dass sich die Rahmenbedingungen nicht ständig ändern. Zentral sind natürlich Testen und Impfen.
Was planen Sie da?
Die Swiss wird ab Mitte April auf der Route Zürich–London den digitalen Travel Pass des Aviatik-Branchenverbands IATA testen. Auf diesem sind negative Testresultate und Impfbestätigungen unter Einhaltung des Datenschutzes gespeichert.
Was bringt das für die Passagiere?
Mit dem IATA Travel Pass oder auch dem Green Pass der EU kann schon vor dem Abflug überprüft werden, ob die Anforderungen für die Einreise erfüllt sind. Idealerweise wird ein Pass zumindest europaweit akzeptiert.
Was halten Sie von einer Impfpflicht für Flugpassagiere?
Eine Impfpflicht wird von der Zieldestination vorgegeben. Wir möchten Fairness: Es gibt viele Schweizer, die sich jetzt impfen lassen wollen, aber keine Möglichkeit dazu haben. Deshalb müssen auch Nichtgeimpfte fliegen können. Darum ist Testen so wichtig.
Wenn ich mit dem Zug von Berlin in die Schweiz reise, muss ich keinen Test machen. Fühlen Sie sich unfair behandelt?
Es stimmt, dass es nicht die gleichen Regeln sind. Aber wir konzentrieren uns auf die Flugbranche. Und hier fordern wir einheitliche Regeln in Europa. Der Zug ist für uns ein Systempartner.
Auch beim Nachtzugnetz, das jetzt in Europa wieder aufgebaut wird?
Mit Blick auf den CO2-Fussabdruck streben wir eine Partnerschaft mit der Bahn an. Der Kunde soll auf der gleichen Plattform zum Beispiel eine Hinfahrt mit dem Nachtzug und einen Rückflug mit dem Flugzeug buchen können.
Apropos CO2: Wäre es nicht besser, wenn wir künftig alle weniger fliegen würden?
Das Verlangen zu fliegen ist ungebrochen und hat sich nun aufgestaut. Generell passen wir uns der Nachfrage an.
Was tut die Swiss, um umweltfreundlicher zu fliegen?
Wir haben innert zehn Jahren acht Milliarden Franken in moderne, effiziente Flugzeuge investiert. Zudem kooperieren wir mit den Schweizer Unternehmen Synhelion und Climeworks zur Herstellung von CO2-neutralem Treibstoff.
Unterstützt die Swiss das CO2-Gesetz, über das im Juni abgestimmt wird?
Die Swiss nimmt den Klimaschutz ernst und findet es richtig, dass das Stimmvolk über diese wichtige Frage abstimmen kann. Entscheidend ist, dass allfällige Abgaben des Luftverkehrs für die Reduktion von CO2 in der Airline-Branche verwendet werden.
Wie sieht das Netz der Swiss nach Corona aus?
Wir binden die Schweiz weiterhin an die wichtigen Metropolen der Welt an. Das Netz wird sehr ähnlich aussehen wie vor der Pandemie. Aber wir werden nicht mehr alle Destinationen gleich häufig anfliegen.
Werden die Flugpreise steigen?
Die Swiss wird die Preise kurzfristig nicht erhöhen. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Preise mittel- und langfristig wieder steigen werden, wenn auch die Nachfrage sukzessive wieder zurückkommt.
Kommen die Snacks nach Corona wieder zurück?
Wir führen in der Economy-Klasse gerade ein neues Konzept auf Europastrecken ein: Die Kunden können frisches und nachhaltig verpacktes Essen an Bord kaufen.
Wie bei einer Billig-Airline.
Nein, unser Essen von Sprüngli und weiteren Schweizer Unternehmen ist sehr hochwertig und hat einen regionalen Bezug.
Der belgisch-schweizerische Doppelbürger Dieter Vranckx (47) ist seit Anfang Jahr der neue Chef im Swiss-Cockpit. Er ist seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Lufthansa-Gruppe tätig, 13 Jahre lang für die Swiss. Zuletzt stand er an der Konzernspitze des Tochterunternehmens Brussels Airlines, für das er ursprünglich als CFO fungierte. Dieter Vranckx lebt im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Der belgisch-schweizerische Doppelbürger Dieter Vranckx (47) ist seit Anfang Jahr der neue Chef im Swiss-Cockpit. Er ist seit mehr als 20 Jahren in verschiedenen Funktionen für die Lufthansa-Gruppe tätig, 13 Jahre lang für die Swiss. Zuletzt stand er an der Konzernspitze des Tochterunternehmens Brussels Airlines, für das er ursprünglich als CFO fungierte. Dieter Vranckx lebt im Kanton Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.