In der dunkelsten Stunde der Finanzkrise kamen die Katari zu ihrem grossen Auftritt: Sie kauften sich mit Milliarden bei der Credit Suisse ein, dem prestigeträchtigsten Unternehmen der Schweiz. Die Escher-Bank war sich im Herbst 2008 zu fein, die angebotenen Bundesgelder zu nehmen, und bevorzugte stattdessen eine Finanzspritze der steinreichen Golf-Monarchie. Ein Vertreter des katarischen Herrscherhauses Al Thani zog in ihren Verwaltungsrat ein, zeitweilig kontrollierten die Katari einen Sechstel der CS und liessen sich die Nothilfe mit Zinsen knapp unter der Wuchergrenze vergolden.
Auch touristisch brachten die Katari Schweizer Perlen in ihre Obhut. Der Bürgenstock, der Schweizerhof in Bern und das Royal Savoy in Lausanne krönen ihre exklusive Sammlung an Luxushäusern. Der frühere Emir persönlich möbelte das Hotel Atlantis in Zürich für 240 Millionen Franken auf, auch die Villa Honegg in Ennetbürgen NW befindet sich in katarischer Hand.
Katari sind nicht auf die Schweiz angewiesen
Heute ist der Honeymoon zwischen Wüstenstaat und Alpenrepublik beendet. Man pflegt die Beziehungen, von Sturm und Drang ist aber nichts mehr zu spüren. Kein Al Thani steuert mehr die Geschicke der CS, der alte Emir lässt das Atlantis verrotten.
Der katarische Markt sei äusserst umkämpft und von wenigen Firmen und Familien dominiert, schreibt die Exportförderorganisation Swiss Global Enterprise in ihren Business-Tipps an Katar-Einsteiger. Als Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen hätten die Katari den Luxus, weltweit aus Angeboten wählen zu können.
Franzosen locken die Scheichs mit Spezialgesetzen
Genau das ist passiert. Bei der Jagd nach den Gas-Milliarden waren andere Länder schneller und skrupelloser. Von den 300 Milliarden Dollar, die der Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) verteilte, landete nur ein Bruchteil in der Schweiz.
Die Franzosen erklärten die Katari zum strategischen Partner, schufen Spezialgesetze, die den Gewinnabfluss in den Wüstenstaat erleichtern, und profitieren im Gegenzug von grosszügigen Investments in ihren veralteten Industriepark. Der Fussballclub Paris Saint-Germain, das neue Lieblingsspielzeug des heutigen Emirs Tamim bin Hamad al-Thani (41), erhielten die Katari quasi als Sahnehäubchen obendrauf. In Deutschland besitzt Katar 17 Prozent an Volkswagen. In London ist der Finanz- und Immobiliensektor durchsetzt von katarischem Geld.
Auch vom gigantischen Aufrüsten für die Fussball-WM – 220 Milliarden Franken sollen bis in einem Jahr dafür verbaut sein – fallen nur Brosamen für Schweizer Unternehmen ab. Mit einer brisanten Ausnahme: Die Flugabwehrkanonen für die Sicherung der Stadien liefert die Schweizer Tochter des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, wie Blick im vergangenen Sommer aufdeckte.
Arbeiter schuften unter menschenverachtenden Bedingungen
Der Fall sorgte weltweit für Schlagzeilen und zeigt, wie heikel Geschäfte mit den Katari sind. Deren Nähe zu den Muslimbrüdern und der Verdacht, direkt oder indirekt Terror zu finanzieren, machen Deals zu Hochrisikogeschäften. Das Zerwürfnis zwischen Katar und den Saudis gefährdet zudem die Beziehungen mit anderen, nicht weniger potenten Ländern in der Region. Auch die nach wie vor menschenverachtenden Bedingungen, unter denen die über zwei Millionen Arbeitsmigranten in Katar ihr Leben fristen, sind ein Reputationsrisiko.
Der Rückzug in die zweite Reihe liegt deshalb durchaus auch im Interesse der Schweiz. Abseits des Scheinwerferlichts laufen die Geschäfte munter weiter. Erst Ende Oktober unterzeichneten sowohl die CS als auch die UBS Grundsatzabkommen mit den katarischen Behörden, die ihnen den Zugang zum boomenden Finanzzentrum Doha sichern. Berichtet hat niemand darüber – was die Banken sicher nicht stören dürfte.