Das Gotti-Meitli von Corey Leuenberger (51) und seiner Partnerin hat vier Hufe und macht Muh. Bianca (2) ist kein Kind, sondern eine Kuh der Rasse Braunvieh. Sie wird am Tägernhof in Forch ZH zu einer Milchkuh grossgezogen. Vor zwei Jahren besiegelte die Partnerin von Leuenberger die Patenschaft von Bianca mit der obligatorischen Muhkunde.
Gleichzeitig sicherte sie sich Exklusivrechte: Sie durfte den Namen wählen, den «Shoppen» reichen und eine Beziehung zu Bianca aufbauen. Die Kuh bereitet dem Paar Freude, denn sie wohnen in direkter Nachbarschaft zur Weide. Leuenberger sagt: «Sie reagiert auf Zuruf, zumindest wenn das Weiden oder Wiederkäuen nicht gerade wichtiger ist.»
Für Leuenberger und seine Partnerin hat sich die Patenschaft gelohnt, sie holt sie aus dem Alltag heraus in die Natur – für den Bauern lohnt es sich auch. Denn einfach nur mit streicheln und zusehen, wie Bianca heranwächst, ist es nicht getan. «Es war schnell klar, dass die regelmässige Mitarbeit auf dem Bauernhof dazugehört», meint Leuenberger. Nur so konnte das Paar auch eine Bindung zu Bianca aufbauen.
Verständnis gegenüber Landwirtschaft fördern
Bianca ist nicht die einzige Kuh, die einen Götti oder ein Gotti hat. Auch im Wallis wurden im letzten Jahr bei dem Projekt «Edelalp» 60 Patenschaften für 100 Eringerkühe abgeschlossen, wie der «Walliser Bote» berichtet. Kostenpunkt: 275 Franken für eine Kuh. Im Gegenzug dürfen Gottis und Göttis gratis an die Veranstaltungen der Alpe Rotigen und ihre Kühe im Turtmanntal VS besuchen.
Das Projekt hat zum Ziel, die Alpwirtschaft finanziell zu unterstützen und den Tourismus in der Gegend zu fördern, so ein Involvierter gegenüber der Zeitung. Zudem soll es das Verständnis von Traditionen und Bräuchen der Alpsaison fördern, die letztes Jahr von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt wurde.
Patenschaften sind keine Seltenheit
Immer häufiger entdecken die Schweizer Bauern die Unterstützungsmöglichkeit in Form von Tierpatenschaften für sich. Auf dem Direktvermarktungsportal «Vom Hof» sind aktuell 26 Betriebe registriert, die Tierpatenschaften anbieten.
Neben dem Einblick in den bäuerlichen Alltag für die Besucher und die Förderung von Verständnis und Sympathie sieht der schweizerische Bauernverband (SBV) auch Marktvorteile in einer Patenschaft. «Der Betrieb hat so einen direkten Kundenkontakt und die Möglichkeit, weitere hofeigene Dienstleistungen und Produkte zu promoten», sagt Mirjam Hofstetter, Sprecherin des SBV.
Aber sie bergen auch Nachteile. «Patenschaften sind zeitaufwendig», so Hofstetter. Die Bauernfamilie muss das Angebot bewerben und dazu bereit sein, Patinnen und Paten regelmässig Tür und Tor zu öffnen und sich Zeit für den Besuch zu nehmen.
Spezialangebote inklusive
Hinter diesen Hoftüren befinden sich teilweise sehr bunte Tierwelten. Auf den Websites tummeln sich Patenschaftangebote für Wildbienen und Kaninchen bis hin zu Pferden und schottischen Hochlandrindern.
Es gibt aber auch speziellere Angebote: Der Hof Outremont in St. Ursanne JU bietet Patenschaften für Schlachttiere an. Der Sinn dahinter: Eins bis zwei Jahre lang unterstützen die Gottis und Göttis den Unterhalt des Tieres und begleiten das Leben der Grauvieh-Rinder und Wollschweine. Der Hof kann mit dem Geld eine gesunde und nachhaltige Tierzucht finanzieren und den Menschen ihre Arbeit näherbringen.
Am Ende berechtigt die Patenschaft den Götti und das Gotti dazu, einen Anteil vom Tier in Form von Fleisch zu erhalten. Auf die Frage, ob Leuenberger seine Bianca essen könnte, meint er: «Wenn ich es wissen würde, könnte ich das nicht. Obwohl ich Fleischesser bin.»