Kein Migros-Regionalfürst, sondern Preisritter Mario Irminger (57) hat sich die Krone beim grössten privaten Arbeitgeber der Schweiz geschnappt. Die Verwaltung des Migros-Genossenschafts-Bunds (MGB) machte den damaligen Denner-CEO Anfang Februar 2023 zum Präsidenten der Generaldirektion MGB. Ein Ritterschlag für den Toggenburger mit dem schelmischen Lächeln. Aber keine Überraschung: Hatte Irminger doch von Beginn an die besten Karten für die Nachfolge von Fabrice Zumbrunnen (53), der dem orangen Imperium nun den Rücken gekehrt hat. Der Detailhandelsprofi Irminger hat (fast) alles, was es für den Migros-Chefposten braucht.
Der Heimlifeiss
Was für ein Spitzbub! Er liebe seinen Job bei Denner und sei glücklich, sagte Mario Irminger noch im Dezember 2022 zum SonntagsBlick auf die Frage, ob er bald den Chefposten abgebe. Ausserdem wolle er den Grossumbau seiner Denner-Filialen in den kommenden Jahren noch begleiten. Sicher wusste er schon zu dem Zeitpunkt um seine Favoritenrolle am Migros-Hauptsitz. Sein Pokerface, Schalk und das Wissen, wann er etwas sagen sollte und wann er besser schweigt, haben beim internen Geschacher mit den Regionalfürsten und der Verwaltung am Zürcher Limmatplatz sehr geholfen. Nicht umsonst lobt die Migros seine «initiative Persönlichkeit und hohe Zielorientierung», seine «zusätzlichen Impulse können die ganze Migros-Gruppe weiter vorwärtsbringen», heisst es.
Der Markenschreck
Während seiner zwölf Jahre an der Denner-Spitze lehrte er margenverwöhnten internationalen Markenkonzernen das Fürchten. Ambitioniert und experimentierfreudig setzte Irminger auf Parallelimporte. Sein grösster Coup war Coca-Cola aus Tschechien. Von der Presse gefeiert, vom SonntagsBlick als «Cola-Krieger» betitelt, bewirkte er mit seinen Graumarktimporten, dass Coca-Cola Schweiz die Preise senken musste. Auch Nespresso rang er im Kapselstreit einen Sieg ab. «Wir haben bewiesen, dass wir vor mächtigen Konzernen nicht in die Knie gehen», jubelte er im Blick. Die Richter gaben ihm recht, dass die Denner-Kapseln die Rechte der Nestlé-Tochter nicht verletzten. Heute wissen die Markenhersteller mehr denn je, dass mit dem Schweizer Discountkönig nicht zu spassen ist, was Irminger beim Aufbau der neuen Supermarkt AG des orangen Riesen zugutekommt. Hier hilft auch, dass Irminger einer der wenigen im Konzern ist, der noch Dutti-DNA im Blut hat.
Der Preisbrecher
Unter Irmingers Führung erwachte die Angriffslust Denners wieder. Seine Preiskriege gegen die Markenhersteller hatten einen grossen Werbeeffekt. Er schaffte es, das Image als «Bad Boy des Detailhandels» wiederzubeleben. Irminger konterte die Angriffe der deutschen Discounter Aldi und Lidl, «baute die führende Stellung Denners in der Schweizer Discountlandschaft aus», wie ihm Ursula Nold (54), Präsidentin der Migros-Verwaltung, attestierte. Während Denner wuchs, verlor Migros Marktanteile. Zahlenprofi Irminger kann das Kerngeschäft des Konzerns fit trimmen, seine Erfahrungen früherer Tätigkeiten beim Wirtschaftsprüfer Ernst & Young und als Finanzchef von Heineken Schweiz dabei voll ausspielen.
Der Bodenständige
Er trinkt keinen Champagner, lieber ein schönes Glas Rotwein. Er raucht keine dicken Zigarren, sondern strampelt mit dem Stromer-E-Bike von seiner Mietwohnung ausserhalb der Stadt ins Büro nach Zürich. Die Ruhe der Berge hat es dem Wandervogel angetan, da tankt er Kraft für die hitzigen Gefechte in der Branche. Ein Ex-Chef beschreibt ihn als «unheimlich clever und unaufgeregt». Selbst Konkurrenten zollen ihm Respekt. Schon wenige Jahre nach seinem Antritt bei Denner schien es im Migros-Universum für viele nur eine Frage der Zeit, bis er in die Fussstapfen des Migros-Bosses treten würde. Das hat er jetzt geschafft.
Der Strippenzieher
Als Discountchef bewege sich Irminger ausgezeichnet auf dem Migros-Parkett, hiess es am Migros-Hauptsitz schon vor zehn Jahren. Er diskutiere dank seiner Leistung auf Augenhöhe mit seinen Vorgesetzten. Irminger hat gemäss einem Detailhandelskenner «Effizienzgedanken im Erbgut», es werde krachen bei den regionalen Genossenschaften. Denner wurde sehr standardisiert geführt, seine Ernennung sei ein Anzeichen dafür, wie es bei Migros in Zukunft weitergehen wird. Hier spreche für Irminger, dass er keiner der Regionalfürsten sei und einen gewissen Abstand zu deren Geschäften habe. Das glaubt auch Detailhandelsexperte Gotthard F. Wangler (75): «Sein Alter ist zudem ideal.» Nun habe Irminger aber bald mehrere Hüte auf, «und nicht mehr einzig der Preis spielt eine Rolle». Aber das weiss Irminger, der auf sein langjähriges Netzwerk im Migros-Konzern zählen kann. Das hilft auch, weil Irminger keine Macher-Qualitäten punkto Technologisierung hat. Selfcheckout-Automaten, Handscanner, oder einen eigenen Lieferdienst für Discount-Produkte kamen unter seiner Ägide nicht zum Einsatz bei Denner. Immerhin ziehen mit dem Umbau der Discountfilialen nun endlich digitale Preisschilder in die Filialen ein.