Enna Pariset ist eine aussergewöhnliche Frau. Das liegt zum einen an ihrem Job: Als eine der wenigen Frauen leitet die Schweizerin eine Bank – die Schweizer Tochter der BNP Paribas. Zum anderen liegt es an ihrem Wesen: Neben ihrem Temperament wirkt selbst der Tessiner Sergio Ermotti wie ein bedächtiger Berner.
Noch ungewöhnlicher ist, was die 53-Jährige mit dem Schweiz-Ableger der grössten Bank der Euro-Zone vorhat. Die BNP Paribas ist zwar seit 1872 in der Schweiz tätig und war einst sogar an der Finanzierung des Gotthardtunnels beteiligt. Dennoch hatte die Bank viele Jahre vergleichsweise wenig Berührungspunkte mit dem Schweizer Markt. Das will Pariset grundlegend ändern. «Wir sind keine französische, wir sind eine Schweizer Bank», sagt sie, «und wir sind Teil einer globalen Gruppe.»
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Angriff im Schweizer Private Banking
Pariset will dabei nicht nur im Firmenkundengeschäft – der traditionellen Stärke der BNP Paribas – sondern auch im Private Banking angreifen. «Mein Ziel ist, dass das Schweizer Marktsegment in unserem Wealth Management so stark wächst, dass es zum grössten Ertragsbringer wird.»
Derzeit verwaltet die Schweizer Bank des französischen Finanzriesen 27 Milliarden Franken Kundenvermögen. Von Schweizer Kundinnen und Kunden stammen rund 10 Milliarden. Der Rest kommt aus dem klassischen Offshore-Geschäft von Auslandskundschaft, etwa aus dem Nahen Osten, Deutschland, Frankreich und Italien.
Die meisten ausländischen Player im Wealth Management fokussieren dagegen primär auf ausländische Kundschaft. Die deutsche DZ Bank zum Beispiel setzt mit ihrer Schweizer Bank fast nur auf deutsche Kundinnen und Kunden. Den Schweizer Markt überlässt die DZ den heimischen Playern.
Pariset sieht das ganz anders: Gerade im Verbund mit dem eigenen Firmenkundengeschäft erkennt sie Wachstumschancen im Schweizer Markt. Als Zielgruppe hat BNP Paribas Topmanagerinnen und Topmanager sowie Firmeninhaber im Visier. «Ich bin davon überzeugt, dass das Geschäftsmodell jener Banken mehr und mehr unter Druck kommen wird, die nur Vermögensverwaltung anbieten», sagt die BNP-Paribas-Bankerin.
1300 Mitarbeitende in der Schweiz
Um ihre Ambitionen im Schweizer Private Banking umzusetzen, holte Pariset Verstärkung von der UBS: Beat Bachmann, der seit August 2022 das Schweizer Wealth Management der BNP Paribas leitet. Insgesamt arbeiten 260 Menschen in der Sparte.
Bei der Abwerbe-Bonanza von CS-Leuten hat Pariset indes nicht mitgemacht. Sie halte nichts davon, ganze Teams abzuwerben, sagt sie. Denn das berge das Risiko, die eigene Firmenkultur zu verwässern. Insgesamt wechselten zwölf CSler zur BNP Paribas Schweiz.
Pariset leitet den Schweiz-Ableger der französischen Grossbank seit Juli 2023. Über alle Bereiche beschäftigt die Bank hierzulande 1300 Menschen. Der Mutterkonzern ist mit einer Bilanzsumme 2,7 Billionen Euro die gewichtigste Bank der Euro-Zone. BNP Paribas beschäftigt 183’000 Menschen und ist in 63 Ländern aktiv.
Pariset ist gelernte Investmentbankerin und hat den Grossteil ihrer Karriere bei dem französischen Finanzriesen verbracht. Nach einem MBA an der Lehigh University im US-Staat Pennsylvania heuerte sie 1994 bei der Weltbank an. Drei Jahre später wechselte sie zu JP Morgan ins Investmentbanking. 2004 begann sie ihre Karriere bei der BNP Paribas in London und war unter anderem für das Investmentbanking im Bereich Rohstoffe und Metalle verantwortlich.
In der Schweiz zählte die Finanzierung des Rohstoffhandels lange zu den Stärken der französischen Grossbank. Bis zum Jahr 2014. Dann verdonnerte die USA die BNP Paribas zu einer Rekordbusse von 8,9 Milliarden Dollar. Der Grund: Die französische Grossbank habe mit Geschäften mit Ländern wie Iran und dem Sudan gegen US-Sanktionen verstossen. Mitten drin: der Genfer Ableger der Grossbank, der auch von der Finma einen Rüffel bekam.
Schleifspuren in der Bilanz
Die Pariser Zentrale zog daraufhin dem Rohstoffgeschäft den Stecker. Die Folgen davon ziehen sich bis heute durch die Bilanz der BNP Paribas Schweiz: 2022 (jüngere Zahlen liegen noch nicht vor) wies die Schweizer Bank einen Verlust von knapp 58 Millionen Franken aus. Denn noch immer ist die Bank daran, die Altlasten aus dem aufgegebenen Geschäft abzubauen, was Kosten verursacht. Zudem wurde 2019 ein Sparprogramm aufgelegt, bei dem gewisse Backoffice-Funktionen konzernweit konzentriert wurden.
«Die Bilanz der Schweizer Bank bildet nur einen Teil unseres Geschäfts hier ab», erklärt Pariset zu den Zahlen, «über alle Geschäftsbereiche hinweg ist unser Geschäft mit Schweizer Kundinnen und Kunden profitabel.» Zahlen dazu nennt sie aber keine.
Neben dem Wealth Management setzt sie auf das Firmenkundengeschäft. Dort habe sie schon vor dem Crash der Credit Suisse den Fokus auf Schweizer Firmenkunden gelegt, betont sie. Zielkunden sind Unternehmen, die mehr als 200 Millionen Franken Umsatz pro Jahr erwirtschaften. 30 Mitarbeitende kümmern sich um die 1500 Schweizer Firmenkunden.
«Ein Firmenkredit ist dabei nicht zwingend das Einstiegsprodukt», sagt Pariset. «Einige Kundenbeziehung fingen zum Beispiel auch damit an, dass wir das Cash Management übernahmen.»
Durch den Wegfall einer eigenständigen Credit Suisse sieht sie nicht die Gefahr, dass Firmenkunden eine Kreditklemme drohe. Allerdings rechnet sie damit, dass die neue UBS bei einigen Kunden das Engagement zurückfahren dürfte, um eine zu grosse Risikokonzentration zu vermeiden. Das biete Chancen. Im ersten Quartal konnte die BNP Paribas bei den syndizierten Krediten Platz eins erreichen. Allerdings sind diese League Tables sehr volatil; im Vorquartal lag die Bank auf Platz sechs.
BNP Paribas hat in der Schweiz «grösstes Potenzial»
Als Wettbewerbsvorteil ihrer Bank sieht Pariset die Grösse der Mutterbank: Von Fusionen und Übernahmen über die Finanzierung des Aussenhandels und das Fremdwährungsmanagement bis hin zu Kapitalmarkttransaktionen: Die Produktpalette ist komplett.
«Von den in der Schweiz tätigen Auslandsbanken zählt BNP Paribas sicherlich zu jenen, die hierzulande mit das grösste Potenzial haben», sagt ein CEO eines namhaften Schweizer Industrieunternehmens, der mit mehreren Banken Geschäfte abwickelt, aber bisher noch nicht mit BNP Paribas. Dank ihrer Kapitalstärke habe die Bank Kapazität für Kredite und könne den Kundinnen und Kunden auch ihre weltweite Zahlungsinfrastruktur anbieten.
Pariset ist entschlossen, die Lücke zu füllen, welche das Ende der CS gerissen hat. Die Pariser Konzernleitung hatte ihrer Schweiz-Tochter als Ziel gesetzt, zwischen 2021 und 2025 pro Jahr den Umsatz um 9 Prozent zu steigern. «Das Ziel haben wir im Investmentbanking bereits Ende 2022 erreicht, daher wurde unser Umsatzziel um 100 Millionen erhöht», sagt sie. Die Jagd auf Platzhirsch UBS ist also eröffnet.