Budget einer Pöstlerin
«Ich verdiene 3940 Franken, aber mein Arbeitskollege viel mehr»

Für die Beobachter-Serie legen Leute ihr Einkommen offen. Pöstlerin Nicole Adler (38) ist zufrieden im Job und kommt mit dem Lohn zurecht – aber nur, weil sie als Mieterin bei den Eltern wohnen kann.
Publiziert: 06.04.2025 um 15:00 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2025 um 15:01 Uhr
Nicole Adler ist als Pöstlerin mit ihrem elektrischen Dreirad-Roller unterwegs. (Symbolbild)
Foto: Keystone

Darum gehts

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Katrin Reichmuth
Beobachter

In der Beobachter-Serie «Die Abrechnung» zeigen Menschen ihren Kontoauszug – und erzählen, wie sie mit ihrem Budget leben. Wie viel Geld steht ihnen zur Verfügung? Wofür geben sie es aus? Zum Beispiel Pöstlerin Nicole Adler, die in Wirklichkeit anders heisst. 

Meine Person

Ich bin 38 und arbeite bei der Post als Zustellerin Briefe und Pakete. So heissen wir Pöstlerinnen. 

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Mit meinem elektrischen Dreirad-Roller fahre ich von Haus zu Haus. Mein Arbeitstag beginnt um sechs Uhr und dauert so lange, bis meine Tour fertig ist. Wenn ich wenig zu verteilen habe, bin ich bereits um zwei Uhr fertig, vor Weihnachten dauert eine Schicht allerdings zwölf Stunden und mehr. Ich werde aber pauschal und nicht nach Stunden bezahlt.

Gelernt habe ich Printmedienverarbeiterin. Danach habe ich in diversen Druckereien gearbeitet. Letztes Jahr hat mein damaliger Arbeitgeber den Betrieb eingestellt, und ich habe als Quereinsteigerin zur Post gewechselt.

Einnahmen

Ich arbeite Vollzeit von Montag bis Freitag und zweimal im Monat an einem Samstag. Dafür erhalte ich netto 3940 Franken im Monat – inklusive 13. Monatslohn. 

Bei mir als Quereinsteigerin ist mein Lohn tiefer als bei gelernten Pöstlerinnen und Pöstlern. Mein Arbeitskollege arbeitet seit 15 Jahren für die Post und bekommt für den gleichen Job über 6000 Franken im Monat. 

Ich bin mit meinem Lohn aber zufrieden, weil das Drumherum stimmt. Die Pensionskasse ist gut, ich habe sechs Wochen Ferien, die Arbeitskleider sowie Schulungen werden vollumfänglich übernommen. 

Ausgaben

Wohnen: Ich wohne in der Einliegerwohnung im Haus meiner Eltern. Dafür zahle ich ihnen 700 Franken im Monat, inklusive aller Nebenkosten. Für mich ist das ein Glücksfall. Mein Bruder lebt ebenfalls im Haus. Wir haben einen engen Familienzusammenhalt und schätzen dieses nachbarschaftliche Zusammenleben sehr. 

Foto: Anne Seeger

Telefon, Internet und Abos: Für Handy-Abo, Internet und Fernsehen zahle ich monatlich 100 Franken. 

Daneben habe ich Abos bei Netflix und Disney Plus, weil ich die Auswahl schätze. Ich mag Komödien und Animationsfilme. Musik höre ich auf Youtube und Spotify. Damit ich nicht von Werbung unterbrochen werde, zahle ich dafür. Das macht dann insgesamt nochmals circa 140 Franken pro Monat. 

Versicherungen: Weil die ganze Familie unter einem Dach lebt, haben wir für die Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung eine Familienpolice. Ich zahle meinen Eltern dafür jährlich 160 Franken. 

Dazu kommen 120 Franken im Jahr für die Rechtsschutzversicherung. Vor einigen Jahren hatte ich einen Autounfall. Es war nicht meine Schuld, trotzdem gab es ein Verfahren. Meine Rechtsschutzversicherung hat den Fall dann für mich übernommen. 

Gesundheit: Ich habe immer wieder Probleme mit den Handgelenken. Die Arztbesuche und die Medikamente summieren sich. Deshalb habe ich die tiefstmögliche Franchise. Die Krankenkassenprämien (Grund- und Zusatzversicherung) betragen 490 Franken pro Monat. 

Über den Daumen gerechnet, gebe ich monatlich 170 Franken für weitere Gesundheitskosten aus. Darin enthalten sind nicht nur Franchise und Selbstbehalt, sondern auch eine Reserve für unvorhergesehene Zahnarztbesuche und die jährliche Dentalhygiene. 

Mobilität: Ich fahre mit dem Auto zur Arbeit, brauche es zum Einkaufen und benutze es auch in der Freizeit häufig. Vor zweieinhalb Jahren habe ich mir für 30’000 Franken einen Cupra Formentor gekauft, das ist ein sportlicher Hybridwagen. Einen Teil des Geldes hatte ich angespart, der Rest kam aus einer Abfindung durch meinen ehemaligen Arbeitgeber. 

Ich lege jeden Monat 300 Franken auf die Seite für Reparaturen und Pneuwechsel. So habe ich das Geld parat, wenn etwas davon ansteht. Für Benzin gebe ich monatlich circa 100 Franken aus. Dazu kommt die Jahresprämie für die Autoversicherung (Vollkasko) von 1400 Franken.

Haushalt: Ich habe keine Küche in meiner Wohnung, deshalb esse ich abends bei den Eltern. Davon kann ich dann meistens auch noch etwas fürs Mittagessen am nächsten Tag mitnehmen. Ich gebe ihnen dafür monatlich 400 Franken. Meine Einkäufe bestehen in der Regel lediglich aus Kosmetika und Haushaltsartikeln. 

So habe ich gemäss meinen Berechnungen im letzten Jahr nur rund 500 Franken für den täglichen Bedarf ausgegeben. Zum Coiffeur gehe ich zweimal im Jahr, lasse aber meist nur die Spitzen schneiden. Das kostet jeweils 60 Franken.

Ein grösserer Ausgabenposten ist das Rauchen: Ich rauche ein Päckli Zigaretten pro Tag. Das macht monatlich 350 Franken – fast so viel, wie ich für Lebensmittel ausgebe. 

Kleidung und Schuhe: An fünf Tagen die Woche bin ich in Arbeitskleidung anzutreffen. Das ist vom Arbeitgeber vorgeschrieben – für mich stimmt das, weil ich so weder viel überlegen noch etwas ausgeben muss.

Auch privat trage ich seit zehn Jahren mehr oder weniger die gleiche Kleidung. Ich bin eher sportlich unterwegs, am liebsten trage ich Converse und einen Kapuzenpulli. Ausser bei den Schuhen lege ich keinen Wert auf Markenprodukte. 

Für Shopping gebe ich also sehr wenig Geld aus. Ich schätze, ungefähr alle vier Monate 80 Franken.

Freizeit: Unter der Woche bin ich meistens zu Hause und schaue Serien oder Filme oder höre Musik. Am Wochenende kommt es vor, dass ich an ein Konzert gehe. Mein letztes war Rammstein. Das Ticket hat mich 170 Franken gekostet. Ich lese gern Bücher oder male. Alles in allem gebe ich jährlich ungefähr 400 Franken für Freizeitaktivitäten aus. 

Ein separater Posten ist mein Lastwagenfahrausweis. Ich habe die Prüfung gemacht und würde auch gern mal in diesem Beruf arbeiten. Damit ich das Billett behalten kann, muss ich innerhalb von fünf Jahren einen Schleuderkurs, einen Kurs zur Ladungssicherung und einige Fahrtrainings machen. Das ist nicht ganz günstig. Ich lege dafür jeweils 600 Franken pro Jahr auf die Seite.

Mitgliedschaften: Ich interessiere mich für Astrologie. Als Mitglied des Schweizer Astrologenbunds kann ich kostenlos an Vorträgen und Veranstaltungen teilnehmen. Der Jahresbeitrag beträgt 75 Franken. 

Ferien: Vor drei Jahren war ich das letzte Mal in den Ferien. Ich fuhr für sieben Tage nach Italien. Das war sehr günstig, weil ich bei Bekannten übernachten konnte. Für Flug, Essen und Einkäufe habe ich 300 Euro ausgegeben. Seither geniesse ich meine Ferien lieber zu Hause. Ich kann mich hier genauso gut erholen, wie wenn ich irgendwohin fahre. 

Und wenn ich möchte, kann ich immer noch einen Tagesausflug unternehmen. Zum Beispiel an den Lungernsee oder irgendwohin in die Berge. Generell schätze ich es aber auch, einfach Zeit zu Hause zu verbringen, auszuschlafen und Zeit zu haben. Mein Job ist anstrengend, ich bin bei Wind und Wetter draussen.

Ich habe sechs Wochen Ferien und schätze, dass ich im Schnitt pro Ferienwoche 200 Franken zusätzlich ausgebe.

Altersvorsorge: Ich habe weder eine Lebensversicherung noch zahle ich etwas in die dritte Säule ein. Das habe ich noch nie gemacht. Ich lege lieber selbst Geld fürs Alter auf die Seite. 

Steuern: Von den Steuerbehörden bin ich aktuell noch höher eingeschätzt, weil ich letztes Jahr mehr verdient habe. Ich kann also noch nicht genau sagen, wie viel Steuern ich dieses Jahr zahlen werde. Ich rechne mal grosszügig und lege seit Anfang Jahr monatlich 400 Franken auf die Seite, damit es keine bösen Überraschungen gibt. 

Sparen und Vermögen: Ich kann monatlich knapp 400 Franken sparen. Das aber nur, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert. Sobald zum Beispiel der Staubsauger kaputtgeht, bleibt Ende Monat nichts mehr übrig. 

In meinem alten Job habe ich jeden Monat fast 2500 Franken auf die Seite gelegt. So habe ich mir knapp 30’000 Franken angespart. Mit einem Teil davon möchte ich mir bald die Anhängerprüfung finanzieren. Sie kostet 3000 bis 5000 Franken. Das Geld ist gut investiert, denn mit der Lastwagen- und der Anhängerprüfung habe ich eine langfristige berufliche Perspektive. 

Mein grösster Luxus

Für ein gutes Seherlebnis und eine bessere Bildqualität habe ich mir letztes Jahr einen 65-Zoll-Fernseher für 1000 Franken gekauft. Ganz klar Luxus. Das Teuerste, was ich mir je gekauft habe, war allerdings mein Auto. 

So fühle ich mich

Ich komme recht gut durch im Moment. Wenn ich aber eine normale Wohnung bezahlen müsste, würde es nicht mehr reichen. 

Aufgezeichnet von Katrin Reichmuth 

Hier finden Sie die bisherigen Folgen der Rubrik «Die Abrechnung». 

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