Boeing-Chef zu sein, ist aktuell kein Zuckerschlecken. Der scheidende CEO Dave Calhoun (67) musste gestern vor einem Ausschuss des US-Senats antraben für eine Anhörung zu den Abstürzen von zwei Boeing 737Max in den Jahren 2018 und 2019.
Dabei wurde er von Angehörigen der Opfer mit Buhrufen und Schmähungen eingedeckt. Das US-Justizministerium hatte im Mai erklärt, dass der Konzern wegen der Abstürze erneut strafrechtlich verfolgt werden könnte.
Calhoun entschuldigte sich bei den Angehörigen und räumte ein, dass Boeing «besser werden muss». Was das konkret bedeutet, blieb allerdings weitgehend offen.
Boeing räumt Schuld ein
Die Anhörung zu «Boeings kaputter Sicherheitskultur» folgte einer Sitzung des Senatsausschusses im April, in der ein ehemaliger Boeing-Ingenieur schwere Vorwürfe gegen den Konzern erhoben hatte. Demnach war er dafür bestraft worden, Sicherheitsbedenken über die Flugzeug-Typen 787 und 777 geäussert zu haben.
Die oben erwähnten Unglücke der indonesischen Lion Air und der Ethiopian Airlines hatte ein Problem mit einer Piloten-Assistenzsoftware ausgelöst. Das System namens MCAS sollte bei der Steuerung des Flugzeugs in einigen Situationen unterstützen. In beiden Fällen wurden die Piloten jedoch von einem deutlichen und fehlerhaften Eingreifen der Software überrascht.
Boeing hatte seinerzeit eingeräumt, dass der Konzern die US-Luftfahrtaufsicht FAA nicht korrekt über das Ausmass des benötigten Piloten-Trainings für den Betrieb der Software informiert hatte. Calhoun bekräftigte am Dienstag: «MCAS und Boeing sind verantwortlich für diese Abstürze.» Nach dem zweiten Unglück blieben 737-Max-Flugzeuge fast zwei Jahre am Boden, bis Änderungen am System vorgenommen wurden.
Kein Ende der Pannenserie
Zuletzt hatten mehrere technische Pannen bei Boeing-Maschinen für Verunsicherung gesorgt. Anfang des Jahres war bei einer Boeing 737 MAX 9 der Alaska Airlines während des Fluges ein Teil der Kabinenwand herausgebrochen. Das Flugzeug musste notlanden. Die Flugaufsichtsbehörde FAA ordnete in der Folge im Januar ein vorübergehendes Flugverbot für Maschinen der Bauart 737 MAX an. Betroffen waren 171 Flugzeuge.
«Alaska war ein Produktionsfehler», sagte Calhoun am Dienstag dazu. Das sei aber auch der einzige ihm bekannte Fall unter den jüngsten Pannen in der US-Luftfahrt, der auf die Fertigung und nicht die spätere Wartung zurückgehe, betonte er.
Anfang März fiel bei einer Boeing 777 der United Airlines kurz nach dem Abflug von San Francisco ein Reifen ab. Im Mai kündigten neuseeländische Behörden eine Untersuchung an, nachdem mehrere Passagiere auf dem Flug einer Boeing 787 Dreamliner von Sydney nach Auckland bei heftigen Turbulenzen verletzt worden waren.
Der Ausschussvorsitzende, US-Senator Richard Blumenthal, mahnte Boeing zu einer «Kurskorrektur», die mehr als nur den Austausch eines Managers beinhalten müsse. Doch auch regulatorische Behörden sind ins Visier geraten, darunter die US-Luftfahrtbehörde FAA. FAA-Chef Mike Whitaker (62) sagte letzte Woche vor dem Kongress, die Behörde habe sich gegenüber Boeing bisher «zu stark zurückgehalten».