Die Webstühle rattern gleichmässig im Takt. Ohne Gehörschutz läuft hier niemand in die Werkshalle. Dutzende Maschinen stehen in Reih und Glied. Wie eine laute, fleissige Kompanie. Auf jeder Maschine laufen 5500 Fäden parallel auf die Webeschäfte zu. Im Werk der Schoeller AG in Sevelen SG entsteht der Stoff für die neue Kampfuniform der Schweizer Armee. Millimeter für Millimeter. Faden für Faden.
Das Militär bekommt nächstes Jahr komplett neue Tarnanzüge, Jacken und Rucksäcke – es ist die erste Totalerneuerung der Kampfausrüstung seit den 90er-Jahren.
Für jahrelange Entwicklung belohnt
Der Weg vom Faden zum reissfesten, wasserdichten und lichtbeständigen Camouflagestoff ist aufwendig, aber nicht wirklich lang. Vier Deutschschweizer Firmen erhielten den Auftrag, das neue Tarngewebe für die Kampfbekleidung zu produzieren. Zwei Unternehmen aus dem Ausland sicherten sich Teilaufträge.
Der Stoff für die neuen Softshell-Jacken und den Regenschutz kommt fast komplett von der Firma Schoeller. Mammut, BMW oder die Lautsprecher UE Boom – etliche bekannte Marken setzen auf Schoeller-Stoffe. Antonio Gatti Balsarri (52) ist auf den Prestigeauftrag aber nicht weniger stolz: «Genau dafür haben wir über Jahre an der Entwicklung unserer Textilien gearbeitet.»
Die Überbleibsel der Textilhochburg
Der Armeestoff wird speziell gewoben und verarbeitet. Allfällige Löcher reissen so nicht weiter auf und die Textilien sind besonders reibfest und atmungsaktiv. Für Spezialstoffe ist Schoeller bekannt. Früher war die Firma Teil der florierenden Ostschweizer Textilindustrie. Heute spielt die Branche in der Schweiz eine Nebenrolle. Es gibt nur noch 30 Textilfirmen mit mehr als 100 Angestellten.
Schoeller beschäftigt 200 Leute. «Dank des Grossauftrags sind wir nun optimal ausgelastet», sagt Gatti. Wie viel sein Unternehmen am Auftrag verdient, will er nicht öffentlich sagen – genauso wie die Chefs der anderen Firmen.
So kommt die Farbe auf den Stoff
Für den Druck des typischen Militärmusters ist unter anderem Urs Schellenberg (42) verantwortlich. Er führt das 120 Personen grosse Familienunternehmen E. Schellenberg Textildruck AG aus Fehraltorf ZH in der dritten Generation. «So grosse Mengen mit solch strengen Qualitätsanforderungen zu produzieren, ist eine grosse Herausforderung», sagt er.
Jeder Meter Stoff, der erste wie der letzte, soll genau gleich aussehen. «Sonst sähe die Armee aus wie eine kunterbunte Truppe», so Schellenberg. Farbbeständigkeit, ob nach 100 Mal waschen oder tagelanger Sonneneinstrahlung, ist oberstes Gebot.
Neues Muster, neue Farben
Zu Normalzeiten bedruckt die Firma zum allergrössten Teil Stoffe für die Schweizer Textilfirma Calida. Das Verfahren für den Druck von Pyjamas unterscheidet sich nicht von dem für die Armeekleidung.
Eine Kleber-Walze befreit den Stoff von störenden Fuseln, eine nächste Rolle drückt den Stoff fest auf ein Laufband. Anschliessend läuft der Stoff unter fünf Druckerwalzen hindurch: Die erste Walze druckt den Schriftzug «Schweizer Armee» in den Landessprachen und in Englisch. Dann folgen die vier Walzen, die jede eine andere Farbe auf den Stoff bringt. Zuerst Braun, dann Dunkelbeige, anschliessend Grün und zum Schluss Hellbeige. Von dunkel zu hell.
Auf die Farbe Schwarz verzichten die Schweizer im neuen Muster. Das Design wird weicher, ausgelegt auf den Einsatz in urbanen Gefilden.
Nächste Armeen stehen schon Schlange
Nach dem Druck geht der Stoff weiter – entweder zur Endfertigung zurück zu Schoeller ins Rheintal, oder nach Herisau zum Traditionsunternehmen Cilander. Die Appenzeller machen den Stoff für Armeeponchos wasserdicht, Tarnanzüge scheuerbeständig und das Zeltgewebe lichtundurchlässig. «Je technischer die Anforderungen an den Stoff sind, desto besser können wir unsere Fähigkeiten ausspielen», sagt Burghard Schneider (56), Chef des Textilspezialisten.
Ab 2023 kommt das neue modulare Bekleidungs- und Ausrüstungssystem, kurz MBAS, zum Einsatz. Dieses umfasst eine neue Kampfbekleidung, neue Tragsysteme sowie ein Trinksystem und ein ballistischer Körperschutz. Die neue Ausrüstung ist je nach Funktion, Einsatz und Witterung frei kombinierbar und kostet den Bund insgesamt 348 Millionen Franken.
Kann man den alten TAZ (Tarnanzug) ab nächstem Jahr in Army-Shops kaufen? «Nein», heisst es bei Armasuisse. Einzelne Komponenten der Kampfbekleidung 90/06 würden nach der Einführung von MBAS bis auf weiteres als Tenue B, also als Dienstanzug weiterverwendet. Nach deren Nutzungsende vernichtet die Armee Kleider mit Tarnmuster. Nur so könne sichergestellt werden, dass keine Bekleidungsartikel mit Schweizer Tarnmuster in einem bewaffneten Konflikt verwendet werden.
Ab 2023 kommt das neue modulare Bekleidungs- und Ausrüstungssystem, kurz MBAS, zum Einsatz. Dieses umfasst eine neue Kampfbekleidung, neue Tragsysteme sowie ein Trinksystem und ein ballistischer Körperschutz. Die neue Ausrüstung ist je nach Funktion, Einsatz und Witterung frei kombinierbar und kostet den Bund insgesamt 348 Millionen Franken.
Kann man den alten TAZ (Tarnanzug) ab nächstem Jahr in Army-Shops kaufen? «Nein», heisst es bei Armasuisse. Einzelne Komponenten der Kampfbekleidung 90/06 würden nach der Einführung von MBAS bis auf weiteres als Tenue B, also als Dienstanzug weiterverwendet. Nach deren Nutzungsende vernichtet die Armee Kleider mit Tarnmuster. Nur so könne sichergestellt werden, dass keine Bekleidungsartikel mit Schweizer Tarnmuster in einem bewaffneten Konflikt verwendet werden.
Der Cilander-Chef hat Freude am Hightechstoff. «Wir wollen uns künftig stärker auf den Sicherheits- und Armeesektor konzentrieren», sagt er. In diesem Feld sei Expertise und Schweizer Qualität gefragt.
Der Armasuisse-Auftrag könnte für Cilander ein Schlüsselpunkt sein: Es klopfen vermehrt Armeekunden aus dem Ausland in Herisau an. Ob diese Aufträge auch angenommen werden, will die Firma sorgfältig prüfen.
Jetzt muss aus dem Stoff noch Kleidung werden
Für einige Länder könnte die Firma vielleicht auch zu teuer sein. Höhere Kosten nimmt Cilander für Qualität bewusst in Kauf, etwa bei der Endkontrolle. Angestellte prüfen jeden Zentimeter Stoff von Auge – insgesamt 20 Millionen Meter jedes Jahr. Kameras und Sensoren wären billiger, seien aber weniger verlässlich.
Cilander wie auch Schoeller liefern die veredelten und kontrollierten Stoffrollen direkt bei Armasuisse ab. Der Bund lagert sie für die nächsten Monate. Wer aus ihnen fertige Tenues schneidert, ist noch nicht bestimmt. Eine entsprechende Ausschreibung ist derzeit im Gange. Ab nächstem Jahr wird die Armee mit dem Swiss-made-Stoff eingekleidet – für mindestens 25 weitere Jahre.