Zusammengekratzt 5367 Franken stehen der fünfköpfigen Familie N. monatlich zur Verfügung. Für Miete, Krankenkassen, Essen, Rechnungen und Co. – ein Leben am Limit. «Ich würde meinen Kindern gerne mehr ermöglichen», sagt Daniela N.* (42), als sie Blick bei sich zu Hause empfängt. Die dreifache Mutter sitzt auf einem Schuldenberg von 50'000 Franken und lebt mit ihrer Familie am Existenzminimum.
«Es ist ein Teufelskreis, aus dem man nicht mehr rauskommt», so die Leserin, die sich über einen Aufruf in der Community, von ihrem Leben am Limit zu berichten, gemeldet hat. Die Wohnung in Aadorf TG ist spärlich eingerichtet. Familienfotos an der Wand zeugen von einer glücklichen Familie – trotz finanzieller Schwierigkeiten. Ihre beiden Töchter sowie der Sohn sind in der Schule oder im Kindergarten, ihr Mann ist bei der Arbeit.
Budget und Teuerung
Jeden Monat schaut das Betreibungsamt, wie viel Daniela N. und ihr Mann verdient haben. Alles über 5367 Franken wird gepfändet, um den Schuldenberg abzutragen. Der Lohn des Mannes wird ins Existenzminimum mit eingerechnet, gepfändet wird jedoch nur ihr Lohn. Damit bleibt der Familie aber nicht mehr viel.
Verschuldet hat sich Daniela N., als sie im Alter von knapp 20 Jahren kurz nach dem Abschluss ihrer Lehre an Krebs erkrankt ist. Vier Jahre war sie in Behandlung und konnte nicht arbeiten – gleichzeitig stapelten sich die Rechnungen zu Hause wie die Krankenkasse. Danach hatte sie Pech mit ihrem neuen Arbeitgeber – dieser bezahlte sie nicht regelmässig. «Seit 2009 sind keine neuen Schulden mehr dazugekommen», versichert sie.
Teuerung frisst alles weg
Die gestiegene Miete und Krankenkassen-Kosten sind zwar ins Existenzminimum eingerechnet. Nicht so aber die Teuerung. «Für den Grundbedarf und die Kinder bekommen wir immer gleich viel – egal wie viele Rechnungen sich zu Hause stapeln», erklärt die Leserin.
Seit Anfang Jahr die Kosten gestiegen sind, kommt die Familie kaum noch durch. Flattert beispielsweise eine hohe Zahnarzt- oder Steuer-Rechnung rein, ist das eine grosse Herausforderung. Kürzlich hatte ihre älteste Tochter zudem die Kommunion. Zur Feier gabs einen Besuch im Restaurant – eine absolute Seltenheit im Hause N.
Für Lebensmittel und Haushalt benötigt die Familie mindestens 800 Franken im Monat. «Ich kaufe viel bei Discountern ein oder weiche auf M-Budget- oder Prix-Garantie-Produkte aus», so Daniela N. Wenn sie bei jemandem mitfahren kann, geht sie auch mal in Deutschland einkaufen. Ein eigenes Auto hat die Familie nicht. Dafür leisten sie sich einen E-Roller sowie ein E-Trottinett – gemietet. Kostenpunkt: 55 Franken im Monat.
Die Miete für die Wohnung inklusive Nebenkosten kostet pro Monat 1870 Franken. Beide Eltern haben zudem ein ÖV-Abo und fahren mit dem Zug zur Arbeit – für 177 Franken pro Person. Die Familie ist Anfang Jahr von Winterthur ZH nach Aadorf TG gezogen. «Jetzt müssen wir noch schauen, wie viel Prämienverbilligung (PV) wir hier bekommen», so die Blick-Leserin. Ohne PV zahlt die Familie aktuell 1225 Franken Krankenkasse pro Monat.
«Reicht es mal nicht, schiebe ich als Erstes die Handyrechnung auf – oder die Stromkosten», so Daniela N. Manchmal bittet sie um Aufschub oder eine Ratenzahlung.
Die Leserin arbeitet im Detailhandel im Stundenlohn – für 22 Franken die Stunde. Ihr Pensum beträgt normalerweise 60 Prozent. «Das Geld sehe ich aber sowieso nicht. Das landet beim Betreibungsamt», so die Mutter. Ihr Mann arbeitet als Koch in einem Zürcher Spital. Dort hat er einen Fixlohn von 4300 Franken – je nach Schicht gibt es mehr. Hinzu kommen Kinderzulagen von 600 Franken. «Diese 200 Franken pro Kind sind aber ein Witz – es reicht einfach nicht.»
Zwölf Jahre alter Fernseher
Wegen des fehlenden Geldes ersetzt die Familie immer nur das Nötigste. Der Fernseher ist beispielsweise zwölf Jahre alt, hat auch bereits einige Pixelfehler. «Wenn der Fernseher komplett abliegt, werde ich auf Facebook Marketplace nach einem neuen suchen», so Daniela N. Auch viele der Möbel hat die Mutter über die Verkaufsplattform von Facebook gekauft. Bei Ricardo kann sie nicht einkaufen: Wegen ihrer schlechten Bonität darf sie kein Kundenkonto anlegen. Auch online kann sie deshalb nur per Vorauskasse bestellen.
«Es belastet mich, dass ich meine Kinder immer wieder vertrösten muss», so Daniela N. Gerade Ende Monat werde es oft eng. Vor allem die Mädchen im Alter von zehn und zwölf haben dafür nicht immer Verständnis. «Der Kleine will jetzt mit dem Fussballspielen anfangen. Auch das möchte ich ihm irgendwie ermöglichen.» Aktuell überlegt sie zudem ein Badi-Abo für den Sommer zu machen.
Sich selbst gönnt die dreifache Mutter kaum etwas. «Den Haaransatz habe ich selber gefärbt. Jetzt ist er halt orange, aber ist ja nicht so schlimm», lacht sie.
Hilfe holen, will sich die Familie nicht – Daniela N. will niemandem auf der Tasche liegen. Vor zehn Jahren haben sie und ihr Mann einmal für drei Monate Sozialhilfe beansprucht – und haben sehr schlechte Erfahrungen gemacht. «Der Umgang war sehr respektlos. Ob wir uns nicht schämen würden, Steuergelder abzuholen. Da gehe ich lieber untendurch, als mir nochmals so etwas anzuhören.» Doch ein bisschen mehr Unterstützung durch die Politik würde sich N. für Familien in derselben Lage wünschen. Deshalb hat sie Blick ihre Geschichte erzählt.
*Name von der Redaktion geändert