In wenigen Monaten öffnet Nordkorea seine Grenzen wieder für ausländische Touristen. Auch Schweizer Reiseveranstalter stehen in den Startlöchern. Zuvor war das Land aus Angst vor Corona während fünf Jahren geschlossen.
Doch Reisen in das abgeschottete Land sind kontrovers. Das Regime von Diktator Kim Jong Un (40) gilt als eines der repressivsten der Welt. Nordkorea wird für sein Atomprogramm und die Unterstützung von Russlands Krieg in der Ukraine international geächtet.
Doch welche Auswirkungen hat der Tourismus in Nordkorea und was sind die Gefahren für die Reisenden? Blick hat bei Professor Rüdiger Frank (55) von der Universität Wien nachgefragt. Frank arbeitet seit Jahren zu Nordkorea und hat in den Neunzigerjahren ein Semester in der Hauptstadt Pjöngjang studiert. Er schrieb mehrere Bücher über das Land.
Finanziert man als Gast das Atomprogramm?
Seit 2006 testete Nordkorea sechs Atombomben. Das Land verfügt zudem über Raketen von immer grösserer Reichweite. An eine direkte Finanzierung dieses Atomprogramms durch den Tourismus glaubt Frank aber nicht. Vor Corona reisten maximal 6000 westliche Touristen pro Jahr nach Nordkorea, in der Regel für 6 Tage, sagt Frank. Das bedeute Einnahmen von wenigen Millionen Dollar. «Ein Atomprogramm kann man damit nicht finanzieren.»
Zudem seien alle inländischen Ressourcen für das Atomprogramm wie Arbeitskräfte, Uran, Fabrikgebäude, Transportwege und Energie für Nordkorea ohne Geld aus dem Ausland erhältlich. Dennoch seien die Einnahmen durch den westlichen Tourismus für den Staat wichtig: «Man muss als Tourist sehr wohl davon ausgehen, dass man das Regime finanziert.»
Sieht man das wahre Nordkorea oder nur eine Kulisse?
In Nordkorea sind nur Reisen mit staatlicher Begleitung möglich. «Die Bewegungsfreiheit ist sehr stark eingeschränkt», so Frank. Man sehe zwar das wahre Nordkorea – aber nur einen sehr begrenzten Teil davon.
«Man bekommt definitiv die besseren Seiten des Landes gezeigt», sagt Frank. Aber das sei auch nicht überraschend, schliesslich gehören etwa Touren durch Gefängnisse oder Slums auch in anderen Ländern nicht zu den üblichen Touristenprogrammen.
Wie hat sich das Land durch den Tourismus verändert?
Der politische Einfluss, also die Wirkung der Begegnung mit Menschen aus dem Westen, lasse sich nur schwer abschätzen, sagt Frank. Doch seit seinem ersten Besuch 1991 bis zu seinem vorerst letzten 2018 habe Nordkorea im wirtschaftlichen Bereich nach einer schweren Hungersnot Mitte der Neunziger ein wenig mit marktwirtschaftlichen Mechanismen experimentiert. Das sei vielen Menschen zugutegekommen.
«Der Tourismus aus dem Westen war ein kleiner Teil dieser zaghaften Liberalisierung, und die daran Beteiligten – Reiseführer, Hotelangestellte, Fahrer, Souvenirverkäufer – haben davon profitiert». Doch das seien nur wenige Hundert Personen.
Droht die Festnahme als politische Geisel?
Viele Interessierte zögern nicht zuletzt wegen der Angst, aus einem Vorwand oder wegen einer Kleinigkeit verhaftet und hart bestraft zu werden. «Solche Festnahmen haben in der Vergangenheit stattgefunden, daher müssen wir davon ausgehen, dass es sie auch weiterhin geben wird», sagt Frank.
In der Regel habe dafür es zwar offizielle juristische Gründe gegeben, doch man habe es mit einem System zu tun, in dem sich die Herrschenden über das Gesetz stellen.
Hinzu komme, dass sich die Welt seit der Schliessung des Landes 2019 sehr verändert habe. Nordkoreas Führung sei heute in einer stärkeren Position als vor einigen Jahren. «Ich selbst traue mir nicht mehr zu, die nunmehr geltenden Regeln genau zu kennen, und kann daher auch nicht ruhigen Gewissens Entwarnung geben», sagt Frank.