Sie haben schon mal davon gehört: Seit Anfang 2023 ist das revidierte Erbrecht in Kraft. Damit beschäftigt haben sich gemäss einer Studie der ZKB allerdings erst wenige. Die erste Auseinandersetzung mit dem Thema Vererben findet im Schnitt im Alter von etwa Mitte vierzig statt. Massnahmen werden aber meist erst gegen die Pensionierung hin umgesetzt. Dabei raten Spezialistinnen, sich frühzeitig mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Mit den neuen Regelungen im Erbrecht gibt es einige Veränderungen und Gewinner. In erster Linie profitieren davon die Erblasserinnen und Erblasser: Man kann neu in jeder familiären Konstellation die Hälfte seines Vermögens frei verteilen; nur noch der Ehepartner oder die Ehepartnerin sowie die Nachkommen erhalten einen Pflichtteil. Dies gilt allerdings nur, wenn man mit einem Testament oder einem Erbvertrag vorgesorgt hat – dann kann man zumindest einen Teil des Nachlasses gemäss den eigenen Wünschen vererben. Und dieser frei verfügbare Anteil ist seit dem Inkrafttreten des neuen Erbrechtes merklich grösser geworden.
Ist kein Testament vorhanden, schreibt der Staat vor, wer wie viel erbt. Das heisst, die gesetzliche Erbfolge gilt. In der Schweiz ist genau geregelt, was mit dem Vermögen einer verstorbenen Person geschieht.
Wer erhält zwingend einen Pflichtteil?
Gesetzliche Erbinnen und Erben sind die eingetragene Partnerin, die Ehepartner sowie die Kinder.
Wer ist erbberechtigt, wenn die gesetzliche Erbfolge greift?
- Verheiratete Partnerinnen und Partner erben immer. Im Gegensatz dazu haben im Konkubinat lebende Partnerinnen und Partner keinen gesetzlichen Anspruch aufs Erbe. Geschiedene Partnerinnen und Partner werden ebenfalls nicht berücksichtigt.
- Neben der Ehefrau oder dem Ehemann erben die eigenen Kinder (und deren Nachkommen). Sind die Kinder minderjährig, verwaltet der überlebende Elternteil ihr Erbe. Eltern und Geschwister erben nur, wenn weder Kinder noch Kindeskinder vorhanden sind. Ist ein Elternteil bereits verstorben, geht dieser Teil des Erbes an die Geschwister über. Ohne Geschwister erbt der verbleibende Elternteil alles.
- Sind weder Eltern noch Geschwister, noch deren Nachkommen da, erben Cousinen und Cousins.
- Fehlen (eingetragene) Partner oder Partnerinnen, Kinder und Verwandte, geht das Erbe an den Kanton oder an die Gemeinde des letzten Wohnsitzes.
Wer erhält wie viel?
Verheiratete oder eingetragene Partnerinnen und Partner erhalten mindestens 50 Prozent des Erbes. Sind Kinder da, wird die andere Hälfte unter ihnen respektive unter deren Nachkommen aufgeteilt. Ohne Kinder gehen 75 Prozent an die Partnerin oder den Partner, 25 Prozent an die Verwandten (Eltern oder Geschwister).
- War die verstorbene Person nicht verheiratet und lebte auch nicht in einer eingetragenen Partnerschaft, hat aber Kinder, erben diese oder deren Nachkommen 100 Prozent.
- War die verstorbene Person kinderlos, wird das Erbe unter den Eltern hälftig aufgeteilt. Sind diese bereits verstorben, erben die Geschwister, ansonsten die Nichten oder Neffen. Sind ebenfalls keine vorhanden, geht ihr Erbteil an die Grosseltern. Ohne Verwandte geht das ganze Erbe an den Kanton oder an die Gemeinde des letzten Wohnsitzes.
Wie macht man ein Testament?
Tatsächlich lässt sich ein Testament relativ unkompliziert erstellen. Damit ein Testament gültig ist, muss es von Hand geschrieben sein. Zudem muss es das genaue Datum enthalten, also Tag, Monat und Jahr, und es muss unterschrieben sein. Das Gesetz verlangt eine «Unterschrift». Das muss nicht zwingend Vor- und Nachnamen umfassen. Nötig ist, dass die Verfasserin zweifelsfrei identifiziert werden kann. In der Praxis kommt es allerdings immer wieder vor, dass Verfasserinnen als «Eure Mutter» oder «Onkel Kari» unterschreiben. In solchen Fällen kann ein Testament angezweifelt werden. Um Konflikten vorzubeugen, ist es deshalb ratsam, sein Testament mit ausgeschriebenem Vor- und Nachnamen zu unterschreiben.
Das öffentliche Testament hingegen wird von einer Urkundsperson unter Mitwirkung von zwei Zeugen verfasst. Das kann etwa dann sinnvoll sein, wenn das handschriftliche Verfassen nicht mehr möglich ist oder man befürchtet, dass die Erbinnen später die Urteilsfähigkeit des Erblassers anzweifeln könnten.
Wie machen Menschen ein Testament, die schlecht sehen?
Das Gesetz sieht neben dem handschriftlichen Testament das sogenannte öffentliche Testament vor. Beim öffentlichen Testament verfasst ein Notar das Testament nach den Wünschen der betreffenden Person. Dann liest er das Testament im Beisein von zwei Zeuginnen vor. Die verfügende Person erklärt dann mündlich, dass das vorgelesene Testament ihrem Willen entspricht. Nachdem der Notar und die beiden Zeuginnen das Testament unterschrieben haben, ist es gültig.
Die Mutter litt zum Zeitpunkt des Testaments bereits an Demenz. Gilt das Testament trotzdem?
Um ein gültiges Testament verfassen zu können, muss man urteilsfähig sein. Ob eine Person urteilsfähig ist, wird immer auf die jeweilige Handlung bezogen beurteilt. Für die Erstellung eines Testaments bestehen grundsätzlich hohe Anforderungen an die Urteilsfähigkeit, da es eine anspruchsvolle Aufgabe ist. Jeder Fall erfordert daher eine genaue Untersuchung, ob die Person zum Zeitpunkt des Verfassens des Testaments urteilsfähig war oder nicht. Dabei sind auch psychiatrische oder medizinische Gutachten zur Abklärung möglich. Solange das Testament aber von niemandem durch eine sogenannte Ungültigkeitsklage angefochten wird, gilt es.
Wie sichern sich Unverheiratete ab?
Gibt es keine anderen gesetzlichen Erben und kein Testament, steht den Kindern die ganze Hinterlassenschaft zu. Unverheiratete Lebenspartner gehen leer aus. Die Lebenspartnerin kann begünstigt werden, indem man die eigenen Kinder auf den Pflichtteil setzt. Der Pflichtteil beträgt seit Januar 2023 die Hälfte. Auf diese Weise kann der Erblasser mit der dadurch frei werdenden Quote von 50 Prozent seine Lebenspartnerin begünstigen.
Wie kann man verhindern, dass der Ex-Mann abkassiert?
Die Erbrechtsreform, die Anfang 2023 in Kraft getreten ist, beeinflusst auch Ehepaare in Scheidung und Paare, die ihre eingetragene Partnerschaft beenden. Bisher galt: Bis zur rechtskräftigen Scheidung oder Auflösung der Partnerschaft bleibt der Anspruch auf den Pflichtteil bestehen. Nun erlischt er schon bei einem laufenden Scheidungsverfahren, das beide Eheleute beim Gericht angemeldet haben, oder bei einer Scheidungsklage nach zweijähriger Trennung. Dafür braucht es aber ein Testament, in welchem man den Pflichtteil der Person in Scheidung auf null herabsetzt. Tut man das nicht, erbt der noch nicht geschiedene Ex-Partner weiterhin mindestens die Hälfte des Vermögens.
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Wie kann man eine Immobilie vererben?
Familie Huber besitzt ein Haus im Wert von 1,5 Millionen Franken und ein Vermögen in der Höhe von 500’000 Franken. Sie haben ein gemeinsames Kind. Sollte ein Partner sterben, soll dieser möglichst einen grossen Teil des Vermögens erhalten, gleichzeitig aber auch dem Kind den Pflichtteil ausbezahlen. Nach dem neuen Erbrecht beträgt der Pflichtteil des Kindes die Hälfte des gesetzlichen Erbteils von 50 Prozent. Konkret wären dies 500’000 Franken. Somit kann das Kind ausbezahlt und das Haus im Wert von 1,5 Millionen Franken an den Ehepartner oder die Partnerin übertragen werden.
Wird das Kind des Partners nach meinem eigenen Tod erben, obwohl es gar nicht mein leibliches Kind ist?
Das Kind des Ehepartners erbt grundsätzlich nur von seinen Eltern. Gesetzliche Erben sind die Nachkommen. Das bedeutet: Nur die leiblichen oder adoptierten Kinder erben. Wurde das Kind des Partners vom Erblasser also nicht adoptiert, erbt es per Gesetz nicht. Wünscht der Erblasser allerdings, dass dieses Kind trotzdem etwas bekommen soll, kann er eine Erbeinsetzung vornehmen. Dabei sollten bestehende Pflichtteile gesetzlicher Erbinnen und Erben nicht verletzt werden. Will man nur einzelne Vermögenswerte weitergeben, so kann man dem Kind ein Vermächtnis zuwenden. Mit einem Vermächtnis kann man das Vermögen auf verschiedene Personen verteilen: Einige setzt man als Erbinnen oder Erben ein, andere bekommen nur spezifische Gegenstände des Nachlasses – ein sogenanntes Vermächtnis, womit keine Erbenstellung gewährt wird.
Darf ich meinem Konkubinatspartner eine wertvolle Uhr schenken, ohne dass meine Kinder die Uhr nach meinem Tod von ihm zurückverlangen?
Zu Lebzeiten kann man frei über das eigene Vermögen verfügen und auch beliebige Schenkungen machen. Gewisse Zuwendungen jedoch, insbesondere grössere Schenkungen, können dann im Todesfall Konsequenzen haben. Schenkungen an den Konkubinatspartner haben allerdings nur dann Folgen, wenn
- diese Schenkungen zum einen übliche Gelegenheitsgeschenke übersteigen:
- innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tod der Erblasserin erfolgten;
- diese Schenkung den Pflichtteil von pflichtteilsgeschützten Erbinnen und Erben verletzt hat.
Nicht alle gesetzlichen Erben sind pflichtteilsgeschützt. Seit Inkrafttreten des revidierten Erbrechts per 1. Januar 2023 bekommen nur noch die Ehepartnerin sowie die Nachkommen einen Pflichtteil. Die Kinder, die in diesem Fall Alleinerben sind, erhalten einen Pflichtteil von 50 Prozent des Nachlasses. Über die anderen 50 Prozent darf der Konkubinatspartner frei verfügen. Macht nun der Wert der Uhr und das im Testament zugewendete Vermächtnis mehr als die Hälfte des Nachlasses aus, so darf nichts vom Vermächtnis abgezogen werden. Falls das Vermächtnis bereits die Hälfte des Nachlasses ausmacht, bleibt zu prüfen, ob die Schenkungen innerhalb der letzten fünf Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgt sind.
Muss man dem Wunsch nach einem Erbvorbezug nachgeben?
Einem Erbvorbezug, auf den Kinder bestehen, muss man nicht zustimmen, denn dieser ist freiwillig. Kommt es dennoch zu einem Erbvorbezug, sollte dieser schriftlich festgehalten werden, da er bei einer späteren Erbteilung durch das beschenkte Kind auszugleichen ist. Dies gilt für grössere Schenkungen, zum Beispiel für einen hohen Geldbetrag oder wertvollen Schmuck. Berechnungsgrundlage ist der Wert am Todestag.
Kann man Kinder enterben?
In der Schweiz ist das nicht so einfach. Es gibt die Strafenterbung sowie die Präventiventerbung. Der Entzug des Pflichtteils ist nur dann möglich, wenn das Kind eine schwere Straftat (eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht notwendig) gegen den Erblasser oder eine ihm nahe verbundene Person begangen hat. Eine Strafenterbung ist sodann bei einer schweren Verletzung familiärer Pflichten gegenüber dem Erblasser oder den Angehörigen denkbar. Beschimpfungen, kleinere Sachbeschädigungen, keinen Kontakt zu haben oder Schulden, die nicht erfüllt werden, reichen nicht. Es gibt zudem die Möglichkeit einer Präventiventerbung, sollte ein Kind insolvent sein und das Geld an den Staat gehen. Achtung: Was nicht geht, ist, Geld zu verschenken, damit ein Pflichtteil nicht ausbezahlt werden muss. Schenkungen werden zum Nachlass hinzugezählt. Und auf diesen Nachlass können Angehörige ihren Pflichtteil geltend machen.