Die kalte Jahreszeit steht vor der Türe, und die Preise fürs Heizen steigen laut Experten um rund 40 Prozent. Das bereitet den Menschen Bauchschmerzen. Zwei junge Schweizer Tüftler wollen Abhilfe schaffen.
Felix Bünning (32) und Benjamin Huber (31) haben einen selbstlernenden Algorithmus für intelligente Thermostate entwickelt. Dieser soll im Schnitt ein Drittel der jährlichen Heizkosten einsparen. Blick besucht ihr Start-up Viboo, ein Spin-off der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa), in Dübendorf ZH.
Umweltschutz statt Formel 1
«Ursprünglich wollte ich als Ingenieur in die Formel 1», erzählt Felix Bünning. «Meine Tätigkeit bei Ingenieure ohne Grenzen hat mir aber gezeigt, dass es Wichtigeres auf der Welt gibt.»
Also entschied er sich stattdessen für eine Spezialisierung im Bereich erneuerbare Energien und Gebäudeenergie-Systeme. Im Ingenieur-Studium an der ETH in Zürich trafen sich Bünning und Huber. Aus dieser Zusammenarbeit entstand der Algorithmus, auf dem Viboo basiert.
Herzstück des Systems bildet ein selbstlernender Algorithmus. Dieser errechnet anhand der Ventilstellung des Heizkörpers und der Raumtemperatur ein Modell des Gebäudes. Nach zwei Wochen des Lernens ist er in der Lage, die Temperatur anhand von Wetterdaten aus dem Internet und dem aktuellen Sonnenstand bis zu zwölf Stunden im Voraus zu regeln.
«So kann das System zum Beispiel an einem milden Tag vorausschauend weniger heizen, da es weiss, dass es im Laufe des Tages wärmer werden wird», sagt Felix Bünning.
Seit etwa einem Jahr arbeiten die beiden Forscher nun daran, das Produkt marktfähig zu machen. Der Krieg in der Ukraine und die daraus entstandene Rohstoffknappheit helfen dabei. «Unsere Idee war es, mit Viboo dem Klimawandel entgegenzuwirken. Die momentane Situation in Europa macht unser Produkt aber natürlich noch interessanter», sagt Benjamin Huber. Auch für potenzielle Kunden wird der Anreiz grösser. Je höher die Heizkosten, umso höher auch die Ersparnis, die durch Viboo erzielt werden kann.
Hier ist das Potenzial am grössten
«Viele Gebäude in der Schweiz sind alt und schlecht isoliert. Hier ist das Sparpotenzial gross», sagt Huber. Dies liegt am insgesamt grösseren Heizaufwand bei älteren Liegenschaften. Neben den Thermostaten, die direkt am Heizkörper befestigt werden, braucht das System lediglich eine Internetverbindung.
Auch Gebäude mit Bodenheizung können mit dem neuen System ausgestattet werden. In diesem Fall werden ebenfalls Thermostate in allen Räumen angebracht. Anstatt die Heizkörper direkt zu steuern, steuert der Algorithmus hier die zentrale Heizung aufgrund der Daten, die die Thermostate liefern.
Wie viel man effektiv spart, hängt von vielen Faktoren ab. Nicht nur die Isolation, sondern auch die Art der Heizung und natürlich das Wetter haben einen Einfluss. «Im Schnitt waren es bei Testläufen auf dem Empa-Gelände 20 bis 40 Prozent», rechnet Bünning vor. Ein herkömmlicher Smart-Thermostat spart etwa 10 Prozent.
Nach einem Jahr amortisiert
Für eine durchschnittliche 3-Zimmer-Wohnung kostet der einmalige Einbau 300 bis 500 Franken. Hinzu kommen die Kosten für die Software. Pro verbautem Thermostat kostet diese 1 Franken pro Monat. Für vier Zimmer belaufen sich die jährlichen Kosten also auf 48 Franken.
Bei durchschnittlichen Heizkosten von 1500 Franken für 100 Quadratmeter und einer Einsparung von 25 Prozent hat man die Investition für den Einbau nach etwas mehr als einem Jahr wieder eingespart. Bei den steigenden Heizkosten geht die Amortisation noch schneller, und das Klima bedankt sich ebenso wie das Portemonnaie.
Einziger Wermutstropfen bei der Sache: Das System ist noch nicht auf dem Markt. Für diesen Winter wird es knapp. Ab nächstem Jahr soll das System massentauglich sein, und Schweizerinnen und Schweizer können ihre Häuser und Wohnungen damit ausstatten.