So sieht die digitale Gästekarte von Arosa Tourismus aus
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Türöffner Bündner Bergwelt:So sieht die digitale Gästekarte von Arosa Tourismus aus

Big Brother in den Bündner Bergen
In Arosa weiss der Hotelrezeptionist mehr, als dem Gast lieb ist

Einfache Hotelangestellte in Arosa können in Echtzeit verfolgen, ob ein Gast die Bergbahn nutzt, im Seilpark klettert oder mit dem Pedalo auf dem See ist. Insider packen aus, Datenschützer finden es «sehr erstaunlich».
Publiziert: 04.09.2021 um 00:39 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2021 um 12:08 Uhr
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Mit dem Gratis-Pedalo auf dem See ...
Foto: Youtube
Marc Iseli

Gratiseintritt ins Strandbad, Gratisnutzung der Bergbahnen, gratis aufs Eisfeld im Sommer, gratis mit dem Pedalo auf den See oder 50 Prozent auf das Ticket fürs Bärenland: Die digitale Gästekarte von Arosa Tourismus ist ein Türöffner für die Bündner Bergwelt. Aber sie hat für jene, die sie nutzen, einen Haken – einen grossen Haken sogar.

Hotelangestellte können in Echtzeit verfolgen, welcher ihrer Gäste wann welche Angebote nutzt. Und das in nicht anonymisierter Form. «Diese Daten sind auch für mich als Rezeptionistin problemlos einsehbar», sagt eine Hotelangestellte zu Blick. Sie bittet um Anonymität, weil sie um ihren Job fürchtet. Eine andere Mitarbeiterin aus einem nobleren Hotel bestätigt im Gespräch die Angaben: Die Gästekarte macht den Gast gläsern.

Im Klartext heisst das: Wer in einem Hotel in Arosa nächtigt und am Nachmittag mit dem Pedalo auf dem Obersee unterwegs ist, wird vom System registriert. Die Frau an der Rezeption hat jederzeit Zugriff auf die Daten. Sie kann einsehen, ob und wann ein Gast vorher im Museum war und ob die Zeit auch noch für den Ausflug in den Seilpark gereicht hat.

Mehr Kontrolle

Das ist heikel. Der Datenschutzbeauftragte des Kantons Graubünden findet es «sehr erstaunlich, dass Daten von Kunden einem erheblich grossen Personenkreis zugänglich sind». Eigentlich sollten nur jene Zugriff haben, die darauf angewiesen sind. Die Hotelrezeptionistin ist es sicher nicht.

Die Datensammler von Arosa

Arosa will für Sommertouristen attraktiver werden. Die neue, digitale Gästekarte ist ein Weg dahin. Die Region will die mit dem Kärtli erfassten Daten aber auch dazu nutzen, neue Angebote zu entwickeln. Sie will die Touristen besser lenken können. Das Prinzip dahinter ist das gleiche wie bei der Supercard oder Cumulus-Karte der Grossverteiler (als Karte oder Handy-App). Beide registrieren, ob jemand etwa Hundefutter und Babybrei zusammen kauft. Anschliessend folgen personalisierte Angebote. In den Bergen heisst das: Der Gast soll einen Push aufs Handy erhalten, um zu erfahren, ob es eine gute Zeit ist, ins Bärenland zu gehen, und was er bis dahin unternehmen kann. Er erhält Angebote, um sich nicht mehr in eine Warteschlange einreihen zu müssen. Für diese Entwicklung werden Daten aber nur in anonymer Form ausgewertet, wie die Herausgeber versichern. Marc Iseli

Arosa will für Sommertouristen attraktiver werden. Die neue, digitale Gästekarte ist ein Weg dahin. Die Region will die mit dem Kärtli erfassten Daten aber auch dazu nutzen, neue Angebote zu entwickeln. Sie will die Touristen besser lenken können. Das Prinzip dahinter ist das gleiche wie bei der Supercard oder Cumulus-Karte der Grossverteiler (als Karte oder Handy-App). Beide registrieren, ob jemand etwa Hundefutter und Babybrei zusammen kauft. Anschliessend folgen personalisierte Angebote. In den Bergen heisst das: Der Gast soll einen Push aufs Handy erhalten, um zu erfahren, ob es eine gute Zeit ist, ins Bärenland zu gehen, und was er bis dahin unternehmen kann. Er erhält Angebote, um sich nicht mehr in eine Warteschlange einreihen zu müssen. Für diese Entwicklung werden Daten aber nur in anonymer Form ausgewertet, wie die Herausgeber versichern. Marc Iseli

Eine Sprecherin des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten kommt zum gleichen Schluss. Nur ein «restriktiver» Personenkreis dürfe Zugriff auf die Daten haben, sagt sie in einer Stellungnahme. Ausserdem müssten die Daten so rasch wie möglich wieder gelöscht und die Gäste sollten über die Datenerhebung informiert werden. Sie sollten die Möglichkeit haben, sich dagegen auszusprechen.

Inwiefern das im Einzelfall passiert, ist unklar. Die Hoteliers stellen die Gästekarten für die Touristen aus. Sie wurden in diesem Frühjahr breit geschult. Verantwortlich war die lokale Tourismusorganisation. Der Datenschutz war ein Thema, die Rede war aber auch von «deutlich besseren Kontrollmöglichkeiten und Analysen».

Gläserner Gast

Tourismusdirektor Roland Schuler (42) bestätigt denn auch, dass Hoteliers vollen Zugriff auf die Daten ihrer Gäste haben. Immerhin sind die Daten der anderen Hotels, die ebenfalls Karten herausgeben, verschlüsselt. Der Hotelier im Tschuggen weiss also nicht, ob das ältere Ehepaar im Seehof heute die Bergbahn benutzt hat.

«Der Beherberger hat nur Einsicht in diejenigen Daten, welche seine eigenen Gäste betreffen – und auch nur, sofern er diesen eine Gästekarte ausgestellt hat», versichert Schuler.

Ein generelles Problem sieht er bei der aktuellen Situation nicht. Der Kurdirektor sagt, dass jeweils nur «Erst- und Letztnutzung» eines Tages gespeichert würden: «Es ist nur sichtbar, an welcher Akzeptanzstelle die Gästekarte eingesetzt wurde.» Er verweist auch darauf, dass die Hoteliers ohnehin verpflichtet seien, Gästedaten bei der Anreise zu registrieren. Dass die Gäste über das Tracking in ihren Ferien aufgeklärt werden, müsste jedem klar sein. Doch ist es das tatsächlich?


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