Auf einen Blick
Andreas Glättlis Bargeld-Bastion hielt lange. Bis 2020 nahm der Pächter des Campingplatzes am Türlersee im Kanton Zürich keine Karten an. Auch mit Twint musste ihm keiner kommen. «Ich hatte keine Lust auf die Gebühren», erzählt er dem Beobachter. Mit Corona sei das nicht mehr gegangen. «Wir hatten massive Reklamationen, Leute wollten teilweise aus Angst vor Viren das Rückgeld nicht anfassen», sagt der Wirt im blauen Poloshirt mit Türlersee-Logo. Also habe er Kartenlesegeräte gemietet. Kostenpunkt: 134 Franken pro Monat.
Glücklich ist er darüber nicht. Einen fünfstelligen Betrag zahle er so zusätzlich pro Jahr an Gebühren. Gerade bei Kleinstbeträgen summierten sich die Kosten. «Hier sind die Margen eh schon gering.» Glättli zeigt seine Abrechnungen. Für einen Badi-Eintritt von 5 Franken gehen bei einer Zahlung mit Debitkarte 10 bis 15 Rappen weg, also 2 bis 3 Prozent. Bei Kreditkarten sind es rund 2 Prozent, bei Twint fallen 1,5 Prozent an.
Die Leute denken, Twint sei gratis
Rund 30 Prozent der Besucher zahlen am Türlersee mittlerweile mit Twint. Die Bezahl-App wird bei den Schweizer Kundinnen und Kunden immer beliebter. 590 Millionen Transaktionen wurden letztes Jahr damit durchgeführt, 72 Prozent davon an Ladenkassen. Dort wurden doppelt so viele Zahlungen mit Twint vorgenommen wie im Vorjahr.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Was Glättli an Twint ärgert: «Das Unternehmen ist clever: Geld untereinander zu verschicken, kostet ja nichts. Darum denken die Leute, Twint sei immer gratis. Wir Händler zahlen aber einiges.» Hinzu kommt: Während bei Kredit- und Debitkarten bei höheren Beträgen bessere Konditionen gelten, bleiben die Gebühren bei Twint immer gleich. Das kann ins Geld gehen.
Der Beobachter hat für diese Recherche mit mehreren kleineren Geschäften gesprochen. Sie bestätigen, dass Twint für sie teuer sei. «Twint-Zahlungen kosten mich mindestens so viel wie Kreditkarten – ungefähr 1,7 Prozent pro Transaktion», sagt die Besitzerin eines Zürcher Coiffeurladens zum Beobachter. Zahlungen mit Debitkarten seien in ihrem Fall günstiger. Ähnlich tönt es bei anderen Geschäften.
Bedingungen hängen vom Vertrag ab
Twint betont dagegen, bei kleinen Beträgen für Händler nicht teurer zu sein als Debitkarten, verweist dabei aber immer auf die Lösung via QR-Code-Sticker. Über diese wird jedoch nur etwa jede zehnte Zahlung im stationären Handel getätigt. Dann entfielen die Grundgebühren pro Transaktion, es gebe keine wiederkehrenden Kosten, und es sei kein teures Zahlungsterminal erforderlich. Pro Zahlung via QR-Code-Sticker kassiert Twint fixe Gebühren von 1,3 Prozent.
Komplizierter wird es, wenn Twint über ein Terminal läuft. Dann hängen die Konditionen vom Vertrag des Lädeli mit seinem Zahlungsdienstleister ab. Tendenziell bessere Konditionen erhält, wer mehr Umsatz macht, sagt Severin Pflüger, Geschäftsführer des Verbands Elektronischer Zahlungsverkehr. Hinter dem Verband stehen auch Detailhändler wie Migros und Coop, die SBB oder die Swiss. Kleinere Geschäfte zahlen mehr. Das sei nicht nur bei Twint so, sondern bei allen Zahlungsmitteln, entgegnet ein Twint-Sprecher.
Twint betont, dass bei Zahlungsterminals der jeweilige Zahlungsanbieter die Kosten festlege, nicht Twint. In der Schweiz ist das meist die französische Worldline. Diese ist an Twint beteiligt. Die Twint-Gebühren auf Terminals seien in der Regel sehr kompetitiv und lägen mit anderen Zahlungsmitteln gleichauf oder darunter, so der Twint-Sprecher. Wer mit den Preisen für Twint nicht zufrieden sei, solle das Gespräch mit dem Zahlungsdienstleister suchen.
«Twint hat alle Hemmungen verloren»
Genau das ist aber das Problem. Denn bei den Zahlungsanbietern spiele der Wettbewerb nicht, sagt Severin Pflüger. Worldline beherrsche den Markt zu 90 Prozent. Ein Wechsel sei mit hohen Kosten für die Händler verbunden.
Hinzu kommt: Während Kartengebühren den Händlern schon lange ein Dorn im Auge seien, sei Twint bislang etwas unter dem Radar geblieben, sagt Pflüger. Ein Weko-Verfahren, wie es im Falle der neuen Debitkarten von Visa und Mastercard läuft, gibt es noch nicht. Mittlerweile habe Twint aber einen so grossen Marktanteil, dass auch dieser Anbieter bei Händlern zunehmend auf Kritik stosse, so Pflüger.
Denn die grossen Händler wie Migros und Coop hätten am Anfang noch bessere Konditionen erhalten. «Twint köderte sie, um den Markt zu durchdringen», sagt Pflüger. Mittlerweile habe der Wind gedreht. Auch für Grosshändler änderten sich die Konditionen. Pflüger: «Twint hat alle Hemmungen verloren.»
Das Unternehmen sei extrem intransparent und teuer. Das müsse sich ändern. Gerade bei Zahlungen, die über QR-Code liefen und kein Zahlungsdienstleister dazwischenstehe, sei unklar, wie die standardmässig berechneten 1,3 Prozent Gebühr zustande kämen – und ob sie gerechtfertigt seien.
Twint nennt diese Aussagen «falsch, verallgemeinernd und komplett unbelegt». Die Gebühren für den QR-Code seien klar ausgewiesen. Darüber hinaus dienten die Gebühren dem Betrieb und der Weiterentwicklung der Zahlungsinfrastruktur.
Preise steigen für alle
Nikolaus Suter, Wirt der Café-Bar Piccolo Giardino in Zürich, geht das Ganze pragmatisch an. Bei ihm zahlen zwar seit der Pandemie 95 Prozent der Kundschaft digital – häufig Kleinstbeträge. Zuvor hätten die meisten bar bezahlt. Das beschert ihm höhere Gebühren, aber er sagt: «Wenn jemand seine Stange mit Twint oder Karte zahlen will, lasse ich ihn. Vielleicht kommt er das nächste Mal wieder und konsumiert für einen grösseren Betrag.» Ob diese Kosten in seine Preise einfliessen? «Die Preise sind ohnehin gestiegen. Die Gebühren fliessen da mit rein.»
Klarer kommuniziert Campingplatz-Pächter Glättli. Er habe die Preise seit Einführung der Kartengeräte erhöht. Jedes Gericht auf der Speisekarte kostet etwa einen Franken mehr. Mit überraschendem Ergebnis: «Wir machen mehr Umsatz. Die Leute halten die Karte ans Gerät und denken nicht darüber nach.» Vielen sei nicht bewusst, dass sie die Kosten für ihre Karten- und Twint-Zahlungen indirekt tragen. Denn die höheren Preise zahlen alle – auch die, die bar zahlen.
Bargeld kostet auch
Einzelne Händler geben diese Kosten direkt an die Kunden weiter. Wie der Bäcker Eigenbrötler, der seine Gipfeli unter anderem auf dem Luzerner Markt verkauft. Wer Beträge unter 10 Franken mit Karte oder Twint bezahlt, muss 20 Rappen draufzahlen. Wieder andere Anbieter lassen ihre Kundschaft erst ab 10 Franken digital zahlen. Oder nehmen weiterhin nur Bargeld an.
Doch auch Letzteres ist nicht gratis. Es muss transportiert und verwaltet werden, ist anfälliger für Betrug. «Ich zahle das Geld jeweils selber nach meiner Schicht ein», sagt Wirt Suter. Das koste ihn zwar Arbeitszeit, aber das nehme er in Kauf. Er selbst zahlt im Ausgang gerne bar. Aber mehr aus Nostalgie. «Ich hänge irgendwie am Bargeld.»
Auch Türlersee-Pächter Glättli hält am Badi-Eingang und beim Grillstand am Bargeld fest. Die Kunden dürfen ihre Würstli allerdings im Restaurant mit Karte zahlen gehen. Bei Kleinstbeträgen weigert er sich, Karten oder Twint zu akzeptieren. «Kommt ein Bub mit einer Kreditkarte und will einen Lollipop zahlen, sage ich, er solle das Mami holen und sie solle noch einen Kaffee dazunehmen.»
Es scheint wie ein Naturgesetz: Im Herbst fallen die Blätter und die Krankenkassenprämien steigen. Mit dem Prämienticker unternimmt der «Beobachter» etwas dagegen: Er recherchiert und publiziert Missstände im Gesundheitswesen, benennt die Verantwortlichen und fordert Lösungen von den Entscheidern.
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