Bei den Löhnen kann man verhandeln – bei den Renten nicht
Darum stecken Junge die Teuerung besser weg

Nach Corona ist vor dem Wirtschaftsaufschwung. Zwar wird alles teurer, aber die Berufsaussichten sind so gut wie schon lange nicht mehr. Vor allem um junge Talente besteht ein richtiggehender Wettstreit.
Publiziert: 04.05.2022 um 00:49 Uhr
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Junge haben beruflich im Moment gut lachen: Ihnen stehen etliche Möglichkeiten offen.
Foto: Getty Images/Maskot
Fabio Giger

«Jede Woche zwei bis drei Jobangebote» liegen in der Mailbox von Nico F.*. Der 28-Jährige arbeitet bei einer IT-Security-Firma in Zürich. Headhunter wollen ihn fast täglich für ein anderes Unternehmen abwerben. Berufliche Zukunftsängste? «Habe ich keine», sagt er. Er ist kein Einzelfall.

Überhaupt dürfen sich jene, die am Anfang ihres Arbeitslebens stehen, auf wirtschaftlich rosige Zeiten freuen – obwohl gerade alles massiv teurer wird! Die Inflation beträgt gegenwärtig im Vergleich zum Vorjahr 2,4 Prozent. Seniorinnen und Senioren stellt das vor Probleme, wie Blick berichtete. Sie bekommen Monat für Monat denselben AHV-Betrag ausbezahlt und verlieren Kaufkraft. Junge Arbeitnehmer dagegen können Lohnerhöhungen anstreben. Der Zeitpunkt dafür ist so wohl so günstig wie noch nie!

Guter Zeitpunkt für Lohnerhöhung

Der Arbeitsmarkt lechzt nach jungen Talenten, nach digital topfiten Arbeitskräften oder handwerklich begabten Leuten. Aktuell fehlen laut Stellenvermittler Dynajobs 85'000 Fachkräfte. Die Arbeitnehmer, so der Eindruck, sitzen punkto Lohnerhöhungen gerade am längeren Hebel.

«Das kommt extrem auf die Branche an», sagt Karriereberater Lucas Zehnder (39). Besonders auf dem Bau, in der IT, in der Pflege, aber auch in der Gastronomie ist der Bedarf für Fachkräfte derzeit gross. «Ich empfehle es aber jedem, die jetzige Situation für Lohngespräche zu nutzen», so Zehnder. Auch Jobwechsel bringen oft höhere Gehälter mit sich – gerade für jüngere Fachkräfte.

Wirtschaft im Aufschwung, junge Arbeiter gesucht

Die letzten zwei Corona-Jahre waren für Junge nicht einfach. Laut einer ZHAW-Umfrage vom Frühjahr 2021 bedrückten 65 Prozent der Jugendlichen Zukunftsängste. «Heute sind die Ängste über die berufliche Zukunft bei unserer Arbeit tatsächlich wieder weniger Thema», sagt Marco Mettler (43), Vizedirektor von Pro Juventute Schweiz.

Indiz dafür ist auch die tiefe Jugendarbeitslosenquote von 1,8 Prozent für März 2022. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) stand diese vor einem Jahr noch bei 3 Prozent. Die Wirtschaft nach dem Corona-Tief ist im Aufschwung. Verglichen zum Frühjahr 2021 werden heute laut dem Stellenportal Jobcloud 70 Prozent mehr Jobs ausgeschrieben.

Hohe Ansprüche an Lehrstellen

Sogar um Lehrlinge buhlen Schweizer Firmen intensiv. Der Milchverarbeiter Emmi etwa wirbt auf den Packungen ihrer beliebten «Energy Milk»-Drinks für eine Lehre zum Milchtechnologen. Oder Swisscom geht auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok auf Talentfang.

In der Schweiz herrscht Lehrstellenüberschuss. Laut Domenica Mauch (33) vom Berufsbildungsportal Yousty bleiben von 85'000 Lehrstellen jedes Jahr zirka 10'000 Plätze unbesetzt. «Das hat auch damit zu tun, dass sich Jugendliche nicht für alle Lehrberufe gleich interessieren», sagt Mauch.

Nicht frei von allen Sorgen

Wieder Partys wie vor Corona, der Sommer steht vor der Tür, und die Sorgen um Geld und Job sind weit weg – also alles in Butter bei den Jungen? Marco Mettler von Pro Juventute winkt ab. Das Beratungstelefon 147 verzeichne noch immer steigende Anrufzahlen.

«Besonders Jugendliche, die schon vor der Pandemie Probleme hatten, haben es heute noch schwerer», sagt Mettler. Und der Krieg in der Ukraine beschäftige die Jungen zunehmend. Wenigstens die beruflichen und finanziellen Sorgen machen derzeit mal Pause.

* Name der Redaktion bekannt

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