Was ist bloss bei Boeing los? Nach den zwei tödlichen Abstürzen von Boeing 737 Max in den Jahren 2018 und 2019 war es zwischenzeitlich ruhiger geworden. Doch die Panne einer Boeing 737 Max von Alaska Airlines im Januar, bei der eine Tür aus dem Rumpf gerissen wurde, hat die Sorgenfalten wieder vertieft.
Die US-Luftfahrtbehörde FAA nahm nach diesem Vorfall eine Prüfung der Qualitätskontrollprozesse von Boeing vor. Die vernichtende Bilanz: Boeing hat von 89 Audits 33 nicht bestanden, wie die «New York Times» berichtet.
Ein Drittel der Prüfungen waren also nicht erfolgreich. Die FAA entdeckte «dutzende Probleme», darunter einige in der «Nichteinhaltung von genehmigten Herstellungsprozessen». Und das in der Luftfahrt, wo Sicherheit oberste Priorität hat!
«If it's Boeing I ain't going»
Stefan Eiselin (56), Gründer des Zürcher Luftfahrtportals «Aerotelegraph», hat aus dem Kreis seiner Leserschaft schon von einigen Personen gehört, die nicht mehr in eine Boeing 737Max einsteigen wollen, oder denen es dabei zumindest «mulmig» ist. Der Kalauer «If it's Boeing I ain't going», dessen Ursprünge nicht ganz klar sind, bekommt plötzlich Aufwind.
Immerhin fliegen kaum Boeing 737 Max von oder nach der Schweiz. Lediglich Icelandair fliegt zwischen Zürich und Reykjavik-Keflavik mit einer Boeing 737 Max-8. Weitere Fluggesellschaften, die auch in der Schweiz aktiv sind, haben ebenfalls 737 Max in der Flotte – etwa Turkish Airlines, United Airlines, American Airlines oder Air Canada. Sprich: Bei einem Anschlussflug ist es gut möglich, dass man in einer Boeing 737 Max sitzt.
Eiselin sagt, jeder müsse für sich selber entscheiden, ob er mit einer Boeing 737 Max fliegen will oder nicht. Er fügt aber auch an: «Der Zwischenfall mit Alaska Airlines war einer zu viel.» Boeing habe enorm an Glaubwürdigkeit verloren. Das Versprechen, nach den tödlichen Vorfällen von 2018/2019 besser geworden zu sein, hat sich in Luft aufgelöst. Der Börsenkurs ist seitdem entsprechend getaucht.
«Boeing wird nun viel Geld investieren müssen, um in der Öffentlichkeit und bei Investoren wieder Glaubwürdigkeit zu schaffen», sagt Eiselin. Dieses Geld könnte bei Entwicklung und Innovation fehlen.
Kaum Nutzniesser in Sicht
Welcher Rivale hat durch die Boeing-Misere Oberwasser? Kaum jemand. Mitbewerber Airbus hat schon früher profitiert und auf Jahre hinaus volle Auftragsbücher. Der brasilianische Flugzeugbauer Embraer ist zu klein, die russischen Flugzeugbauer spielen keine Rolle mehr und der chinesische Flugzeugbauer Comac ist ausserhalb des chinesischen Einflussbereichs bedeutungslos.
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Auf Dauer kommen Fluggesellschaften also möglicherweise nicht um Boeing herum. «Die Flugzeuge von Boeing sind nicht schlecht, aber bei deren hohen Preisen dürfen solche Qualitätsfehler in dieser Häufung nicht vorkommen», schliesst Eiselin.
Statistisch gesehen ist die Zahl der tödlichen Unfälle mit Boeing-Flugzeugen aller Typen im Verhältnis zur Zahl der fliegenden Boeing-Maschinen eigentlich minimal. Aber in der Luftfahrt sind Verfehlungen bei Bau und Qualitätskontrolle alles andere als trivial.