Händeringend wird in der Schweiz nach neuem Wohnraum gesucht. Gleichzeitig verhängt der Kanton Zürich in der Gemeinde einen Baustopp – für 300 Grundstücke. Auf drei dieser Grundstücke sollten aktuell neue Mehrfamilienhäuser entstehen, stattdessen passiert jetzt in den nächsten drei Jahren gar nichts.
«Wir sind über die Kommunikation der Gemeinde sehr enttäuscht», sagt Philipp Magni (55) zu Blick. Er ist einer der privaten Geldgeber, der in Unterengstringen in das Bauland investiert hat. Dort stehen in der locker bebauten Wohngegend momentan drei Einfamilienhäuser. Diese Häuser an der Rietstrasse sollen abgerissen werden – stattdessen sind 17 neue Eigentumswohnungen mit Pool und grosszügiger Terrasse geplant. Zuständig ist die Baufirma B&L.
Mitte August 2022 reichte B&L das Baugesuch ein. Nach langem Hin und Her kam im April dann die Nachricht der Gemeinde Unterengstringen: Baustopp für die nächsten drei Jahren.
Gemeinde spielt auf Zeit
«Wir hätten uns viel Aufwand ersparen können. Wir wussten lange nicht, woran wir sind», sagt Magni. Zudem ist er sich sicher: «Die Gemeinde wird die Bauzone verschlechtern.»
Die Firma B&L ist ebenso der Meinung, dass sie von der Gemeinde, die am Stadtrand von Zürich liegt, hingehalten wurden. «Wir haben in den letzten Jahren drei Mehrfamilienhäuser an der gleichen Strasse erstellen dürfen. Das hat reibungslos funktioniert – und auf einmal dürfen wir nicht mehr», sagt der Geschäftsführer, der nicht namentlich genannt werden möchte. Aber warum? Schliesslich wird der Wohnraum dringend gebraucht.
Die Gemeinde argumentiert damit, dass die Mehrheit der hier Ansässigen gegen die Baupläne sei. Von den über 4000 Einwohnerinnen und Einwohnern nahmen aber nur etwa 100 an der öffentlichen Veranstaltung teil. Mit dieser Beteiligungsveranstaltung wollte die Gemeinde schauen, was die Bedürfnisse und Interessen der Bevölkerung sind.
«Ich denke, dass nicht mal ein Bruchteil der Bevölkerung der Gemeinde im Bilde ist, welche Bauprojekte geplant sind», meint der Geschäftsführer. «Um ehrlich zu sein haben wir das Gefühl, dass die Beschwerden von Personen stammen, die an diesem Hang ihr Zuhause haben und vielleicht etwas dagegen haben, wenn vor und neben ihnen gebaut wird.»
Auffällig: In der Planungszone wohnen laut der Website der Gemeinde gleich mehrere Personen – sowohl aus dem Gemeinderat als auch aus der Baukommission, wie beispielsweise deren Präsident Marco Rossi (FDP). Das Haus des Gemeindepräsidenten Marcel Balmers (SVP) liegt ebenfalls in der gesperrten Bauzone, wie die Gemeinde bestätigt.
Der Gemeindepräsident argumentiert: «Die Hanglage soll ihren Charakter behalten.» Damit ist die «durchgrünte und lockere Quartierbebauung» gemeint. Verdichtung peilt die Gemeinde dagegen entlang der Zürcherstrasse an. Also an der grossen Hauptstrasse, die bereits jetzt am dichtesten bebaut ist.
Wohnungen sind gefragt
Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) hat kürzlich eine Studie zum Thema Verdichtung publiziert. «Zwar sind alle für Verdichtung, aber nur solange sie nicht vor der eigenen Haustüre stattfindet», sagt Studienautorin Ursina Kubli (43), Leiterin Immobilien Analytics. Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung dauert es heute im Schnitt 140 Tage. Das ist 67 Prozent länger als noch 2010. Je dichter das Gebiet besiedelt ist, desto länger dauert es.
Dabei scheinen der zusätzliche Wohnraum sowie die Lage am Hang sehr gefragt zu sein. Denn die bereits gebauten Eigentumswohnungen der Firma B&L in Unterengstringen gingen weg wie heisse Weggli. «Die Wohnungen aus dem letzten Bau waren innerhalb einer Woche verkauft».
Deshalb hat Magni auch in das Bauland investiert. Mit den ehemaligen Besitzern der Einfamilienhäuschen steht die Firma in gutem Verhältnis. Zwei Familien seien bereits ausgezogen – die Häuser stehen also leer. Ein älteres Pärchen bleibt im Haus – bis die Bagger anrollen. Sie wollten in eine Wohnung der neuen Überbauung einziehen.
Das kann jetzt noch ein ganzes Weilchen dauern. «Die Gemeinde muss jetzt bis Mitte 2026 keine Gesuche bewilligen – und kann diese Frist auch nochmals um zwei Jahre verlängern», sagt Magni. Die Gemeinde selbst spricht von einer «Verschnaufpause», um die Bau- und Zonenordnung in Ruhe zu erstellen. Bei der aktuellen Wohnungslage gleicht das fast schon einem Hohn.